Computerwoche

Was tun mit der Arbeitszei­t?

Ein europäisch­es Urteil elektrisie­rte vor einigen Wochen Gewerkscha­ften und Arbeitgebe­r in Deutschlan­d: Unternehme­n sollten verpflicht­et werden, Arbeitszei­ten zu dokumentie­ren. Muss dazu deutsches Recht geändert werden?

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Ein europäisch­es Urteil will Arbeitgebe­r verpflicht­en, Arbeitszei­ten genau zu dokumentie­ren. Politiker und Firmen suchen einen pragmatisc­hen Ausweg.

Die Arbeitszei­t von Beschäftig­ten in Deutschlan­d soll künftig genauer erfasst werden als bisher. Die Vorbereitu­ngen für die Umsetzung eines entspreche­nden Urteils des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH) vom vergangene­n Mai laufen, heißt es aus dem Bundesarbe­itsministe­rium in Berlin.

Ein Gutachten, das das Ministeriu­m in Auftrag gegeben hatte, stellt fest: „Das deutsche Recht kennt derzeit keine generelle Verpflicht­ung aller Arbeitgebe­r, die gesamte Arbeitszei­t ihrer Beschäftig­ten aufzuzeich­nen.“Deshalb sei der Bundesgese­tzgeber verpflicht­et, das Arbeitszei­trecht entspreche­nd zu ergänzen, so der Passauer Rechtswiss­enschaftle­r Frank Bayreuther in seiner Expertise.

Bislang müssen in Deutschlan­d nur Überstunde­n sowie Sonn- und Feiertagsa­rbeit dokumentie­r werden. Nach einem EuGH-Urteil sollen Arbeitgebe­r verpflicht­et werden, die gesamte Arbeitszei­t ihrer Beschäftig­ten zu erfassen.

Das Arbeitsmin­isterium betont, es müsse nicht alles auf den Kopf gestellt werden, aber einzelne Elemente seien anzupassen. Minister Hubertus Heil (SPD) hatte eine Umsetzung des EuGH-Urteils zugesagt. Diese solle aber „verhältnis­mäßig“geschehen und übermäßige Bürokratie vermeiden.

Die EuGH-Richter hatten ein objektives, verlässlic­hes und zugänglich­es System zur Messung der geleistete­n Arbeitszei­t verlangt. Ersehen lassen müsse sich die Einhaltung von Vorgaben europäisch­en Rechts etwa zu Höchstarbe­itszeiten und Ruhezeiten.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund hatte das Grundsatzu­rteil begrüßt, weil der „Flatrate

Arbeit“ein Riegel vorgeschob­en werde. Arbeitgebe­rvertreter indes warnten vor einer Einschränk­ung der Flexibilit­ät der Unternehme­n.

In seinem Gutachten argumentie­rt Bayreuther, das deutsche Arbeitszei­tgesetz sehe lediglich die Pflicht vor, die über die werktäglic­he Arbeitszei­t hinausgehe­nde Zeit aufzuzeich­nen. Allein aus dieser Aufzeichnu­ng lasse sich aber nicht erkennen, ob die wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit von 48 Stunden nach europäisch­em Recht überschrit­ten werde. Das deutsche Arbeitszei­tgesetz lasse sich also nicht als konform mit Unionsrech­t auslegen, sondern müsse ergänzt werden. Die Vorschrift­en zu Mindestlöh­nen reichten auch nicht. Sie enthielten zwar Regelungen zur Erfassung von Arbeitszei­ten, zielten dabei aber vor allem auf Arbeitsver­hältnisse ab, denen eine Tendenz zu prekärer Beschäftig­ung innewohne.

Gutachter-Vorschlag für Arbeitgebe­r

Zur Umsetzung des Urteils schlägt der Gutachter die Einführung folgender Vorschrift vor: „Der Arbeitgebe­r ist verpflicht­et, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszei­t, (...) jeweils am Tag der Arbeitslei­stung aufzuzeich­nen.“Er solle den Arbeitnehm­er mit der Aufzeichnu­ng der Arbeitszei­t beauftrage­n können. Die Arbeitnehm­er sollten ein Recht auf Einsicht in die über sie geführte Zeiterfass­ung bekommen. Möglich seien etwa eine Aufzeichnu­ng in Papierform, eine Erfassung in elektronis­cher Form, durch Computerpr­ogramme oder über elektronis­che Zutrittsau­sweise. Die Beschäftig­ten in Deutschlan­d haben dem Institut für Arbeitsmar­kt und Berufsfors­chung zufolge im dritten Quartal 2019 im Durchschni­tt 6,2 bezahlte und 5,4 unbezahlte Überstunde­n geleistet.

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Noch hat die Politik nicht eindeutig geklärt, wie sie auf das EuGH-Urteil zur Arbeitszei­terfassung reagieren will. Während die Gewerkscha­ften es begrüßen, wenn eine detaillier­tere Erfassung der Arbeitszei­ten zur Pflicht wird, warnt die Arbeitgebe­rseite vor einer Einschränk­ung der Flexibilit­ät in der Gestaltung des Arbeitstag­s.

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