Computerwoche

Low Code gegen Entwickler­mangel

Fast die Hälfte ihrer Arbeitszei­t verbringen Entwickler mit Routinetät­igkeiten, sagt Matt Calkins, CEO des Softwarean­bieters Appian. Dessen Entwicklun­gsund Automatisi­erungsplat­tform soll die kreativen Köpfe entlasten.

- Von Karin Johanna Quack, freie Autorin und Editorial Consultant in München

Auf der Hausmesse von Appian stand neben den hauseigene­n Produkten die Frage im Vordergrun­d, wie Anwender die Effizienz in der Softwareen­twicklung erhöhen können.

In fünf Jahren werden zwei von drei neuen Anwendunge­n mit Low-Code-Plattforme­n entwickelt, prognostiz­iert das Marktforsc­hungsunter­nehmen Gartner. Ein wichtiger Grund sei die hohe Effektivit­ät: Entwickler kämen schneller zu Ergebnisse­n, was angesichts des Personalno­tstands in diesem Bereich eine Erleichter­ung darstelle.

Low-Code-Tools haben den Vorteil, mit Modellen und grafischen Elementen zu arbeiten; Entwickler nutzen Maus statt Tastatur. Plattforme­n wie Appian, Outsystems, Mendix oder Scopeland nehmen ihnen Routineauf­gaben ab, indem sie die repetitive­n Tätigkeite­n im Hintergrun­d automatisi­eren. Und wenn die Anwendungs­oberfläche von der Integratio­nsschicht sauber getrennt ist, lässt sich die Applikatio­n einfacher „up to date“halten.

Matt Calkins, CEO von Appian, warb auf der Anwenderko­nferenz Appian Europe 2019 in London für die eigene Plattform, indem er die zahlreiche­n „Connected Systems“herausstel­lte. Bestimmte von Drittanbie­tern bereitgest­ellte Funktionen lassen sich demnach ohne Programmie­rarbeit in die Applikatio­nen integriere­n – „nicht nur oberflächl­ich, sondern tiefgehend“, wie Calkins in seiner Keynote betonte. „Unsere Salesforce-Anbindung beispielsw­eise macht aus Salesforce-Objekten tatsächlic­h Appian-Objekte.“

Theoretisc­h könne der Kunde jede Funktion einbauen, die ihm zusage, führte Calkins im Gespräch mit der COMPUTERWO­CHE aus. Doch Appian habe sich auf den wichtigste­n Anwendungs­feldern für jeweils ein „marktführe­ndes System“entschiede­n und dafür eine DefaultInt­egration entwickelt. Als jüngste Beispiele nannte er die Integratio­n des Cloud-Speichers Google Drive und des E-Signature-Tools DocuSign. Außerdem gibt es den „AWS Signature Version 4 Support“, der die Authentifi­zierung für mehr als 100 AWS-Services vereinfach­en soll, darunter S3, Comprehend und Textract.

In das Machine-Learning-Entwicklun­gssystem „AI for Appian“ist jetzt außerdem die Möglichkei­t integriert, via „Google Cloud Translatio­n“Texte automatisc­h in unterschie­dliche Sprachen zu übersetzen. Die KI-Entwicklun­gsumgebung gehört zu einer Reihe von vorgeferti­gten Anwendunge­n, die Appian ebenfalls bereitstel­lt. Es gibt sie beispielsw­eise für Robotic Process Automation (RPA), konkreter: für die Orchestrie­rung von „gemischten Teams“aus Menschen, Bots und KI-Komponente­n, sowie für den Institutio­nal-Onboarding-Prozess, der vor allem in hochreguli­erten Branchen wie Banken und Versicheru­ngen komplex ist.

AI for Appian beruht auf den KI-Funktionen von Google. Die Partnersch­aft zwischen Appi

an und dem Internet-Konzern ist enger als die mit anderen Third Parties: Google AI ist fester Bestandtei­l der Appian-Plattform und sogar in der kostenlose­n Testversio­n eingeschlo­ssen.

Low Code inklusive Health Check

Eine weitere Verbesseru­ng in Appian 19.4 betrifft den Komfort der Codebereit­stellung für DevOps-Umgebungen. Laut Anbieter können Appian-Entwickler Codeänderu­ngen direkt, also ohne den Umweg über die DevOpsSoft­ware eines Dritten, von einer Umgebung auf eine andere übertragen. Einfacher hat Appian auch die Bereitstel­lung von Anwendunge­n auf mobilen Endgeräten gestaltet. Sicherheit­s- und Deployment-Anforderun­gen lassen sich zentral verwalten – im Einklang mit den Standards der AppConfig Community. Möglich sei zudem die Arbeit im „MobileOffl­ine“-Modus.

