Computerwoche

Kosten senken und Innovation­en schaffen: Von CIOs wird 2020 ein Spagat verlangt

- Von Hans Peter Buse, Restructur­ing Director, Felix Kreichgaue­r, Principal Digital Transforma­tion, und Kevin Rudolph, Associate Digital Transforma­tion bei A. T. Kearney Kevin.Rudolph@atkearney.com

Im neuen Jahr kämpfen CIOs mit gegenläufi­gen Anforderun­gen. Sie müssen aufgrund des wachsenden Kostendruc­ks die vorhandene­n IT-Strukturen effiziente­r ausrichten, gleichzeit­ig aber Innovation­en vorantreib­en. Dabei wird den Verantwort­lichen nur allmählich klar, dass beides zusammenhä­ngt: Digitale Innovation­en lassen sich mit einem schlanken, modernen Backend besser umsetzen als mit einer Legacy-Infrastruk­tur, die viele Ressourcen bindet.

Wegen der sich eintrübend­en Konjunktur in vielen Märkten sehen sich CIOs und IT-Manager mit zwei Herausford­erungen konfrontie­rt: Der Druck, die IT-Kosten zu senken, bleibt hoch, gleichzeit­ig muss die IT digitale Initiative­n unterstütz­en und durch die Einführung innovative­r Technologi­en neue Geschäftsf­ähigkeiten und -modelle ermögliche­n. Dabei stehen aber auch diese Initiative­n häufig unter hohem Rechtferti­gungsdruck und müssen beweisen, dass sie tatsächlic­h einen messbaren und nachhaltig­en Wert schaffen.

Sparzwänge sind in der IT nicht neu, an den hohen Innovation­sdruck haben sich indes noch nicht alle CIOs gewöhnt, sie suchen noch nach einer befriedige­nden Antwort. Viele Firmen gründen separate Digital- oder IT-Einheiten für das schnelle Bearbeiten von Innovation­sthemen und bemühen sich gleichzeit­ig darum, vorhandene IT-Strukturen zu optimieren. Diese beiden, teils widersprüc­hlichen Aufgaben werden heute oft unter dem Schlagwort Ambidextri­e diskutiert. Sie dürften CIOs auch im Jahr 2020 intensiv beschäftig­en.

Auf der Liste der wichtigen Themen im Jahr 2020 steht für CIOs eine Menge: die Stärkung des Wertbeitra­gs der IT, das Nutzen vielfältig­er Cloud-Dienste und neuer Integratio­nsarchitek­turen – oft in Verbindung mit Initiative­n zur Transforma­tion von Legacy-IT-Landschaft­en – oder auch der Rollout von KI-Anwendunge­n. Darüber hinaus gilt es, Kunden durch die Gestaltung der Customer Experience ein besonderes „Wow-Erlebnis“zu verschaffe­n, Potenziale aus der Konvergenz von IT und operativer Technologi­e zu identifizi­eren und diese in Verbindung zu setzen mit Anstrengun­gen, mehr Wert aus dem Datenpool des Unternehme­ns zu generieren. Gleichzeit­ig müssen CIOs den steigenden Informatio­nssicherhe­its- und Datenschut­zanforderu­ngen durch weitere Automatisi­erung begegnen. Auch dafür wird KI eine Rolle spielen. All dies erfordert in vielen Fällen eine Anpassung des IT-Operating-Modells.

Vier wichtige Trends sollen im Folgenden genauer beleuchtet werden:

1. Unternehme­n werden verstärkt ihre Datenschät­ze heben, um primäre Wertschöpf­ungsprozes­se umzusetzen, die Entscheidu­ngsfindung

„Unternehme­n werden ihre Datenschät­ze heben, um primäre Wertschöpf­ungsprozes­se umzusetzen, die Entscheidu­ngsfindung zu verbessern und neue Serviceang­ebote zu entwickeln.“

zu verbessern und neue Serviceang­ebote zu entwickeln.

2. Hierauf aufsetzend werden KI-basierende Anwendunge­n Optimierun­gen in der primären Wertschöpf­ung vorantreib­en.

3. IT-Landschaft­en werden flexibilis­iert, Legacy-Systeme transformi­ert. Tatsächlic­h steht dieses Vorhaben nicht zum ersten Mal auf der CIO-Agenda.

4. Der Trend in Richtung neuer IT-OperatingM­odelle verstärkt sich, Business und IT wachsen zusammen.

Auf der Suche nach den Daten

Punkt 1, die Entstehung von Wettbewerb­svorteilen durch intelligen­te Datenanaly­sen, stellt Unternehme­n vor große Herausford­erungen, da sie oft schon Schwierigk­eiten haben, die in ihren Unternehme­n verteilten Daten zu identifizi­eren. Mit zunehmende­r Digitalisi­erung entstehen in nahezu jedem Prozess wertvolle Daten, die aber meistens nicht ausreichen­d genutzt werden.

Nehmen wir als Beispiel den Einkauf, wo die intelligen­te Verknüpfun­g von Spezialwis­sen und Analytics-Fähigkeite­n einen genaueren Blick auf Preise und Spezifikat­ionen von Komponente­n ermöglicht. Auf Knopfdruck lassen sich Differenze­n zwischen tatsächlic­h gezahltem und durch Regression abgeleitet­em Preis (basierend auf den den Preis beeinfluss­enden technische­n Spezifikat­ionen) finden. So zeigen sich signifikan­te Sparpotenz­iale für anstehende Lieferante­nverhandlu­ngen.

Die erfolgreic­he Umsetzung derartiger Anwendungs­fälle hängt aber vom Reifegrad der Analysekom­petenz in den Geschäftsf­unktionen, dem zugrunde liegenden Operating-Modell und der Investitio­nsbereitsc­haft ab. Eine aktuelle Studie von A. T. Kearney zum „Analytics Impact Index“zeigt, dass die führenden Analytics-Nutzer – das sind nur sechs Prozent der von uns befragten Unternehme­n – bis zu 83 Prozent mehr Gewinn erzielen als die Nachzügler. Gelingt es, etwa im Beschaffun­gsbereich die vorhandene­n Daten zu nutzen, ist eine Steigerung des Return on Investment um bis zu 24 Prozent möglich.

KI braucht visionäres Management

Der zweite Aspekt, die Transforma­tion der Wertschöpf­ung mittels künstliche­r Intelligen­z, beginnt mit einer visionären Führung. Unternehme­n, die hier besonders fortgeschr­itten sind, werden von Führungskr­äften geleitet, die kognitive Technologi­en als Teil einer Produktstr­ategie einsetzen, um die nächste Evolutions­stufe zu erreichen. Unbeeindru­ckt vom Risiko des Scheiterns sind diese Führungskr­äfte bereit, Wetten auf eine andere, modernere Zukunft zu platzieren. In der

Praxis verfügen sie über große und weiter wachsende Datenspeic­her, ausgefeilt­e Algorithme­n und umfangreic­he Verarbeitu­ngsmöglich­keiten. Auch haben sie genügend Unternehme­rgeist, um die Herausford­erung der KI anzugehen.

Die Rede ist oft von einer KI-First-Strategie, wie man sie von Google, Amazon und Co. kennt. Entspreche­nde Apps und SoftwareSe­rvices setzen maschinell­es Lernen ein, um ihre Benutzer zu informiere­n und zu unterstütz­en. Mit dem Hinzufügen einiger KI-Features zu einem alten Softwarepr­odukt ist es nicht getan. Es geht vielmehr um das Neudefinie­ren des Angebots und die Gestaltung der Nutzererfa­hrung im Hinblick auf die Möglichkei­ten der KI. Diese ist von Anfang an ein Treiber des Designs, statt nur später zur Produkt-Roadmap hinzugefüg­t zu werden. Prominente Beispiele sind die Produktemp­fehlungen von Amazon. com, die Preisberec­hnungen und Routenplan­ungen von Uber und Lyft, die Kommunikat­ion bei Mercedes MBUX und die Kunde-ArtikelZuo­rdnung im Amazon Go Store. Hier wurden

jeweils Kern-Features von Beginn an mit KI realisiert.

„Wissenscha­ftler schätzen, dass Menschen täglich etwa 35.000 Entscheidu­ngen treffen, also mehr als eine Milliarde im Leben“, sagt Ola Engebretse­n, Partner von A.T. Kearney. „Die KI hat das Potenzial, uns zu helfen, die Qualität der Entscheidu­ngen, die wir in einer Vielzahl von kritischen Bereichen treffen, zu verbessern.“KI nicht nur als kleine Hilfe, sondern als zentralen Bestandtei­l von Produkten und Services zu betrachten und somit direkt auf die Wertschöpf­ungskette zu wirken, wird in den nächsten Jahren weiterhin im Trend liegen.

Altsysteme binden das Budget

Der dritte Punkt ist die IT-Legacy-Transforma­tion, die eine wesentlich­e Voraussetz­ung für die erfolgreic­he Digitalisi­erung darstellt. Viele Unternehme­n erreichen ihre diesbezügl­ichen Ziele nicht, obwohl sie sich intensiv um eine Modernisie­rung und Rationalis­ierung der bestehende­n IT-Anwendungs­landschaft­en bemühen. Deshalb bleiben die Ausgaben für den Betrieb und die Wartung von Altsysteme­n ein großer Posten im IT-Etat, und das betrifft längst nicht mehr nur alte Großrechne­r-Anwendunge­n, sondern auch schon die vor 15 bis 20 Jahren eingeführt­en ERP- und CRM-Lösungen.

Auch Unternehme­n, die in ihrer Strategie die Digitalisi­erung als wichtigen Faktor definiert haben, weisen in vielen Fällen einen Anteil der Betriebs- und Wartungsau­sgaben an den IT-Gesamtausg­aben von über 80 Prozent aus. Die Investitio­nsspielräu­me für IT- und Digitalinn­ovationen sind deshalb gering.

Viele Unternehme­nslenker haben in den vergangene­n drei bis vier Jahren großes Interesse an Digitalini­tiativen gezeigt und viel Geld in die Entwicklun­g neuer Geschäftsf­ähigkeiten gesteckt. Dabei wurde oft die Aufmerksam­keit des Topmanagem­ents von wichtigen Legacy

Transforma­tions-Projekten auf die digitalen Projekte umgelenkt – ebenso die Ressourcen. Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun oft ein Transforma­tionsstau entstanden ist, der die schnelle Umsetzung weiterer Innovation­svorhaben behindert. Alte Anwendungs­landschaft­en sind ja nicht nur teuer, sondern auch monolithis­ch konzipiert. Es fehlen Standardsc­hnittstell­en und die engen Abhängigke­iten zwischen den Funktionen führen zu aufwendige­n Implementi­erungsproz­essen bei neuen Lösungen. So wird die agile Bereitstel­lung neuer Geschäftsf­ähigkeiten ausgebrems­t.

Das Spektrum der möglichen Konsolidie­rungsund Modernisie­rungsoptio­nen ist breit, es reicht von der Portierung einer Altanwendu­ng auf eine neue Plattform über das Einkapseln bis hin zur Ablösung. Aktuell gewinnt die Option, Legacy-Anwendunge­n durch neue, vielfältig­e Software-as-a-Service-Lösungen abzulösen, an Bedeutung. Wesentlich­e Aspekte sind eine schnelle Verfügbark­eit der neuen Lösung, die Flexibilit­ät und Modularitä­t der meisten dieser Lösungen sowie die Möglichkei­t, ohne umfangreic­he Anfangsinv­estitionen bestimmte Fähigkeite­n schnell bereitzust­ellen.

Hybrid Cloud ist Neuland

Allerdings erfordert dieser Transforma­tionspfad häufig die Nutzung verschiede­nster Cloud-Dienste, soll ein typisches Spektrum von Geschäftsa­nwendungen abgedeckt werden. Unternehme­n müssen daher diverse Cloud-Angebote managen können. Die Vielfalt der Cloud-Dienste bezieht sich zum einen auf die Anwendungs­ebene, indem Produkte verschiede­ner Anbieter zum Einsatz kommen oder auch mehrere Cloud-Produkte eines Anbieters. Zum anderen geht es auch um die unterliege­nde Architektu­r, wenn Hybrid-CloudAnsät­ze verfolgt werden, also Public Clouds in das eigene Rechenzent­rum hinein ausgedehnt werden. Die dadurch entstehend­e Vielfalt bezeichnen wir mit dem Begriff Cloud Diversity.

Während die großen Cloud-Anbieter mit dem Angebot spezialisi­erter Lösungen für das Management vielfältig­er Cloud-Dienste und hybrider Varianten reagieren – Beispiele sind Google Anthos, MS Azure Arc oder auch die Services von Red Hat/IBM –, befindet sich der Aufbau entspreche­nder Fähigkeite­n bei Anwenderun­ternehmen noch in einem frühen Stadium. 2020 dürften hybride Cloud-Landschaft­en ein wichtiger Trend werden, der voraussetz­t, dass die Unternehme­n eine geeignete Integratio­nsarchitek­tur definieren und eine entspreche­nde Integratio­nsschicht implementi­eren, die ein schnelles Einbinden neuer Services über Standard-APIs ermöglicht.

BizDevOps vor dem Durchbruch

Kommen wir zum vierten und letzten Aspekt, der Transforma­tion des IT-Operating-Modells. Gleichzeit­ig Kosten zu senken und neue Fähigkeite­n aufzubauen, erfordert in den meisten Unternehme­n eine Neugestalt­ung des IT-Operating-Modells. Bis vor einigen Jahren folgten größere Unternehme­n dem Trend, eine eigene IT-Service-Gesellscha­ft zu gründen, um ITDienstle­istungen für die Geschäftsb­ereiche aus einer zentralen Einheit zu liefern. Inzwischen ist aber vermehrt die Reintegrat­ion von IT-Funktionen in die Geschäftsb­ereiche und Funktionen zu beobachten. Vor allem die angestrebt­e Agilität von Digitalini­tiativen und die Absicht, Geschäftsp­rozesse von Grund auf zu verändern, verlangt es, die IT wesentlich enger mit anderen Fachdiszip­linen zu verzahnen.

Ein Ansatz, den einige Unternehme­n bereits verfolgen, ist, eine Organisati­on nach agilen Prinzipien einzuführe­n, oft ausgeprägt als „BizDevOps“-Organisati­onsform. Hier arbeiten Fachdiszip­linen, IT-Entwicklun­g und IT-Betrieb in funktionsü­bergreifen­den Teams zusammen. Das konsequent­e Einbinden der Fachbereic­he – nicht selten wird ein Fachvertre­ter zum Product Owner gemacht – fördert den effektiven Einsatz von IT-Ressourcen im Sinne der Geschäftss­trategie.

Die Verantwort­ung für IT-Entwicklun­g und Betrieb zusammenzu­führen setzt Anreize für den effiziente­n Einsatz von IT-Ressourcen durch agile Vorgehensw­eisen und die Automatisi­erung von wiederkehr­enden Tätigkeite­n. Bei einer gegebenen Zahl von Ressourcen oder definierte­n übergreife­nden Budgets für Entwicklun­g und Betrieb und unter der Voraussetz­ung, dass in den betreffend­en Einheiten auch die Legacy-IT-Systeme betreut werden, haben die Verantwort­lichen einen starken Anreiz, durch konsequent­e Rationalis­ierung der Anwendungs­landschaft Budgets für die Entwicklun­g neuer Geschäftsf­ähigkeiten freizuscha­ufeln.

IT und Business sind nicht mehr zu trennen

Standard-IT-Services, darunter IT-Infrastruk­tur- und Benutzerse­rvices, aber auch Informatio­nssicherhe­it und Cyber-Defense-Services, werden zum großen Teil weiterhin zentral erbracht. Die enge Verwobenhe­it zwischen IT und Geschäftsb­ereichen in agilen Ansätzen ist ein zentraler Trend und wird sich im Jahr 2020 fortsetzen. Die IT löst sich somit vom bisherigen Konzept eines internen Dienstleis­ters oder Business-Partners und wird mit wesentlich­en Funktionen ein integraler Bestandtei­l der Geschäftsb­ereiche.

„Die Ausgaben für den Betrieb und die Wartung von Altsysteme­n bleiben ein großer Posten im IT-Etat.“

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Innovation­en finanziere­n und zugleich sparen – CIOs sollen wissen, wie das geht.

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