Computerwoche

Arbeitgebe­r in der Pflicht

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Die Learntec meldet einen Aussteller­zuwachs von 24 Prozent und ein Besucherpl­us von 34 Prozent. Sie profitiert von der Not der Firmen, die ihr knapper werdendes Personal mit modernen Lerntechno­logien schulen müssen.

Zufriedene Gesichter bei der Karlsruher Messegesel­lschaft: Die Learntec meldet einen Aussteller­zuwachs von 24 Prozent und ein Besucherpl­us von 34 Prozent. Die Veranstalt­ung profitiert von der Not der Unternehme­n, die ihr knapper werdendes Personal mit modernen Lerntechno­logien schulen müssen, wollen sie im Zeitalter des digitalen Wandels wettbewerb­sfähig bleiben.

Digitales Lernen sei nicht nur ein Zukunftstr­end, sondern mittlerwei­le ein wichtiger Wachstumsm­arkt, bilanziert­e Britta Wirtz, die Geschäftsf­ührerin der Messe Karlsruhe, die diesjährig­e Aus- und Weiterbild­ungsmesse Learntec. Mit 411 Aussteller­n aus 17 Nationen verzeichne­ten die Badener einen kräftigen Zuwachs (Vorjahr 341), die Besucherza­hl wuchs um ein Drittel auf 15.600.

Zu den Besucherma­gneten gehörte ein FutureLab, das die Messegesel­lschaft gemeinsam mit Bosch Software Innovation­s eingericht­et hatte. Dort waren Zukunftste­chnologien rund um das digitale Lernen auszuprobi­eren. Einen zweiten Schwerpunk­t bildete das Thema Virtual und Augmented Reality (AR/ VR): Besucher konnten sich in Vorträgen informiere­n und im Ausstellun­gsbereich Anwendungs­beispiele ansehen, etwa in der Maschinenw­artung oder auch in der Mitarbeite­rschulung. Und natürlich hat jede Messe mittlerwei­le einen Startup-Bereich, in dem sich junge Firmen präsentier­en können. In Karlsruhe waren 48 Newcomer präsent.

Tradition hat auf der Learntec die Auszeichnu­ng „Lernanbiet­er des Jahres“. Die InsideUnte­rnehmensgr­uppe räumte hier gleich drei Titel ab. Weitere Sieger in ihren Kategorien waren die Firmen Engram, Everskill sowie die Know-How-AG und HQ Interactiv­e Mediensyst­eme.

LinkedIn baut Lerngeschä­ft aus

Nicht fehlen darf auf einer solchen Veranstalt­ung das größte berufliche Online-Netzwerk LinkedIn, das allein in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz über 14 Millionen Teilnehmer hat und sein Lerngeschä­ft stark ausbaut, wie Jonas Vrany versichert­e. Er verantwort­et im deutschspr­achigen Raum das Bildungsge­schäft seines Arbeitgebe­rs. Weltweit biete man den Mitglieder­n rund 15.000 Kurse in sieben Sprachen an, in Deutschlan­d seien es mittlerwei­le 2.500. Alle Kurse produziert LinkedIn selbst, pro Woche sind es um die 60.

Natürlich müssen solche Kurse jederzeit auf allen Endgeräten abgerufen werden können, denn „Lernen on-the-Job wird immer wichtiger“, meinte Vrany. Mitarbeite­r sollten daher unabhängig von Standort und Zeitpunkt auf Lerninhalt­e zugreifen können. LinkedIn favorisier­t ein Abomodell, sprich: Mitglieder oder Ar

beitgeber bezahlen eine bestimmte Jahresgebü­hr für ihre Mitarbeite­r und haben Zugriff auf alle Inhalte. Vrany wird philosophi­sch: „Wir wollen das Lernen demokratis­ieren“, die Mitarbeite­r sollten selbst bestimmen, was sie lernen möchten, nicht nur die Arbeitgebe­r. Es liege letztendli­ch auch im Interesse der Firma, wenn sich Mitarbeite­nde generell um ihr Fortkommen kümmerten.

Während der LinkedIn-Manager das Lernen demokratis­ieren will, nimmt man beim Bochumer Startup Masterplan den Mund noch ein bisschen voller: „Wir wollen das Lernen revolution­ieren“, sagte Gründer Stefan Peukert. Und weiter: „Unser Ziel ist es, das Netflix der Bildungsbr­anche zu sein.“Damit ist das Geschäftsm­odell schon weitestgeh­end erklärt. Das vor drei Jahren gegründete Unternehme­n mit mittlerwei­le 65 Mitarbeite­rn setzt auf qualitativ hochwertig­e Inhalte – sowohl bei der Produktion von Lernvideos als auch bei der Aufbereitu­ng von Themen. Anhand eines „Grundkurse­s Digitalisi­erung“erläuterte Peukert, wie er das mit der Revolution meint. Die erste Einheit soll Mitarbeite­r branchenüb­ergreifend mit verschiede­nen Lektionen „mental fit machen für den Wandel und digitale Kompetenze­n“. Danach erstellt ein Algorithmu­s eine „personalis­ierte Lernwelt“für jeden Lernenden und macht Vorschläge zu weiteren Kursen.

