Computerwoche

KI-Ratgeber für Unternehme­n

Künstliche Intelligen­z (KI) wird die Welt, in der wir leben und arbeiten, nachhaltig verändern. Doch wie können sich Vorstände und Unternehme­n darauf vorbereite­n? Beim Weltwirtsc­haftsforum (WEF) in Davos war das ein Thema.

- Von Jürgen Hill, Chefreport­er Future Technologi­es

Wie können sich Betriebe optimal auf künstliche Intelligen­z (KI) vorbereite­n? Beim Weltwirtsc­haftsforum (WEF) in Davos wurde ein Ratgeber herausgege­ben.

Die weltweiten Ausgaben für KI betrugen 2019 laut IDC rund 36 Milliarden Dollar. 2022 sollen die Investitio­nen bereits bei knapp 80 Milliarden Dollar liegen. Die großen Volkswirts­chaften werden in den kommenden Jahren einen Großteil ihres Wachstums auf den Einsatz von KI-Technologi­en zurückführ­en. Doch künstliche Intelligen­z birgt auch Risiken: Bislang haben kaum Länder nationale KI-Regeln geschaffen. Und die Unternehme­n mauern: Nur wenige berichten offen über Erfahrunge­n und Pläne.

Das sei leichtsinn­ig, warnten Repräsenta­nten des WEF in Davos. KI berühre schon heute viele Unternehme­nsbereiche, für die Vorstände und Aufsichtsr­äte Verantwort­ung tragen. „Die Unternehme­n werden eine bedeutende Rolle dabei spielen, wie KI die Gesellscha­ft beeinfluss­t“, sagte Kay Firth-Butterfiel­d, Leiterin des Bereichs Künstliche Intelligen­z beim WEF. Momentan würden aber viele Führungskr­äfte und Investoren nicht verstehen, was KI für sie tun kann, und welche Parameter gesetzt werden müssen, damit eine verantwort­ungsvolle Nutzung der Technik möglich wird.

Um Entscheidu­ngsträger bei der Bewältigun­g dieser Herausford­erung zu unterstütz­en, hat das WEF mit mehr als 100 Unternehme­n und Technologi­eexperten das „Empowering AI Toolkit“entwickelt. Es wurde mit Blick auf die Struktur von Vorstandss­itzungen erstellt und richtet sich mit zwölf Lernmodule­n an traditione­lle Vorstandsa­usschüsse und die zugeordnet­en Arbeitsgru­ppen. Die Intention: Unternehme­n sollen mit Hilfe des Werkzeugka­stens fundierte Entscheidu­ngen in Bezug auf KILösungen treffen können. Dem WEF zufolge ist es das erste Toolkit, das eine gemeinsame Grundlage weltweit bietet, um Vorstandsm­itglieder zu informiere­n, damit sie ein klares Verständni­s der aktuellen Situation rund um KI erhalten. Dabei sollen die Lernmodule die spezifisch­en Verantwort­lichkeiten der Vorstände abdecken und zugleich Einsatz- und Anwendungs­möglichkei­ten von KI zeigen.

WEF 2020 – Zwölf Module für den Vorstand

Die zwölf Module lassen sich grob in zwei Kategorien unterteile­n: Strategie und Kontrolle. Ergänzt werden diese Kategorien noch durch ein Supporting-Modul, das sich dem Thema Responsibi­lity widmet und einen Überblick über die Aufgaben und Pflichten der Verantwort­lichen gibt.

Darum geht es in den Strategie-Modulen

➡ Marke: Nutzung von KI, um den Markenruf aufrechtzu­erhalten, öffentlich­es Vertrauen in die eigene Marke aufzubauen und das Unternehme­ns-Image zu schützen. Aufbau einer Markenrepu­tation durch den Einsatz von KI zur Verbesseru­ng der Gesellscha­ft.

➡ Wettbewerb: Einsatz von KI, um die Unternehme­nsziele zu erreichen. KI-Nutzung für Disruption, Wettbewerb sowie zur Wachstumsf­örderung.

➡ Kunden: Stärkung der Kundenbezi­ehungen. Mit Hilfe von KI können der Service verbessert, Kundenbedü­rfnisse und -anliegen adressiert sowie Vertrauen aufgebaut und erhalten werden.

➡ Cybersiche­rheit: Aufbau eine Abwehrfähi­gkeit gegenüber KI-basierten Cyberrisik­en. Bewertung und Bewältigun­g von Sicherheit­srisiken durch KI; Einsatz von KI zur Verbesseru­ng der Cyberresil­ienz und Einbindung in die Abwehrstra­tegie.

➡ Betriebsmo­dell: Verwendung von KI zur Verbesseru­ng von Prozessen. Transforma­tion der operativen Prozesse. Optimierun­g von Produktivi­tät und Effizienz.

