AWS gibt Outposts frei
Amazons Cloud-Tochter will Kunden mit den Appliances der Outposts-Reihe helfen, AWSTools auch on Premise zu nutzen und, wann immer sinnvoll, eine Brücke in die Public Cloud zu schlagen.
Vor einem Jahr hat Amazon Web Services (AWS) seine Hybrid-Cloud-Lösung angekündigt – nun ist Outposts verfügbar. Kunden erhalten damit besondere Appliances, mit denen sie AWS-Services lokal in ihren eigenen Rechenzentren nutzen und dabei auch auf Funktionen in der AWS-Cloud zugreifen können.
Wer besetzt die Schaltzentrale hybrider IT-Infrastrukturen an der Schnittstelle zwischen dem eigenen Data Center und der Public Cloud? Diese Frage heizt derzeit den Wettbewerb an. Die Aspiranten kommen aus ganz verschiedenen Ecken – AWS, Google und Microsoft von der Cloud-Seite sowie Dell, HP Enterprise und Oracle als klassische Infrastruktur- und Softwareanbieter. Dabei wird durchaus mit harten Bandagen gekämpft.
Andy Jassy, CEO von AWS, nutzte seine Keynote auf der Hausmesse re:invent Anfang Dezember in Las Vegas für einen Seitenhieb auf die Konkurrenten IBM und Oracle. AWS wolle Unternehmenskunden davon überzeugen, mit ihrer IT-Infrastruktur in die Cloud umzuziehen. Dabei gelte es aber, sich von Ballast zu befreien, wie Jassy anhand eines Bildes in seiner Präsentation deutlich zu machen versuchte. Ein Umzugswagen, beladen mit Amazon-PrimePaketen, steht vor einem Haus. In der Einfahrt bleiben etliche Pakete und Geräte liegen – darunter eine Oracle-Box und ein IBM-Mainframe. „Wenn du dich bewegen willst, musst du entscheiden, was du mitnimmst und was du zurücklässt“, kommentierte der Manager süffisant die Szenerie.
„So schnell wie möglich weg vom Mainframe“
Das sei die zentrale Frage, die sich alle IT-Verantwortlichen stellen müssten, wenn sie über die Modernisierung ihrer Legacy-Systeme und Data Center nachdächten, erklärte Jassy sein Bild. Viele Unternehmen nutzten zwar noch Mainframes, doch die Wahrheit sei, dass sie so schnell wie möglich von den Großrechnern wegkommen wollten.
Allerdings haben auch die AWS-Verantwortlichen mittlerweile erkannt, dass Anwender ihre IT-Infrastrukturen nicht über Nacht in die Cloud verlagern werden. Die IT-Welt dürfte noch viele Jahre lang hybrid bleiben, auch wenn sich AWS bemüht, diesen Begriff zu vermeiden, unter dem die Konkurrenten ihre Lösungen auf dem Markt feilbieten. „Einige Kunden betreiben bestimmte Workloads, die wahrscheinlich noch für mehrere Jahre on Premise laufen werden“, verlautete von Seiten des Cloud-Providers. Dazu zählten beispielsweise Anwendungen, die kurze Latenzzeiten erforderten und daher nahe an den bestehenden On-Premise-Systemen betrieben werden müssten – wie beispielsweise Kontrollwerkzeuge für Produktionsprozesse, Robotikanwendungen oder Systeme für den Hochfrequenzhandel an den Börsen.
Mit Spannung wurde daher in Las Vegas die Bekanntmachung von AWS zu Outposts erwartet. Der Cloud-Provider hatte bereits vor einem Jahr seine Lösung angekündigt, die dazu dienen soll, eine Brücke zwischen der eigenen Cloud-Infrastruktur und den Rechenzentren der Anwender zu schlagen. Auf der re:invent haben die AWS-Verantwortlichen nun vermeldet, dass Outposts verfügbar sei.
Bei der Lösung handelt es sich um speziell konfigurierte Appliances, die Anwender bei sich lokal im Data Center aufstellen und betreiben können. Auf diesen Systemen laufen verschiedene AWS-Services wie beispielsweise der Compute-Dienst EC2, Elastic Block Store (EBS), Elastic Kubernetes Service (EKS) und der Datenbankdienst Relational Database Service (RDS).
Zudem schaffen die Outposts-Systeme eine Verknüpfung des eigenen Rechenzentrums mit der Cloud. Anwender könnten sich via Outposts mit Applikationen in der AWS-Cloud verbinden beziehungsweise dort angebotene Cloud-Services nutzen, verspricht der Amazon-CloudDienst. Das funktioniere über einheitliche APIs und die gleiche Management-Konsole, die Kunden auch zur Steuerung ihrer AWS-Cloud-Ressourcen nutzten.
