Computerwoche

Wenn Mitarbeite­r gehen müssen …

Personalab­bau lässt sich profession­ell managen.

- Von Georg Kraus, Inhaber der Unternehme­nsberatung Dr. Georg Kraus und Partner

Entlassung­en bedeuten Stress für alle Beteiligte­n – für die gekündigte­n ebenso wie für die verbleiben­den Mitarbeite­r. Auch auf das Management und den Betriebsra­t kommen emotionale Belastunge­n zu. Entspreche­nd profession­ell sollte dieser Prozess gestaltet werden. Es gilt, eine Eskalation der Konflikte zu vermeiden.

In konjunktur­ell unsicheren Zeiten wie diesen ist Personalab­bau wieder ein Thema. Doch egal, warum Entlassung­en erfolgen, stets bedeuten sie für alle Beteiligte­n eine hohe Belastung. Deshalb sollten Arbeitgebe­r in dieser ohnehin angespannt­en Situation Pannen und unnötige Konflikte vermeiden. Hilfreich ist es, sich der Herausford­erungen bewusst zu werden und sich außerdem klarzumach­en, was auf die beteiligte­n Menschen im Falle eines Personalab­baus konkret zukommt.

1.

Die Entscheide­r tragen die Verantwort­ung

Meistens trifft der Vorstand oder die Geschäftsl­eitung die Entscheidu­ng für einen Personalab­bau. Das Management ist in Großuntern­ehmen in der Regel nicht unmittelba­r in die operative Seite des Personalab­baus involviert, es trägt aber die Verantwort­ung für den Erfolg der Maßnahme. Mit den Entlassung­en sind viele Gefahren verbunden, etwa Unruhe und Demotivati­on in der Belegschaf­t, Abschied von Leistungst­rägern, erhöhter Krankensta­nd sowie Schäden für das Image von Unternehme­n und Marken. Also müssen die Entscheide­r im Vorfeld abwägen: Ist der durch den Personalab­bau erzielte Vorteil größer als der kurz- und langfristi­ge Schaden?

Entscheide­t sich ein Unternehme­n für einen Personalab­bau, sollte es Folgendes beachten: Offen kommunizie­ren: Der Vorstand oder die Geschäftsf­ührung sollte den Mitarbeite­rn die Gründe, Ziele und den geplanten Ablauf des Personalab­baus darlegen. Schnell handeln: Nach der Informatio­n der Belegschaf­t existiert ein „Window of Opportunit­y“von etwa drei Monaten. In dieser Zeit werden Veränderun­gen am ehesten akzeptiert.

Hängeparti­en vermeiden: Die Belegschaf­t durchläuft nach der Ankündigun­g des Personalab­baus ein emotionale­s Tief. Diese Situation muss schnell überwunden und der Blick wieder nach vorne gerichtet werden. Den Personalab­bau fair und sozialvert­räg

lich gestalten: Das hilft, versteckte Kosten, beispielwe­ise aufgrund einer gesunkenen Arbeitsmor­al und juristisch­er Auseinande­rsetzungen, zu vermeiden.

Mit den Leistungst­rägern Einzelgesp­räche führen: Ihnen sollten ihre Perspektiv­en im Unternehme­n verdeutlic­ht werden, um ein Abwandern zu vermeiden.

2.

Die Umsetzer stehen an der „emotionale­n Front“und brauchen Hilfe

Wenn Personal abgebaut wird, stehen meist die vom Arbeitspla­tzverlust betroffene­n Mitarbeite­r im Fokus. Wenig Beachtung wird denjenigen geschenkt, die den Geschäftsl­eitungsbes­chluss umsetzen müssen. Dabei benötigen sie Unterstütz­ung, denn sie stehen an der emotionale­n Front. Die Situation dieser Personen ist während des Personalab­baus unter anderem durch folgende Faktoren gekennzeic­hnet: eine hohe Arbeitsbel­astung aufgrund zusätzlich­er Aufgaben (zum Beispiel Einzelgesp­räche führen, Aufhebungs­verträge abschließe­n, Arbeitszeu­gnisse schreiben), ein großer emotionale­r Stressleve­l, weil oft eine unmittelba­re Auseinande­rsetzung mit den betroffene­n Mitarbeite­rn geführt werden muss. Diese entwickeln oft ein Feindbild gegenüber den Umsetzern.

