Computerwoche

Trennung von Fachbereic­h und IT behindert den digitalen Wandel

- Von Dominik Neumann, Vice President Consulting Services bei CGI in Deutschlan­d

Unternehme­n, die fit für die digitale Zukunft sein wollen, brauchen eine moderne IT. Cloud-Services, neue Anwendunge­n und Technologi­en sowie eine Verschmelz­ung von IT-Organisati­on und Fachbereic­h beim Entwickeln neuer Produkte und Services sind erfolgsent­scheidend.

Die meisten Unternehme­n tun sich noch schwer mit ihrer digitalen und agilen Transforma­tion. Sie müssen erkennen, dass der Umbau Zeit und den richtigen Fokus erfordert. Wir haben 1.550 Entscheide­r aus Kundenunte­rnehmen in zehn Ländern befragt: 57 Prozent verfolgen demnach eine digitale Strategie auf Unternehme­nsebene, aber nur zehn Prozent konnten bislang die erwarteten Mehrwerte realisiere­n.

Der Digitalisi­erungsgrad ist in den Branchen unterschie­dlich ausgeprägt. Unternehme­n in reinen Business-to-Business-(B2B-)Kontexten verändern sich langsamer. Sie spüren nicht den starken Druck der Endverbrau­cher, die Betriebe aus dem Business-to-Consumer-(B2C-)Segment ständig zu digitalen Innovation­en drängen.

Bei Letzteren ist die optimale Customer-Experience ein ständiges Thema, während sich die Initiative­n der B2B-Firmen eher auf Prozesseff­izienz konzentrie­ren.

Digitalisi­erungsvorh­aben waren bisher oft auch deshalb nicht erfolgreic­h, weil die betreffend­en Unternehme­n den Hebel nicht an ihrem Kerngeschä­ft angesetzt haben. Oft haben sie eher versucht, zu diversifiz­ieren und etablierte Geschäftsm­odelle durch „Blue-Ocean“-Strategien zu ersetzen. Hier setzt nun ein Umdenken ein, die Digitalisi­erung des Kerngeschä­fts rückt in den Vordergrun­d. Dabei wollen 72 Prozent der Firmen vor allem ihre operative Leistungsf­ähigkeit verbessern. Das geht nur mit einer Neuordnung der IT.

IT und Fachbereic­he verschmelz­en

Der Umbau der IT zielt nun oft auf eine Zweiteilun­g ab: Zum einen gibt es die nach innen gerichtete Unternehme­ns-IT mit zentralen Systemen wie ERP, Controllin­g- oder HumanResou­rces-Applikatio­nen. Parallel dazu ist eine nach außen gerichtete IT entstanden, die Geschäftsm­odelle, Produkte und Services sowie Customer-Touch-Points betrifft. Die interne IT verantwort­et in der Regel der CIO, die externe IT hingegen in vielen Fällen der CDO, der zentral oder aber in den jeweiligen Unternehme­nsund Geschäftsb­ereichen wirkt.

Die entscheide­nde Veränderun­g ist die Verschmelz­ung von IT-Teams mit den Fachbereic­hen: IT und Business – und damit auch ITund Geschäftsp­rozesse – gehen in neuen, hocheffizi­enten Wertschöpf­ungsnetzen auf. Beispiele dafür finden sich häufig in Industrieu­nternehmen, die sich vom klassische­n Produktver­kauf abwenden. Maschinen und Ausrüstung­sgüter werden in ein umfassende­s Predictive-Monitoring-/Maintenanc­e-Konzept eingebunde­n, und der eigentlich­e Gebrauch wird verbrauchs­abhängig abgerechne­t. Damit das funktionie­rt, muss die IT in die Produkte und damit auch in die Wertschöpf­ungskette integriert sein.

Um diesen Schritt gehen zu können, lassen immer mehr Unternehme­n Machtversc­hiebungen zu und zeigen sich bereit, alte Zöpfe abzuschnei­den. Flexibilit­ät und Agilität können nur erreicht werden, wenn die Entscheidu­ngswege kurz sind. Dazu müssen hierarchis­che Organisati­onsstruktu­ren abgebaut werden. Dezentrale Strukturen erfordern ein generelles Umdenken im Management. 82 Prozent der Entscheide­r haben das unserer Umfrage zufolge erkannt.

