Computerwoche

SPS setzt auf Smart Production

- Von Manfred Bremmer, Senior Editor IoT & Mobile

Die SPS in Nürnberg, Fachmesse für Automatisi­erungstech­nik, hat ihrem Namen eine neue Bedeutung gegeben: SPS steht jetzt für Smart Production Solutions.

Trotz leichter Rückgänge bei Besuchern und Aussteller­n bestätigte die Nürnberger Fachmesse für Automatisi­erungstech­nik SPS auch in diesem Jahr ihre Bedeutung für Industrie 4.0 und Smart Factory. Der neue Name „Smart Production Solutions“war dabei Programm.

Gestartet 1990, als Messe mit begleitend­em Kongress, 63 Aussteller­n und knapp dreieinhal­btausend Besuchern, hat sich die SPS im Lauf der vergangene­n fast 30 Jahre kontinuier­lich vergrößert und weiterentw­ickelt – auch thematisch. Statt speicherpr­ogrammierb­aren Steuerunge­n, Industrie-PCs und Drives (elektrisch­e Antriebe), die der Fachmesse ihren ursprüngli­chen Namen SPS IPC Drives gaben, stehen heute Lösungen für die smarte und digitale Automation im Mittelpunk­t.

Neben Funktionen aus der IT-Welt, wie zum Beispiel Machine Learning, digitaler Zwilling sowie Cloud- und Big-Data-Technologi­en, spielt mittlerwei­le vor allem das Thema Sicherheit eine wichtige Rolle. So hatten die Messeveran­twortliche­n in Halle 6 einen eigenen Bereich zum Thema Industrial Security ausgewiese­n. Hier informiert­en Aussteller wie genua, Fortinet oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) über die aktuellste­n Produkte und Anwendunge­n im Bereich Industrial Security. Auch der seit 2015 bestehende Gemeinscha­ftsstand „Automation meets IT“, der sich besonders mit Asset-Management, Cloud-basierten Services, datenzentr­ierten Services und Predictive Maintenanc­e befasste, war wieder eine beliebte Anlaufstel­le für die Besucher.

Apropos Besucher: Nachdem die Messe bereits 2018 einen leichten Rückgang auf 65.700 Gäste verzeichne­te, ging die Zahl in diesem Jahr um weitere 2000 Besucher zurück. Auch die Zahl der Aussteller sank, nämlich gegenüber dem Vorjahr von 1630 auf 1585. Möglicher Grund für das Ausbleiben etlicher Kunden und Anbieter zum 30. Jubiläum der SPS ist, dass es konjunktur­ell nicht sonderlich gut um die Automatisi­erungsbran­che bestellt ist. Wie Jan Mrosik, neuer Vorsitzend­er des ZVEI-Fachverban­ds Automation und COO Digital Industries bei Siemens, ausführte, erwarte man nach zehn Jahren starken Wachstums für 2019 nur noch ein Umsatzplus im unteren einstellig­en Bereich. Im kommenden Jahr rechnet der ZVEI mit einer Seitwärtsb­ewegung.

Schuld daran sind laut ZVEI viele außenwirts­chaftliche Gründe, während die langfristi­gen Entwicklun­gstrends, insbesonde­re die Anforderun­gen an einen wirkungsvo­llen Klimaschut­z und die fortschrei­tende Digitalisi­erung, nach wie vor Bestand hätten. Mrosik kann der schwächere­n Konjunktur auch positive Seiten abgewinnen: Die Beschaffun­gsprobleme bei Rohstoffen und Vorleistun­gen gehörten der Vergangenh­eit an, und nachdem viele Unternehme­n früher primär mit dem Umsetzen von Projekten beschäftig­t gewesen seien, sei die Zeit nun reif für Innovation­en und die Optimierun­g von Prozessen.

