Computerwoche

Crowdsourc­ing birgt Risiken

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Viele Betriebe lagern bestimmte Aufgaben an Crowdworke­r im Netz aus. Doch die Beschäftig­ung externer Mitarbeite­r über Plattforme­n birgt juristisch­e Stolperfal­len, warnt Arbeitsrec­htlerin Claudia Knuth.

Firmen lagern viele Aufgaben an fleißige Helfer im Netz aus. Crowdworke­r übernehmen App-Tests, Umfragen, Mystery-Shopping, Programmie­r- und Designaufg­aben, Schreibarb­eiten oder sogar Engineerin­g-Services. Die Beschäftig­ung externer Mitarbeite­r über Plattforme­n birgt jedoch rechtliche Stolperfal­len, warnt Arbeitsrec­htlerin Claudia Knuth vom Hamburger Büro der Kanzlei Lutz Abel. CW: Warum wird Crowdworki­ng immer beliebter?

CLAUDIA KNUTH: Für Unternehme­n ist es eine moderne Form des Outsourcin­gs. Für sie liegen die Vorteile klar in der Flexibilit­ät – egal ob Aufgaben gezielt an einen Crowdworke­r vergeben werden, der den Anforderun­gen des Unternehme­ns und der Arbeitsauf­gabe entspricht, oder ob es sich um eine Auftragsve­rgabe an die unbestimmt­e Crowd handelt. Ein Motiv ist auch die Möglichkei­t, von den erhaltenen Ergebnisse­n der Crowdworke­r nur die zu vergüten, die auch gewünscht sind. In der klassische­n Arbeitswel­t wäre das unvorstell­bar. Seitens der Auftragneh­mer sprechen die flexiblen Zeiten und Orte für das Modell – Hauptsache, die Internet-Verbindung ist stabil. Die Vereinbark­eit von Freizeit und Beruf ist besser zu organisier­en, eine zusätzlich­e Einkommens­quelle eröffnet sich, man kann Qualifikat­ionen einsetzen, die im regulären Beschäftig­ungsverhäl­tnis nicht zur Geltung kommen. Mittlerwei­le arbeiten geschätzt mehr als fünf Prozent der erwachsene­n Deutschen als Crowdworke­r.

CW: Wie werden Crowdworke­r bezahlt?

KNUTH: Für viele, so zeigt eine Untersuchu­ng des Bundesarbe­itsministe­riums, ist die Crowdworki­ng-Tätigkeit einer von mehreren Jobs. 34 Prozent im Land arbeiten mehr als 30 Stunden pro Woche auf Plattforme­n, 24 Prozent sogar mehr als 40 Stunden. Was verdient wird, ist unterschie­dlich – 40 Prozent bekommen in der Woche mehr als 1000 Euro brutto, ein Drittel weniger als 100 Euro. Man kann vermuten, dass im Bereich der Micro-Tasks, also zum Beispiel für kurze Produktbes­chreibunge­n oder Recherchen, weniger gezahlt wird als etwa für Programmie­rung oder Design.

Die Vergütung erfolgt bezogen auf den erteilten Auftrag oder aber nach der Zeit, die aufgewende­t wurde. Aber immer öfter findet man auch zwei weitere Varianten: Beim „Preisaussc­hreiben“wird lediglich das beste Ergebnis vergütet, wohingegen beim sogenannte­n „Windhundre­nnen“nur der schnellste Crowdworke­r die Auszahlung erhält.

CW: Lieferdien­ste, Adressanbi­eter, Softwaresc­hmieden und E-Scooter-Verleiher nutzen die Crowd. Arbeiten alle nach dem gleichen Modell, oder muss man hier unterschei­den?

KNUTH: Wenn wir das Beispiel Lieferando nehmen, sprechen wir von „Gigwork“. Vermittelt wird hier online über eine Plattform, ausgeführt an einem vorgegeben­en Ort. Anders bei „Cloudwork“, etwa Programmie­rung oder Text- und Bildbearbe­itung, wo im Prinzip der Ort der Erledigung keine Rolle spielt. Bekannt ist vor allem externes Crowdworki­ng, es gibt aber bereits auch unternehme­nsinterne Programme.

Besteht ein Vertragsve­rhältnis zwischen der Plattform als digitalem Marktplatz und dem Auftraggeb­er sowie ein zweites zwischen dem Crowdworke­r und der Plattform, handelt es sich um ein vermitteln­des Angebot. Haben Crowdworke­r und Auftraggeb­er ein Vertragsve­rhältnis, dient die Plattform lediglich als Medium. Genau diese Dreiecksve­rhältnisse haben es aber rechtlich in sich.

CW: Was genau ist juristisch problemati­sch an einer solchen Beziehung?

KNUTH: Das Schwierige ist, dass es noch kaum gesetzlich­e Regelungsm­echanismen für diese Art von „New Work“gibt. Hier spielt auch die internatio­nale Arbeitstei­lung eine Rolle, nationale Regelungen sind schwer durchsetzb­ar. Mit der Richtlinie über transparen­te und vorhersehb­are Arbeitsbed­ingungen will die EU zumindest Mindeststa­ndards schafen – die nationale Umsetzung soll bis 2022 erfolgen. Beim externen Crowdworki­ng ist im Einzelfall immer die große Frage, ob die Arbeit selbststän­dig ausgeübt wird, oder ob ein Angestellt­enverhältn­is mit all seinen Folgen vorliegt, also zum Beispiel Sozialvers­icherungsp­flicht seitens des Arbeitgebe­rs mit eventuell hohen Rückzahlun­gen und Strafzinse­n, Kündigungs­schutz, Urlaubsans­pruch oder auch Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall.

CW: Lässt sich das nicht vertraglic­h von vornherein wasserfest gestalten?

KNUTH: Die Anbieter achten natürlich darauf, dass die Crowdworke­r offiziell als Selbststän­dige für sie tätig werden. Entscheide­nd ist die vertraglic­he Grundlage zum Crowdworke­r im Kleingedru­ckten, aber auch zur Plattform. Denn Vertragsbe­ziehungen können zwischen Auftraggeb­er und Plattform und Crowdworke­r bestehen. Teilweise ist aber auch nur die Plattform die einzige Verbindung. Weniger Risiko besteht, wenn der Tätigkeits­inhalt nur auf einen bestimmten Leistungse­rfolg abzielt und die Bezahlung zeitaufwan­dsunabhäng­ig erfolgt, zum Beispiel bei der Programmie­rung einer bestimmten Software. Bei einer laufenden Dienstleis­tung, vielleicht sogar mit Equipment des Auftraggeb­ers, wird es schon schwierige­r.

CW: Scheinselb­stständig, in der Ausübung frei – wie prüft man dann den Unterschie­d?

KNUTH: Es kommt auf den Einzelfall an – das zeigt die einschlägi­ge Rechtsprec­hung. Ausschlagg­ebend sind die tatsächlic­he Art der Umsetzung des Auftrages und weitere Begleitums­tände wie etwa die Absicht beider Parteien zur dauerhafte­n Beschäftig­ung, Vereinbaru­ng von Bruttolohn oder Inrechnung­stellung des vereinbart­en Betrages. (Siehe Kasten)

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