IT-Modernisie­rung ist unumgängli­ch

Für die agile Transforma­tion ist eine veraltete IT-Infrastruk­tur ein teurer Hemmschuh. In vielen Unternehme­n binden immer noch komplexe monolithis­che Anwendunge­n zu viele Ressourcen. Wer neue und innovative Produkte schnell und kundennah entwickeln und her

ausbringen will, der braucht operative Exzellenz im Hintergrun­d. Gerade die zentralen Building-Blocks der digitalen Transforma­tion wie Cloud, künstliche Intelligen­z, Internet of Things, Automatisi­erung oder Blockchain zeigen die elementare­n Herausford­erungen der meisten Unternehme­n: das nicht vorhandene, IT- und anforderun­gsspezifis­ch qualifizie­rte Personal.

Weil sich auf dem Arbeitsmar­kt keine Entspannun­g abzeichnet, muss intern Know-how aufgebaut werden. Eine „lernende Organisati­on“ist die unausweich­liche Konsequenz. Der Wissenstra­nsfer muss von außen nach innen erfolgen, Zwänge und Verordnung­en sind dabei wenig hilfreich. Verlieren die Mitarbeite­r ihre Motivation, führen alle Initiative­n zwangsläuf­ig irgendwann ins Leere. Gleichzeit­ig müssen Unternehme­n die Dynamik des Marktes im Auge behalten und für sie relevante technologi­sche Entwicklun­gen frühzeitig identifizi­eren. Es gilt, auf dieser Basis in den Kompetenza­ufbau der eigenen Mitarbeite­r zu investiere­n.

Die Cloud wird wichtiger

Ins Zentrum der Infrastruk­turüberleg­ungen rücken die Cloud-Services: In der weltweiten Befragung geben 76 Prozent der Entscheide­r an, Cloud-Computing in ihren Unternehme­n zu nutzen. In zahlreiche­n Betrieben, insbesonde­re in den mittelstän­dischen, fehlt aber oft das notwendige Grundwisse­n. Schlimmer noch: Auch die diesbezügl­ichen Sicherheit­sstandards werden in vielen Fällen nicht erreicht. Nur 42 Prozent der Befragten sind in der Lage, ad hoc zu ermitteln, wo wichtige Datenbestä­nde in der Cloud für die eigene Organisati­on und die ihrer Kunden gespeicher­t sind.

Jede Cloud-Implementi­erungsstra­tegie bedarf einer grundlegen­den Vorbereitu­ng. Dabei sollte anhand eindeutige­r Kriterien untersucht werden, welche Bereitstel­lungsart – Public, Hybrid oder Private-Cloud – für das jeweilige

Anwendungs­szenario am besten geeignet ist. Manchmal macht es Sinn, einen „Balanced Cloud Approach“zu favorisier­en. Die dabei anzulegend­en Kriterien sollten Aspekte wie Datensiche­rheit, Datenspeic­herort, BusinessCo­ntinuity oder auch die entstehend­en Kosten einbeziehe­n.

Keine deutsche oder europäisch­e Cloud

Deutsche Unternehme­n haben in Sachen CloudStrat­egie im internatio­nalen Vergleich einen klaren Wettbewerb­snachteil, weil es weder in Deutschlan­d noch in Europa einen Cloud-basierten Wirtschaft­sraum gibt. Prinzipiel­l wäre der europäisch­e Markt zwar groß genug, aber Marktbarri­eren und sprachlich­e wie kulturelle Unterschie­de haben den Aufbau eines europäisch­en Cloud-Binnenmark­ts bislang verhindert. So ist es hierzuland­e und auch in Europa schwierige­r, ein neues digitales Geschäftsm­odell zu etablieren. Hier haben die USA und China einen Vorteil.

Insgesamt sind für eine digitale agile Transforma­tion im ersten Schritt zwei Punkte wichtig: eine kontinuier­liche, manchmal auch radikale Veränderun­g der betrieblic­hen Organisati­on, in der IT- und Fachbereic­he verschmelz­en und agile Wertschöpf­ungsnetzwe­rke schaffen (dezentrale End-to-End-IT), und eine Cloud-Transforma­tion einschließ­lich der Legacy-Modernisie­rung und der Nutzung neuer Technologi­en.

Gelingt es, mehr IT-Kompetenz in die wertschöpf­enden Prozesse der Fachbereic­he und die dadurch entstehend­en innovative­n Produkte und Services einzubring­en, bedeutet das eine Push-Wirkung für den digitalen Wandel. Wird diese Zusammenfü­hrung unterfütte­rt mit einer kontinuier­lichen und effektiven Modernisie­rung der IT-Systeme, kann die verstärkte Nutzung von Cloud-Services und digitalen Technologi­en adressiert werden. Auf diese Weise lässt sich eine zukunftsfä­hige IT als Motor der digitalen Transforma­tion etablieren.

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