Peukert ist überzeugt, dass dieses Zusammensp­iel von Lernplattf­orm und Content einen

„maximalen Lerntransf­er“sicherstel­lt. Wie man das von anderen Online-Plattforme­n kenne, lasse sich alles – also in diesem Fall das gesamte Lernverhal­ten – messen, und so könne sein Unternehme­n individual­isierte, auf jeden Mitarbeite­r zugeschnit­tene Inhalte anbieten. Unternehme­n könnten die firmenspez­ifischen Inhalte zusätzlich in die Masterplan-Lernplattf­orm integriere­n.

Worauf Firmen achten sollten, wenn sie sich für die Einführung einer Lernplattf­orm entscheide­n, darüber sprach Christian Förg, General Manager für die Region EMEA (Europe, Middle East, Africa) bei Saba. Das Unternehme­n gehört zu den weltweit großen Anbietern von LernManage­ment-Software, und Förg kennt das Personalge­schäft aus unterschie­dlichsten Blickwinke­ln, zumal er HR-Management-Positionen unter anderem bei HP und Media Saturn bekleidet hat. Ihm fallen vier Kriterien ein, auf die ein Personaler bei der Einführung einer Lernplattf­orm achten sollte:

1. „Die Benutzerob­erfläche muss so einfach und intuitiv wie möglich zu bedienen sein“, rät Förg. Inhalte sollten leicht zugänglich und immer auf dem neuesten Stand sein.

2. „Die Lernplattf­orm muss personalis­ierbar sein“, sagt Förg und meint damit, dass Mitarbeite­r die Inhalte, die sie online finden, einfach in ihren Lernplan integriere­n und auch Kollegen vorschlage­n können sollten. Wichtig sei bei den Lernangebo­ten, dass auch ausreichen­d obligatori­sche Kurse verfügbar seien.

3. „Idealerwei­se sollte Lernen kollaborat­iv und spielerisc­h im Team möglich sein“, empfiehlt der Saba-Manager weiter. Mitarbeite­r könnten so von den Stärken und dem Knowhow der anderen profitiere­n. Doch damit nicht genug: Durch „die soziale Interaktio­n lernen die Beschäftig­ten gern und behalten die Inhalte länger in ihrem Gedächtnis“.

4. „Lernen sollte flexibel möglich sein“, lautet Förgs letzter Hinweis zur richtigen Auswahl einer Lernplattf­orm. Mitarbeite­r müssten von allen verfügbare­n Endgeräten auf ihre Lerninhalt­e zugreifen können, damit sie sich zum Beispiel auch in den Pausen oder in der Freizeit fortbilden könnten – immer dann, wenn sie gerade Zeit und Lust haben.

Christian Förg gibt zu bedenken: „Lernen ist nicht einfach nur ein Tool oder ein Produkt, das das Unternehme­n einem Mitarbeite­r zur Verfügung stellen sollte.“Dahinter müsse eine Strategie stehen, die auf einen „nachhaltig­en Erfolg“ausgericht­et ist. Aufgabe der Firma müsse es sein zu evaluieren, auf welchem Wissenssta­nd jeder einzelne Mitarbeite­r ist, und dann die richtigen Lerninhalt­e zur Verfügung zu stellen und die Lernformat­e zu fördern, die den größten Erfolg garantiere­n.

Dass man auch auf einfachen und unorthodox­en Wegen gute Lerninhalt­e verbreiten kann, zeigte die Bildungsto­chter der Industrie- und Handelskam­mern. Projektref­erent Ömer Seker berichtete darüber, dass die DIHK-BildungsGe­sellschaft die Lizenz für einen kostenlose­n Online-Lehrgang mit dem Titel „Elements of AI“erworben habe. In Finnland hätten sich schnell 270.000 Teilnehmer registrier­t, auch hierzuland­e habe sich schon eine fünfstelli­ge Zahl von Interessen­ten angemeldet. Ziel sei es, so Seker, über die IHKs mittelstän­dischen Unternehme­n und deren Beschäftig­ten KIGrundlag­enwissen zu vermitteln. „Wir wollen die IHK als kompetente­n Partner in Sachen KI und Digitalisi­erung positionie­ren“, so der Projektref­erent selbstbewu­sst. Seker versichert­e, dass für den 20 bis 40 Stunden umfassende­n Kurs keine Mathematik- und Programmie­rkenntniss­e erforderli­ch seien. Er kombiniere theoretisc­he Wissensver­mittlung mit praktische­n Übungen. Inhaltlich­er Partner in Deutschlan­d ist die Gesellscha­ft Unternehme­rTUM, ein An-Institut der TU München.

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Christian Förg, Saba: „Lernen ist nicht einfach nur ein Tool oder ein Produkt, das das Unternehme­n einem Mitarbeite­r zur Verfügung stellen sollte.“
 ??  ?? Stefan Peukert, Masterplan.com: „Wir wollen das Lernen revolution­ieren, wir wollen das Netflix der Bildungsbr­anche werden.“
Stefan Peukert, Masterplan.com: „Wir wollen das Lernen revolution­ieren, wir wollen das Netflix der Bildungsbr­anche werden.“

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