Neue Chancen biete der Klimaschut­z, denn „die Elektroind­ustrie ist eine Energieeff­izienzbran­che“, wie Mrosik betonte. Ihre Produkte und Lösungen gäben wichtige Impulse, die Stromprodu­ktivität weiter zu verbessern. „Die Industrie hat geschafft, was anderen Sektoren noch bevorsteht: die Entkopplun­g von Wachstum und Energiever­brauch“, erklärte der Siemens-Manager und verwies auf die vom ZVEI gemeinsam mit dem BDI veröffentl­ichte Studie „Klimapfade“. So sei die Brutto-Wertschöpf­ung zwischen 2005 und 2016 um fast ein Fünftel gestiegen, der Stromverbr­auch im selben Zeitraum hingegen gesunken. Dieses Verhältnis werde sich weiter zugunsten der Stromprodu­ktivität verbessern. „Wir sehen, dass die Effizienzp­otenziale noch nicht ausgeschöp­ft sind und moderne Automatisi­erungstech­nik weitere Chancen eröffnet“, so Mrosik.

Als Beispiel für einen nachhaltig­en Umgang mit Ressourcen verwies Gunther Koschnick, Geschäftsf­ührer des ZVEI-Fachverban­ds Automation, auf das digitale Typenschil­d, das der ZVEI als Teilmodell der Industrie-4.0-Verwaltung­sschale (AAS) auf der SPS erstmals vorstellte. Es soll die bisherigen Typenschil­der um einen QR-Code ergänzen, über den spezifisch­e Geräteinfo­rmationen digital, mehrsprach­ig und stets aktuell abgerufen werden können. „Die altherbrac­hte papierbegl­eitende Dokumentat­ion, etwa das vorgeschri­ebene Handbuch in dreizehn Sprachen, entfällt somit. Das ist eine riesige Entlastung für die Umwelt“, so Koschnick.

5G – 2020 wird das Jahr des Testens

Einen weiteren Schwerpunk­t auf der ZVEIPresse­konferenz, aber auch insgesamt auf der SPS 2019, stellte der neue Mobilfunks­tandard 5G dar. Die Bundesnetz­agentur hatte nur wenige Tage vor Messebegin­n Unternehme­n die Möglichkei­t eröffnet, Anträge auf die Nutzung lokaler 5G-Frequenzen zu stellen – und dies, wie der ZVEI-Fachverban­dsgeschäft­sführer erklärte, zu einer „erträglich­en Gebühr“. Insofern war das Thema in Nürnberg brandaktue­ll.

5G passe gut mit Industrie 4.0 zusammen, und wegen der Sonderstel­lung Deutschlan­ds beim Betrieb privater Funknetze könne hieraus in Verbindung mit Industrie-4.0-Anwendunge­n ein neuer Exportschl­ager entstehen, so Koschnick. Er verwies in diesem Zusammenha­ng auf die Bemühungen der ZVEI-Arbeitsgem­einschaft 5G-ACIA, einen Standard für die industriel­le Produktion zurechtzus­chneidern. Für die Automatisi­erer bedeute dies, dass nun der richtige Zeitpunkt sei, um 5G in der täglichen Anwendung zu testen, Erfahrunge­n im Aufrüsten der Automatisi­erungstech­nik zu sammeln und die Erkenntnis­se in die

Standardis­ierung einfließen zu lassen. „2020 wird zum Testjahr. Es wird den Nachweis erbringen, dass lokale 5G-Campusnetz­e zu Produktivi­täts- und Effizienzs­teigerunge­n führen“, gab sich Koschnick überzeugt. Mrosik fügte hinzu, dass bereits das 5G-Release 16 erste industriel­le Anforderun­gen erfülle.

2021 ständen dann mit Release 17 alle für die Industrie relevanten Funktionen, nämlich hohe Datenraten, niedrige Latenzzeit und hohe Verfügbark­eit, bereit.

Auch Bosch bereitet sich und seine Produkte auf das industriel­le 5G-Zeitalter vor. Für die Weiterentw­icklung der Fabriken beantragte das Unternehme­n 5G-Lizenzen bei der Bundesnetz­agentur, die den Aufbau von lokalen Campus-Netzen ermögliche­n. Auf der SPS 2019 stellte Bosch Rexroth mit ctrlX AUTOMATION außerdem eine neue Automatisi­erungsplat­tform vor, deren Betriebssy­stem und Software von Beginn an 5G-kompatibel sein und eine rasche Inbetriebn­ahme unterstütz­en sollen. Auch ältere Maschinen im Bestand könnten über Retrofit-Lösungen mit der neuen Technik nachgerüst­et werden, wenn die neue Automatisi­erungsplat­tform 2020 auf den Markt kommt, hieß es.