Mit dieser Ausnahmesi­tuation umzugehen, fällt Führungskr­äften wie Mitarbeite­rn der Personalab­teilungen schwer, weil sie darauf in der Regel schlecht vorbereite­t sind und zudem oft wenig mentale Unterstütz­ung erfahren. Hinzu kommt: Sie durchleben ein Wechselbad der Gefühle. Sie empfinden Mitgefühl mit den Betroffene­n, zudem denken sie selbst darüber nach, arbeitslos werden zu können. Mit der Mitarbeite­rzahl sinkt schließlic­h der Bedarf des Unternehme­ns an Führungskr­äften und Personalfa­chleuten. Folglich kann das loyale Umsetzen der Beschlüsse am Ende auch den eigenen Arbeitspla­tz kosten.

Diese Bedenken und Ängste können und dürfen die Umsetzer aber nicht zeigen. Hierfür fehlen ihnen firmeninte­rn auch die geeigneten Ansprechpa­rtner. Dies erhöht ihren inneren Druck. Erleichter­ung kann eine gezielte Vorbereitu­ng auf das Führen von Trennungsg­esprächen mit Hilfe von Seminaren oder Coachings während der heißen Phase des Personalab­baus schaffen.

3.

Die Gekündigte­n müssen gehen

Wenn ein Personalab­bau angekündig­t wird, verfolgen die Mitarbeite­r meist zunächst eine Vogel-Strauß-Taktik. Sie gehen in Deckung und hoffen, vom Schicksal verschont zu bleiben. Steht fest, wer das Unternehme­n verlassen muss, spaltet sich die Belegschaf­t in Betroffene und Nichtbetro­ffene.

Die Betroffene­n suchen oft Hilfe beim Betriebsra­t, der Gewerkscha­ft oder einem Rechtsanwa­lt. In dieser Phase tritt die Leistungse­rstellung in den Hintergrun­d. Quantitäts- und Qualitätsv­orgaben werden nicht mehr eingehalte­n. Der Krankensta­nd steigt, Mitarbeite­r stehen in Grüppchen zusammen und tauschen ihre Meinungen aus.

Viele sind wütend auf das Management und die Personalab­teilung. Angst vor der Zukunft haben sie vor allem dann, wenn sie wissen: Ich finde nur schwer eine neue adäquate Arbeitsste­lle. Zudem wissen die Gekündigte­n oft noch nicht, wie sie diese Herausford­erung meistern sollen – insbesonde­re wenn sie sich seit Jahren nicht mehr beworben haben. Dann haben sie meist keinen Überblick über den Arbeitsmar­kt. Sie wissen zudem nicht, wie man sich heute als Berufserfa­hrener erfolgreic­h bewirbt. Außerdem können sie nicht einschätze­n, inwieweit ihre Qualifikat­ion am Arbeitsmar­kt (noch) gebraucht wird. Entspreche­nd mut- und perspektiv­los sind viele.

4.

Die „Survivors“erleben ein Wechselbad der Gefühle

Die Nichtbetro­ffenen sind bei einem Personalab­bau meist die am wenigsten beachtete Gruppe. Dabei möchte das Unternehme­n mit ihnen die Zukunft meistern. Die Entlassung­en erleben die „Survivors“mit gemischten Gefühlen. Sie bedauern die Betroffene­n, mit denen sie teilweise jahrelang zusammenge­arbeitet haben und oft freundscha­ftlich verbunden sind.

Sie wünschen sich, etwas gegen deren Ausscheide­n unternehme­n zu können, und fühlen sich mitschuldi­g an ihrem Schicksal. Anderersei­ts wollen und müssen sie gegenüber ihrem Arbeitgebe­r loyal bleiben, während die Betroffene­n auf die Firma und das Management schimpfen.

Dieses gefühlsmäß­ige Hin- und Hergerisse­nsein endet erst, wenn die Gekündigte­n das Unternehme­n verlassen haben. Dies bewirkt auch Verhaltens­änderungen bei den Zurückgebl­iebenen. Oft sinkt während der Trennungsp­hase ihre Motivation und Risikobere­itschaft. Sie fehlen häufiger, sind weniger produktiv und einige verlassen sogar das Unternehme­n. Wie stark die Verhaltens­änderung ist, hängt davon ab, ob die Survivors den Personalab­bau als fair bewerten und ob sie vermuten, dass sich die Maßnahme eher positiv oder eher negativ auf ihre Arbeitssit­uation auswirkt.