Outposts wird es in zwei Varianten geben: die eben beschriebene AWS-native-Version und eine VMware-Cloud-Variante, die im kommenden Jahr folgen soll. Letztere bringt den Stack Software-defined Data Center (SDDC) von VMware mit, über den Anwender ihre hybriden Infrastrukturen managen könnten.
„AWS versucht nicht, die Public Cloud vor Ort zu replizieren“, kommentierten Analysten von Gartner die Ankündigung. Vielmehr wolle der Cloud-Marktführer Kunden beim Bearbeiten solcher Anwendungsfälle unterstützen, die keine guten Kandidaten für die Public Cloud sind, und biete die Standard-AWS-Tools und Management-APIs als integrierte Steuerungsinstanz in beiden Umgebungen an.
Anwender sollten genau rechnen
Bei Outposts handele es sich um eine „Fully Managed Hybrid Cloud oder ein Heavy Edge Computing Offering“, urteilt Stefan Ried, Principal Analyst bei Crisp Research. Interessierte Anwender sollten aber genau rechnen, bevor sie sich dafür entschieden: Outposts lohne sich für kleine bis mittlere Locations, die nur wenige IT Operations vor Ort betreiben und dort höherwertige PaaS-Dienste wie in der Public Cloud konsumieren möchten – beispielsweise in einem Krankenhaus. „Der Premium-Preis rechtfertigt sich, da ein lokales Operations-Personal noch teurer wäre“, so Ried. Gehe es aber um zehn, 20 oder noch mehr Racks, die StandardCompute-Leistungen zum Beispiel als Kubernetes-Cluster anbieten sollen, sei weder AWS Outposts noch Azure Stack eine gute Idee. Für solche Umgebungen seien moderne StandardServer im Management eines lokalen Kubernetes Operators günstiger.
Neben AWS bieten auch die Cloud-Konkurrenten Google mit „Anthos“und Microsoft Verlängerungen der Cloud in die lokalen Rechenzentren an. Microsoft hat erst kürzlich mit „Azure Arc“ein Management-Werkzeug vorgestellt, das Multi-Cloud-fähig sein soll und auch Ressourcen in Third-Party-Clouds wie AWS und Google verwalten und steuern kann. Auch mit den großen Infrastrukturanbietern tritt AWS zunehmend in Wettbewerb. Dell EMC, Fujitsu und HP Enterprise versuchen von der DataCenter-Seite aus das Cockpit hybrider Infrastrukturen zu besetzen.
Neben Outposts gab es zahlreiche weitere Ankündigungen in Las Vegas. Rund drei Stunden brauchte AWS-Chef Jassy auf der re:inventBühne, um die neuen Services und Funktionen für die AWS-Cloud vorzustellen. Mittlerweile sind 187 verschiedene Services in den 22 weltweit verteilten Cloud-Regionen verfügbar. Diese Services verteilen sich auf derzeit 23 Bereiche wie beispielsweise Analytics, Datenbanken oder Entwickler-Tools. Die Zahl der Funktionen innerhalb dieser Services geht inzwischen in die Tausende. Allein im vergangenen Jahr kamen fast 2000 neu hinzu. Für die Anwender wird es zunehmend schwieriger, hier den Überblick zu behalten.
Jassy zeigte sich zuversichtlich, was das künftige Geschäft anbelangt. Derzeit werde immer noch der überwiegende Teil der IT-Infrastruktur lokal in den Rechenzentren der Anwenderunternehmen betrieben, erklärte er den rund 65.000 Besuchern in Las Vegas. 97 Prozent des weltweiten IT-Markts von etwa 3,7 Billionen Dollar seien on Premise zu verorten. Die Unternehmen ständen immer noch am Anfang ihres Umstiegs in die Cloud. „Das bedeutet für uns noch viel Luft nach oben.“
AWS dominiert weiter den IaaS-Markt
Das Public-Cloud-Business lohnt sich. Erst Mitte November hatte Gartner das weltweite Marktvolumen für Public-Cloud-Services in diesem Jahr auf knapp 228 Milliarden Dollar geschätzt. Bis zum Jahr 2022 soll das Geschäft auf fast 355 Milliarden Dollar anwachsen. Dabei hat AWS mit deutlichem Vorsprung die Nase vorn. Im Markt für Infrastructure as a Service (IaaS), der 2018 im Vergleich zum Vorjahr um über 31 Prozent auf 32,4 Milliarden Dollar zulegte, führt AWS mit großem Vorsprung. Die Analysten von Gartner errechneten im Sommer 2019 für die Amazon-Tochter einen Marktanteil von fast 48 Prozent. Microsoft als zweitplatzierter IaaS-Anbieter kommt auf gerade einmal 15,5 Prozent.