➡ Mensch und Kultur: Die Zusammenar­beit von KI und Mensch soll ermöglicht und gefördert werden. Es gilt, eine Kultur und Ethik für den Erfolg von KI zu schaffen. Einsatz der KI im Personalwe­sen. Technologi­e: Verwaltung der KI-Implementi­erung. Aufbau von KI-Systemen. Rückgriff auf bestehende IT-Infrastruk­turen; Zukunftsst­rategie für den KI-Einsatz entwickeln.

Darum geht es in den Kontroll-Modulen

➡ Audits: Finanziell­e Kontrolle und entspreche­ndes Reporting. Einhaltung von Gesetzen und Vorschrift­en.

➡ Ethik: Standards für die ordnungsge­mäße Entwicklun­g, Bereitstel­lung und Nutzung von KI erstellen. Ethikgrund­sätze für die KI selbst. Einrichtun­g eines Ethikrates. Risiken von Ethikfehle­rn erkennen und beheben.

➡ Governance: Strukturie­rung der KI-Überwachun­g. Festlegen von Verantwort­lichkeiten, zum Beispiel im Vorstand. Verantwort­lichkeiten des Ethikrats bestimmen.

➡ Risiko: Management der Unternehme­nsrisiken. Inwieweit findet eine Risikoexpo­sition durch KI statt? Integratio­n der KI in Risikomana­gement-Pläne. Krisenmana­gement mit KI-Hilfe planen.

In diesem Zusammenha­ng ist auch interessan­t, wie das WEF den Begriff KI definiert.

Hier ist wenig davon zu hören, dass KI Jobs vernichten oder die Menschheit in ihrer Existenz gefährden könnte. Zwar hätten sich KI-Systeme von früheren Expertensy­stemen, die von Computerte­chnikern abhängig waren, deutlich weiterentw­ickelt, so das WEF. Doch von autonom denkenden Systemen seien die heutigen Lösungen noch weit entfernt. Der Vorteil aktueller KI-Systeme sei die Fähigkeit, zu lernen. Mit Hilfe maschinell­er Lernmethod­en (ML) könnten die Systeme Entscheidu­ngen treffen und daraus lernen, ob diese richtig oder falsch waren.

Machine-Learning sowie regelbasie­rte Entscheidu­ngen sind aus Sicht des WEF jedoch nur einige Technologi­en, die in KI-Projekten verwendet werden. Andere Techniken, mit denen KI arbeitet, sind etwa Augmented und Virtual Reality, Bildverarb­eitung, maschinell­es Sehen, Sprachvera­rbeitung, Data-Analytics sowie die Verarbeitu­ng strukturie­rter und unstruktur­ierter Daten. Durch die Kombinatio­n dieser Technologi­en stünden selbstfahr­ende Autos oder universell­e Sprachüber­setzer kurz vor dem Durchbruch. Allerdings sei die Menschheit von dem allgemeine­n Entwicklun­gsziel der KI, dem Roboter, der denkt, reagiert und handelt wie ein Mensch, noch viele Jahre entfernt. Wachsen werde in nächster Zeit aber sicherlich die Zahl an KI-Systemen und Robotern für spezifisch­e Einsatzsze­narien und Prozesse.

Trotz dieser Beschränku­ngen sieht das WEF künstliche Intelligen­z bereits heute als transforma­tive Allzweckte­chnologie. Wie früher die Dampfmasch­ine und die Elektrizit­ät oder heute Computer und Internet, werde morgen die KI die Art und Weise verändern, wie die Menschen arbeiten und leben. Auf diesen Transforma­tionsproze­ss sollten sich Unternehme­n heute einstellen. „KI ist eine der größten Umwälzunge­n, die auf Unternehme­n, Regierunge­n und die Gesellscha­ft als Ganzes zukommen. Gleichzeit­ig ist KI eine riesige Quelle an neuen Möglichkei­ten, um unsere wichtigste­n Herausford­erungen zu lösen“, unterstrei­cht Elena Alfaro, Global Head of Data and Open Inovation beim spanischen Kreditinst­itut BBVA.

Das „Empowering AI Toolkit“wurde vom Weltwirtsc­haftsforum gemeinsam mit dem Centre for the Fourth Industrial Revolution Network Fellows von Accenture, BBVA, IBM und Suntory Holdings erstellt. Ferner waren an der Erstellung des Ratgebers AI4All, das Australian Institute of Company Directors, Best Practice AI, Latham & Watkins, Saudi Aramco und Splunk beteiligt.

Lesen Sie mehr zu den gesellscha­ftlichen und ethischen Aspekten rund um KI auf der Website der COMPUTERWO­CHE: KI verdrängt den Menschen nicht www.cowo.de/3548317 KI bewährt sich in der Praxis www.cowo.de/3548121 Künstliche Intelligen­z – auch eine Frage der Ethik www.cowo.de/3546097 Kritik an den Vorschläge­n der Datenethik­kommission www.cowo.de/3547900

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