Appian will seinen Kunden im gesamten Anwendungs-Lebenszykl­us das gute Gefühl vermitteln, dass ihre Applikatio­n funktional und logisch in Ordnung ist. Dazu dient der automatisi­erte „Health Check“. Er prüft, ob die Anwendung bewährten Vorgehensw­eisen entspricht und welche Risiken sie in Sachen Wartung oder Skalierbar­keit birgt. Im jüngsten Release der Appian-Plattform lässt sich diese „Gesundheit­sprüfung“direkt von der Administra­tionskonso­le einrichten, planen und verfolgen.

Low-Code-Tools in vier Segmenten

Die auf der Appian Europe 2019 vorgestell­ten Verbesseru­ngen betreffen vor allem die Entwicklun­gsplattfor­m. Aber die Stärke von Appian sehen Analystenh­äuser wie Gartner und Forrester vor allem in seiner Herkunft aus dem

„intelligen­ten“, modellgetr­iebenen BusinessPr­ocess-Management (iBPM). Die Fähigkeit, mit komplexen Geschäftsr­egeln, Entscheidu­ngsprozess­en und Workflows umzugehen, sei ein Pluspunkt, ebenso die Unterstütz­ung für fortgeschr­ittene Web-Applikatio­nen und Chatbots. Die Appian-Plattform gilt als Enterprise-tauglich, skalierbar und sicher; der Anbieter werde als verlässlic­her Partner betrachtet – vor allem seit dem Börsengang im Jahr 2017.

In seinem „magischen Viereck“verzeichne­t Gartner unter dem Schlagwort Low Code so unterschie­dliche Softwarewe­rkzeuge wie PowerApps von Microsoft, die Entwicklun­gsplattfor­men von Mendix und Appian sowie die Developmen­t-Tools von Lösungsanb­ietern wie Salesforce oder ServiceNow.

Negativ bewertet Gartner die laut Referenzku­nden wenig flexible Lizenzprax­is von Appian. Wie Calkins einräumt, ist die Software „alles andere als billig“. Für Neukunden hat der

Anbieter allerdings ein Angebot in petto: Die „Appian-Garantie“verspricht dem Erstanwend­er ein Projekt zum Fixpreis von 150.000 Dollar (120.000 Euro), das binnen acht Wochen fertiggest­ellt sein soll – sofern sich der Kunde auf „Standardbe­dingungen“einlässt, wie etwa den Bezug der Software aus der Cloud und eine vorangegan­gene User-Beschreibu­ng. Laut IDC erzielen Appian-Anwender den Breakeven nach durchschni­ttlich sieben Monaten.

Trotzdem haben in Deutschlan­d bislang nur etwa 30 Großuntern­ehmen angebissen. Das klingt nicht eben nach einem durchschla­genden Erfolg. Dirk Pohla, Managing Director DACH, kontert mit zwei Argumenten: Appian wurde zwar schon 1999 gegründet, ist aber erst seit sechs Jahren auf dem kontinenta­leuropäisc­hen Markt tätig. Außerdem wende man sich nicht an den Massenmark­t, sondern vor allem an große, häufig ingenieurg­etriebene Unternehme­n: „Hier geht es um Zuverlässi­gkeit und Vertrauen, und das will langsam erworben werden.“

 ??  ?? Appian-CEO Matt Calkins stellte unter anderem den automatisi­erten „Health Check“für die LowCode-Entwicklun­gsplattfor­m vor. Er soll prüfen, ob eine neue Anwendung von bewährten Vorgehensw­eisen abweicht und welche Risiken in Sachen Wartung oder Skalierbar­keit damit verbunden sind. Im jüngsten Release der Appian-Plattform lässt sich diese „Gesundheit­sprüfung“direkt über die Administra­tionskonso­le einrichten.
Appian-CEO Matt Calkins stellte unter anderem den automatisi­erten „Health Check“für die LowCode-Entwicklun­gsplattfor­m vor. Er soll prüfen, ob eine neue Anwendung von bewährten Vorgehensw­eisen abweicht und welche Risiken in Sachen Wartung oder Skalierbar­keit damit verbunden sind. Im jüngsten Release der Appian-Plattform lässt sich diese „Gesundheit­sprüfung“direkt über die Administra­tionskonso­le einrichten.

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