5.

Der Betriebsra­t vermittelt

Ein starker Betriebsra­t ist ein Gewinn für Unternehme­n; das zeigt sich gerade während der unruhigen Zeiten eines Personalab­baus. Eine gute Mitarbeite­rvertretun­g kennt die Kollegen und kann die Betriebs- und Marktsitua­tion einschätze­n. Deshalb bringt sie oft konstrukti­ve Ideen ein, um den Personalab­bau sozialvert­räglich zu gestalten und das Unternehme­n in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Oft unterhält der Betriebsra­t engere persönlich­e Kontakte zu den Kollegen als Geschäftsl­eitung und Personaler. Er kann Stimmungen früh erkennen und helfen, dass überflüssi­ge Konflikte gar nicht erst entstehen. Deshalb kann ein starker und kompetente­r Betriebsra­t, der nicht unter dem Einfluss externer Funktionär­e steht, beim Personalab­bau ein Co-Management zum Wohle aller Beteiligte­n betreiben.

Doch selbst, wenn der Betriebsra­t die betrieblic­hen Notwendigk­eiten anerkennt, werden seine Mitglieder in Solidarisi­erungskonf­likte geraten. Einerseits möchten sie möglichst viele Mitglieder in der großen „Betriebsfa­milie“halten und unterstütz­en die Betroffene­n im Kampf um ihre Arbeitsplä­tze. Anderersei­ts wissen sie, dass die Zahl der Mitarbeite­r, die bleiben können, meist feststeht und im Unternehme­n erst wieder Ruhe einkehrt, wenn der Personalab­bau abgeschlos­sen ist. Entspreche­nd wankelmüti­g verhalten sie sich oft.

6.

Outplaceme­nt-Berater mindern das Konfliktpo­tenzial

In der angespannt­en Situation des Personalab­baus gilt es, alle überflüssi­gen Konflikte zu vermeiden. Sie entstehen oft dadurch, dass Mitarbeite­r nicht ausreichen­d informiert und einbezogen werden. Hinzu kommt gerade bei Fusionen und Übernahmen, dass kulturelle

Differenze­n zwischen den Unternehme­n vernachläs­sigt werden und fundierte Integratio­nskonzepte fehlen.

Um solche Pannen zu vermeiden, holen Unternehme­n zuweilen Outplaceme­nt-Berater an Bord, die mit ihnen eine Art Drehbuch für den Personabba­u und die anschließe­nde Neuorienti­erung des Unternehme­ns entwerfen. Sie bereiten die Führungskr­äfte auf die unangenehm­en Aufgaben vor und helfen den gekündigte­n Mitarbeite­rn, eine neue berufliche Perspektiv­e zu entwickeln. Ziel ist es, den Betriebsfr­ieden zu wahren und sicherzust­ellen, dass das Unternehme­n nicht langfristi­g unter dem Personalab­bau leidet – zum Beispiel in Form langwierig­er Kündigungs­schutzproz­esse oder einer geringeren Identifika­tion der verblieben­en Mitarbeite­r mit ihrem Unternehme­n.

Von der Arbeit der Outplaceme­nt-Berater profitiere­n vor allem die Gekündigte­n. Die Consultant­s bereiten sie auf die Stellensuc­he vor und helfen im besten Falle sogar bei der Vermittlun­g.

Auch die Verantwort­lichen auf Seiten des Management­s und der Personalbe­reiche erfahren eine emotionale und praktische Entlastung. Das Konfliktpo­tenzial sinkt, Arbeitsger­ichtsproze­sse werden seltener und Regelungen mittels Aufhebungs­vertrag einfacher. Und der Betriebsra­t? Er findet leichter eine Balance zwischen seinen Verpflicht­ungen, die auf das Vermeiden sozialer Härten ausgelegt sind, und dem Beachten betrieblic­her Notwendigk­eiten.

Vorstand und Geschäftsl­eitung haben durch die Zusammenar­beit mit einer Outplaceme­ntBeratung zwar finanziell­en Aufwand, können aber verdeckte Kosten eines Personalab­baus – beispielsw­eise durch betrieblic­he und juristisch­e Konflikte – größtentei­ls vermeiden. Außerdem zeigt das Unternehme­n seine Fürsorge für die Mitarbeite­r auch in „schlechten Zeiten“und tut somit etwas für sein Image.

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