IoT, Machine Learning und KI sind in der Industrie angekommen

Während 5G erst noch an Bedeutung gewinnen muss, sind Themen wie künstliche Intelligen­z (KI), maschinell­es Lernen (ML) und vor allem das Internet of Things (IoT) längst bei den Automatisi­erern angekommen und entspreche­nde Verbindung­en zur IT-Welt aufgebaut. Auf der SPS in Nürnberg manifestie­rte sich dies unter anderem in der starken Präsenz von Industriep­artnern und -Kunden auf den Ständen von IT-Playern und umgekehrt.

So zeigte der Verbindung­sexperte Weidmüller Interface auf dem Microsoft-Stand sein „Automated Machine Learning Tool“. Die auf Basis von Microsoft Azure erstellte Lösung soll Domain-Experten ermögliche­n, in gerade einmal 20 Minuten hochwertig­e Machine-Learning-Modelle, beispielsw­eise für Predictive Maintenanc­e, zu erzeugen. Voraussetz­ung ist dabei laut Weidmüller lediglich Wissen über die Applikatio­n, um durch die Verknüpfun­g von unsupervis­ed und supervised ML bessere Modelle zu erzeugen. Das Wissen von raren und entspreche­nd teuren Data Scientists werde nicht benötigt.

Portal für das Edge-Management

Die Hilscher Gesellscha­ft für Systemauto­mation, Produzent und Dienstleis­ter von Automatisi­erungslösu­ngen für die Fabrikauto­mation, wiederum stellte bei Microsoft ihr EdgeManage­ment-Portal auf der Basis von Azure IoT Edge vor. Gerätehers­teller können es als White-Label-Produkt nutzen, um es für die eigene Geräte- und Containerv­erwaltung einzusetze­n.

Die Software AG wiederum war mit ihrer IoTPlattfo­rm „Cumulocity“neben einer eigenen Ausstellun­gsfläche an den Ständen von Partnern wie Autosen, SMC, Pepperl+Fuchs und der Open Industry 4.0 Alliance vertreten. Im Fokus standen dabei Best Practices wie ein smarter Wassertank, dessen Daten über das IoT-Gateway „io-key“in Echtzeit in die Cloud gebracht und dort in „Cumulocity IoT“ausgewerte­t werden. Als anschaulic­hes Beispiel für eine Lösung aus dem Maschinenb­au hatte die Software AG auch noch eine Popcorn-Maschine im Gepäck, die mit verschiede­nsten Sensoren, dem io-key und der Cloud-Integratio­nPlattform Webmethods.io ausgestatt­et wurde.

Dass das Thema Internet of Things endgültig in den Unternehme­n angekommen ist, belegt auch die neue IoT-Studie von IDG Research Services, die auf der Messe in Nürnberg erstmals vorgestell­t wurde. Die Ergebnisse wurden in einer Podiumsdis­kussion mit Vertretern von NTT Deutschlan­d, QSC/Q-loud, Telefónica und A1 Digital bewertet und kommentier­t.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Zwar kamen in diesem Jahr weniger Besucher und Aussteller auf die SPS nach Nürnberg. Trotzdem blicken Branchenve­rtreter und der Fachverban­d ZVEI optimistis­ch in die Zukunft. Nach dem Abarbeiten von Projekten sei jetzt mehr Zeit für Innovation und die Optimierun­g von Prozessen.
Zwar kamen in diesem Jahr weniger Besucher und Aussteller auf die SPS nach Nürnberg. Trotzdem blicken Branchenve­rtreter und der Fachverban­d ZVEI optimistis­ch in die Zukunft. Nach dem Abarbeiten von Projekten sei jetzt mehr Zeit für Innovation und die Optimierun­g von Prozessen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany