OKR – mit klaren Zielen zum Erfolg
Objectives and Key Results braucht Mitarbeiterbeteiligung.
Quantitative Ziele, zum Beispiel ein Umsatzplus von zehn Prozent oder eine bestimmte Erhöhung der Gewinnmarge sind vor allem im Vertrieb weit verbreitet. Auch die Entlohnung der Mitarbeiter orientiert sich oft an diesen Zielen. Werden sie nicht erreicht, steht schnell die Stelle des Verkaufsoder Vertriebsleiters zur Disposition. In keinem anderen Bereich ist die Verweildauer der Führungskräfte so kurz wie im Vertrieb, auch weil Gewinn- und Umsatzeinbußen als existenzgefährdend eingestuft werden.
In Zeiten starker Veränderungen oder konjunktureller Flauten nimmt der Druck noch einmal zu. Derzeit sind die Verantwortlichen in den Unternehmen mit der digitalen Transformation konfrontiert. Sie spüren, dass vieles in Bewegung geraten ist. Strategien ändern sich in kürzeren Zyklen, sie müssen möglichst schnell umgesetzt werden. So überrascht es nicht, dass die vor allem im Silicon Valley verbreitete Managementmethode OKR auch in deutschen Unternehmen Einzug gehalten hat.
Objectives and Key Results ist auch nur eine Methode
OKR ist aber nicht die „Management-Wunderwaffe“, als die sie Unternehmensberater gern präsentieren. Tatsächlich existiert die Methode bereits seit den 1980er-Jahren. Damals entwickelte der ehemalige Intel-Chef Andy Grove (1936 – 2016) auf der Basis von „Management by Objectives“(zu Deutsch: „Führen mit Zielen“) ein Konzept, das Ende der 1990er-Jahre von Google aufgegriffen wurde und bis heute angewendet wird.
Grove wollte ein System, das einfach und flexibel sein und die Mitarbeiter in die Strategieentwicklung und -umsetzung einbeziehen musste. Als zentralen Schlüssel hierzu erachtete der Intel-Manager zwei simple Fragen, die jeder im Unternehmen beantworten soll:
➡ „Wo will ich hin?“(Objectives) und
➡ „Woran messe ich, ob ich mein Ziel erreicht habe?“(Key Results).
Google nutzt diese Management-Methode, um quartalsweise die Ziele und Prioritäten festzulegen und diese auch sicher zu erreichen. Auch andere amerikanische Unternehmen wie LinkedIn, Oracle und Twitter übernahmen die OKR-Methode.
Es geht um messbare Ergebnisse, nicht um Aktivitäten
Die Arbeit mit OKR funktioniert wie folgt: Aufsetzend auf der Unternehmensstrategie legen das Topmanagement oder die Verantwortlichen eines Unternehmensbereichs wie der Vertrieb fünf qualitative Ziele (Objectives) fest – zum Beispiel für das kommende Quartal. Jedes Ziel wird durch maximal vier quantitative Ziele (Key Results) operationalisiert, um den Fortschritt bis Ende des Quartals zu messen. Dabei beschreiben die Objectives, was erreicht wer
den soll, während sich die Key Results auf die einzelnen Schritte beziehen, die ans übergeordnete Ziel führen sollen.
Im Detail geht es bei den Key Results also nicht um Aktivitäten, die zu ergreifen sind, sondern um messbare Schlüsselergebnisse, die Auskunft über den Fortschritt geben sollen, und mit denen dann am Quartalsende reflektiert werden kann: Wurden die Key Results erreicht? Es handelt sich also um Teilziele, die es auf dem Weg zum übergeordneten Ziel (Objectives) zu erreichen gilt.
Führungskräfte müssen sich festlegen: Was habe ich vor, und wie komme ich dorthin?
Die OKR-Methode sieht also eine Planung in kurzen Zyklen vor, was dem Wunsch vieler Unternehmen nach einer hohen Agilität ihrer Organisation entgegenkommt. Zudem müssen die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter für sich definieren,
➡ was sie im kommenden Quartal vorhaben, und
➡ was sie in welchen Schritten konkret in Angriff nehmen möchten.
Damit werden klare Prioritäten gesetzt, und die Gefahr, sich zu verzetteln, wird eingedämmt.
Die Planung in solch kurzen Zyklen hat Vorund Nachteile. Manche Unternehmen beziehungsweise deren Vertriebsbereiche lassen sich kaum mit Quartalszielen führen. Das gilt etwa für Maschinen- und Anlagenbauer, die sich auf ein Projektgeschäft verlassen. Auch solche qualitativen Ziele wie der Wunsch, neue Märkte und Zielgruppen zu erreichen oder den Umsatzanteil mit Serviceleistungen zu erhöhen, lassen sich in der Regel nicht binnen drei Monaten erreichen.
Die Erfahrung zeigt aber: Je tiefer die Verantwortlichen in die operative Alltagsarbeit etwa im Vertrieb eindringen, umso leichter lassen sich Ziele mit einem kurzzyklischen Charakter formulieren. Deshalb entfaltet die OKR-Methode vor allem dann ihre Vorzüge, wenn es um die Strategieumsetzung auf der operativen Ebene im Vertriebsalltag geht.
Sind auf der obersten Ebene die Objectives und die Key Results definiert, werden diese auf die jeweils nächste Ebene heruntergebrochen. Dies geschieht bei der OKR-Methode nicht in einem reinen Top-down-Verfahren. Vielmehr werden die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter in den Prozess eingebunden. Das bedeutet: Die jeweils nächste Ebene nimmt nicht nur von
oben verordnete Ziele an, sie definiert auch ihre eigenen, sofern diese dem Erreichen des übergeordneten Ziels dienen. Dieser Prozess mündet in einer Art Verhandlung zwischen der oberen und unteren Ebene, in der eine Übereinkunft über die zum Beispiel im kommenden Quartal zu erreichenden Objectives und Key Results erzielt wird. Ein zentrales Element der OKR-Methode ist Transparenz: Alle OKRs werden bereichs- und hierarchieübergreifend veröffentlicht – auch um zu verhindern, dass sich Ziele widersprechen.
Ziele müssen ambitioniert sein, damit über neue Lösungswege nachgedacht wird
Die OKR-Philosophie empfiehlt, das Erreichen der Objectives und Key Results nicht mit der Vergütung zu verknüpfen. Die Ziele sollen nämlich besonders ambitioniert formuliert sein. Eine Erreichung von 100 Prozent soll nahezu unmöglich sein, damit die Mitarbeiter und Teams auch über neue Lösungswege nachdenken. Tatsächlich weichen viele Vertriebsteams von dieser Regel häufig ab, weil ihre Mitarbeiter eine variable, leistungsbezogene Vergütung gewohnt sind und diese oft auch zur Motivation wünschen. Nicht selten wird die variable Vergütung an die Leistung der gesamten Vertriebsmannschaft gekoppelt, um die Teamarbeit zu forcieren.
Beim Einführen der Methode sollte das Management folgende Faktoren berücksichtigen: Was ist das generelle Ziel der OKR-Einführung in unserer Organisation?
➡ Wie reif ist unsere Organisation beziehungsweise unser Vertriebsteam hinsichtlich Problemlösungsdenken und Agilität?
➡ Welche weiteren Systeme zur Strategieumsetzung und Zielvereinbarung gibt es bereits (etwa Balanced Scorecard oder Management by Objectives)?
➡ Welchen Mix aus Top-down und Bottom-up wählen wir bei der Zielabstimmung?
➡ Wer treibt den OKR-Einführungsprozess voran?
➡ Wie messen wir den Erfolg unserer OKREinführung?
Dabei gilt es zu beachten: OKR ist keine neue Wunderwaffe – weder für das Führen von Mitarbeitern und Teams, noch zum Erhöhen der Agilität von Unternehmen. Die Methode hat sich aber in der Strategieumsetzung bewährt, insbesondere auf der operativen Ebene. Mit OKR sind ebenso wie beim klassischen Management by Objectives Personal- beziehungsweise Kompetenzentwicklung eng verknüpft. Wurde der Entwicklungsgedanke vergessen, was häufig passierte, verkamen das Führen mit Zielen und die oft routinemäßig stattfindenden Zielvereinbarungsgespräche zu reinen Kontrollinstrumenten oder wurden von den Mitarbeitern zumindest so empfunden.
Diese Gefahr besteht auch bei der OKR-Methode, sofern sich ihr Einsatz darauf beschränkt, dass die Führungskräfte die strategischen und operativen Ziele – jetzt heißen sie Objectives beziehungsweise Key Results – nur mit den Mitarbeitern vereinbaren und ihr Erreichen kontrollieren. Wichtig ist, dass sich Vorgesetzte und Vertriebsleiter mit den Prozessen befassen, die zu den Ergebnissen führen.
Jürgen Klopp schaut aufs Spiel, nicht auf die Anzeigetafel
Als Beispiel mag der Fußballtrainer Jürgen Klopp gelten, der den FC Liverpool 2019 zum Gewinn der Champions League führte und in diesem Jahr aller Voraussicht nach englischer Meister wird. Er steuert den Erfolg seiner Mannschaft nicht, indem er ihr vor der Saison vorgibt: „Jungs, ihr müsst jedes Spiel gewinnen und jeweils mindestens drei Tore schießen.“Er sitzt vielmehr auf der Trainerbank. Dort schaut er nicht auf die Anzeigetafel, wo der aktuelle Spielstand abzulesen ist, sondern aufs Spielfeld, um zu erkennen, ob seine Spieler Einsatz zeigen, ein gutes Stellungsspiel praktizieren und ausreichend über die Flügel
spielen. Nur dann kann er ihnen, wenn sie in Rückstand geraten, Tipps geben, wie sie das Spiel noch gewinnen können, und so den kurzfristigen Erfolg beeinflussen.
Entsprechendes gilt für den mittel- und langfristigen Erfolg. Auch dafür muss Klopp seine Jungs im Spiel beobachten. Nur so erfährt er etwas über Zweikampfverhalten und Passgenauigkeit. Diese Kennzahlen allein nützen dem Trainer aber wenig. Wie zum Beispiel die Spieler Roberto Firmino und Mohamed Salah die Zahl ihrer gewonnenen Zweikämpfe steigern können, erfährt Klopp erst, wenn er sein Wissen, dass zu wenig Zweikämpfe gewonnen wurden, mit seinen Beobachtungen beim Spiel vergleicht. Dann wird klar, ob ein Spieler so viele Zweikämpfe verlor, weil er zum Beispiel zu langsam ist, ein schlechtes Stellungsspiel praktiziert oder nicht den nötigen Einsatzwillen zeigt. Folglich erkennt der Trainer auch erst dann, was getan werden sollte, damit künftig der gewünschte Erfolg eintritt.
Das Mindset, nicht das Management-Tool entscheidet
Ähnlich verhält es sich im Verkaufsbereich.
Ein Vertriebsleiter, der nur die Zahlen studiert, kann den Erfolg seines Teams nicht beeinflussen. Er muss sich mit der Arbeitsweise seiner Mitarbeiter befassen, wenn er ihre Leistung steigern will. Nur wenn er sich mit den Prozessen befasst, kann er, falls die Gefahr besteht, dass ein Mitarbeiter oder Team das Ziel verfehlt, korrigierend und unterstützend eingreifen, sodass das Ziel doch noch erreicht wird.
Dieses Selbstverständnis und Bewusstsein und die dafür erforderliche Kompetenz gilt es den Führungskräften primär zu vermitteln, wenn Unternehmen agiler im Markt agieren und flexibler auf Marktveränderungen reagieren möchten. Ob sie dann im Betriebsalltag das Managementsystem Management by Objectives oder Objectives and Key Results oder einen Mix aus beiden nutzen, ist von nachgeordneter Bedeutung. Dies sollten die Unternehmen nicht dogmatisch, sondern pragmatisch aufgrund ihres Geschäftsfelds und ihrer Historie und Kultur entscheiden.
Mit OKRs lässt sich die Performance im Vertrieb vorantreiben
Dabei gilt es jedoch zu bedenken: Zielvereinbarungen im klassischen Top-down-Verfahren funktionieren immer nur mit Einschränkung. Im OKR-System steckt durch die beidseitige Findung der Ziele (top-down und bottom-up) ein wichtiger Erfolgsfaktor, um Teams zu einem positiven, nach oben offenen Wettbewerb anzuspornen.
Hierbei bestimmt die Unternehmens- oder Vertriebsführung die Key Results auf der Ebene von Erfolgsfaktoren. Diese OKRs sind dann Messfaktoren für eine Art „Bundesliga-Tabelle“, in der die Ergebnisse der Teams mit einem Punktesystem bewertet werden. Dabei wird nicht mehr ein Ziel vorgegeben, das Ziel ergibt sich vielmehr aus dem Wettbewerb mit den anderen Teams.
Auf diese Weise schaukeln sich insbesondere Vertriebsteams in einem sportlichen Wettkampf wechselseitig in ihrer Performance hoch. Und durch die vierteljährliche Endabrechnung wird vermieden, dass sich ein Team aufgrund des schlechten Tabellenstands abgehängt fühlt und auf „Stand-by“schaltet, denn: Alle drei Monate beginnt ein neuer OKR-Sprint. Also besteht auch eine neue Chance, sein Können und Engagement zu zeigen und zu beweisen. So entsteht eine neue Dynamik im Vertrieb. Probieren Sie es doch einfach mal aus!