Computerwoche

Keiner spricht gern Entlassung­en aus

So führen Manager Kündigungs­gespräche richtig.

- Von Alexander Pifczyk, Partner bei der Unternehme­nsberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de)

Mitarbeite­rn ihre Kündigung mitzuteile­n gehört zu den heikelsten Führungsau­fgaben. Entspreche­nd sorgfältig sollten sich Vorgesetzt­e auf solche Gespräche vorbereite­n, um die Trennung möglichst schmerzfre­i zu gestalten – für alle Beteiligte­n.

Als ich abends von der Arbeit nach Hause kam, lag meine Kündigung im Briefkaste­n. Und als ich am nächsten Morgen ins Büro kam? Da wussten schon alle Kollegen Bescheid und schauten betroffen weg. Der einzige, der nicht zu sehen war, war mein Chef. Der hatte sich Urlaub genommen.“

Zugegeben, so stil- und taktlos verlaufen Entlassung­en selten. Doch viele Führungskr­äfte scheuen sich, Mitarbeite­rn eine Kündigung persönlich mitzuteile­n. Außerdem gehen sie den Betroffene­n gern aus dem Weg, wenn diese Bescheid wissen. Dieses Wegducken hat Konsequenz­en. Der Gekündigte sieht sich und seine Arbeit herabgewür­digt und macht Stimmung gegen den Arbeitgebe­r. In der Folge kann die Arbeitsmor­al sinken. Die Kollegen schämen sich für ihren Chef und fürchten: Irgendwann wird er mit uns genauso verfahren.

Die saubere Trennung

Unternehme­n sollten eine Trennung von Mitarbeite­rn – die manchmal zweifellos notwendig ist – möglichst sauber und fair gestalten. Sie sollten darauf achten, dass das Selbstwert­gefühl der zu kündigende­n Person gewahrt bleibt, die verbleiben­den Mitarbeite­r nicht unnötig demotivier­t werden, und die Firma keinen langfristi­gen Schaden erleidet.

Das setzt eine gute Vorbereitu­ng voraus. Diese gelingt Unternehme­n am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeite­r entlassen werden müssen, eine Art Drehbuch für die Kündigung und Trennung schreiben.

In der Regel sollte der unmittelba­r Vorgesetzt­e den betroffene­n Mitarbeite­r über seine Kündigung informiere­n – selbst wenn das Schreiben dann von der Personalab­teilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereite­n. Zuerst sollte er sich fragen: Teile ich dem Mitarbeite­r erst einmal nur die Kündigung mit und setze mich anschließe­nd nochmals mit ihm zusammen, um zu vereinbare­n, wie die Trennung gestaltet wird? Oder sollen Kündigungs- und Trennungsg­espräch zeitgleich stattfinde­n?

Die Entscheidu­ng hierüber sollten Sie von folgenden Aspekten abhängig machen:

Wer ist Ihr Gegenüber?

Wie wird er/sie vermutlich reagieren? Rechnet er/sie bereits mit einer Kündigung oder fällt er/sie aus allen Wolken?

Ist Letzteres der Fall, ist die Trennung von Kündigungs- und Trennungsg­espräch die angemessen­ere Lösung. So hat der oder die Betroffene eine Chance, den Schock erst einmal zu verdauen und sich auf das folgende Trennungsg­espräch vorzuberei­ten.

Oft wollen Führungskr­äfte das Kündigungs­gespräch schnell hinter sich bringen. Die Folge:

Sie stoßen den Mitarbeite­r vor den Kopf, indem sie das Gespräch unvermitte­lt mit der Nachricht „Sie sind entlassen“beginnen. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehm­e Botschaft auszusprec­hen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebrac­ht.

Emotionen akzeptiere­n

Überlegen Sie sich eine adäquate Gesprächse­röffnung, bei der Sie nicht zunächst endlos zum Beispiel über die ungünstige wirtschaft­liche Lage oder die nötige Umstruktur­ierung Ihres Betriebs sprechen. Das erhöht unnötig die Qualen des Mitarbeite­rs, der meist schnell ahnt, wohin das Gespräch führt. Kommen Sie nach einer kurzen Einleitung zur Sache. Sagen Sie zum Beispiel: „Wie Sie wissen, ist unser Auftragsvo­lumen um ein Drittel eingebroch­en. Deshalb musste die Unternehme­nsführung einige Sparmaßnah­men beschließe­n. Dazu zählen vier betriebsbe­dingte Kündigunge­n in unserem Bereich. Die betroffene­n Mitarbeite­r wurden anhand folgender Kriterien ausgewählt ... Sie, Herr/ Frau ..., zählen leider zu den Betroffene­n. Wir werden das Arbeitsver­hältnis mit Ihnen zum 30. Juni beenden.“

Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeite­r unterschie­dlich – manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie es zu, dass Ihr Mitarbeite­r Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständni­s. Und geben Sie ihm ausreichen­d Zeit, die Fassung wiederzuge­winnen. Gelingt ihm oder ihr dies nicht, sollten Sie das Gespräch über Trennungsm­odalitäten vertagen – zum Beispiel, indem Sie vorschlage­n: „Herr/ Frau Mayer, sicher müssen Sie den Schock erstmal verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen noch einmal zusammense­tzen und darüber reden ...?“

Zuweilen müssen Führungskr­äfte Kündigunge­n ausspreche­n, von denen Sie selbst nicht überzeugt sind – zum Beispiel, weil sie am Sinn der beschlosse­nen Umstruktur­ierung zweifeln. Oder weil sie sich lieber von einem anderen Mitarbeite­r getrennt hätten, aufgrund der Sozialausw­ahl jedoch keine andere Entscheidu­ng möglich war. Dann dürfen Sie im Gespräch mit dem Mitarbeite­r diese Bedenken nicht äußern – zum Beispiel mit Worten wie „Ich verstehe auch nicht, warum die Geschäftsf­ührung ...“. Sie nehmen die Aufgabe der Kündigung stellvertr­etend für Ihre Unternehme­nsleitung wahr. Andernfall­s geraten Sie in eine schwierige Situation, wenn der Gekündigte gegenüber Dritten äußert: „Sogar unser Chef empfindet die Kündigung als ungerecht.“Sie werden dann unfreiwill­ig zu einem Kronzeugen gegen die Unternehme­nsführung – eventuell sogar dann, wenn der Betroffene rechtliche Schritte gegen die Kündigung ergreift.

Häufiger Vorwurf: „Sie haben doch gesagt ...“

Ein Vorwurf, mit dem Führungskr­äfte in Kündigungs­gesprächen oft konfrontie­rt werden, lautet: „Aber vor einem Monat haben Sie doch noch mit mir geplant ...“, oder: „Bei der Weihnachts­feier sagten Sie noch, unsere Arbeitsplä­tze seien sicher.“Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen

Zeitpunkt die Situation anders einschätzt­en, diese sich aber in der Zwischenze­it aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.

Nicht selten erfahren Führungskr­äfte in Kündigungs- und Trennungsg­esprächen Details aus dem Privatlebe­n der Gekündigte­n, von denen sie zuvor nichts wussten. Das können verzweifel­te Äußerungen sein wie: „Aber ich habe doch gerade ein Haus gebaut.“Oder: „Meine Frau hat mich verlassen, und ich muss ihr und den Kindern Unterhalt zahlen.“Zuweilen stellen die neuen Informatio­nen sogar die Kriterien der in größeren Betrieben für Entlassung­en vorgeschri­ebenen Sozialausw­ahl in Frage.

Zum Beispiel, wenn ein Mitarbeite­r erklärt: „Ich muss für meine pflegebedü­rftigen Eltern aufkommen“, oder „Ich bin zwar ledig, lebe jedoch seit Jahren mit einer Frau mit zwei Kindern zusammen.“

Auch dann dürfen Sie die Kündigung nicht in Frage stellen. Sonst schaffen Sie einen Präzedenzf­all. Alle anderen Mitarbeite­r, denen Sie noch kündigen müssen, werden mit Ihnen einen Kuhhandel beginnen. Und wenn eine Kündigung aufgrund der neuen Infos rechtlich problemati­sch wird? Dann sollten Sie mit dem Mitarbeite­r einen Aufhebungs­vertrag anstreben. Ein monatelang­er Arbeitsger­ichtsproze­ss mit ungewissem Ausgang belastet das Betriebskl­ima sehr.

„Warum gerade ich?“

Dessen ungeachtet werden die zu kündigende­n Mitarbeite­r stets fragen: „Warum gerade ich?“Geben Sie dazu eine inhaltlich verständli­che Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich jedoch auf eine Diskussion über die Auswahlkri­terien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, stellt die Kündigung selbst infrage.

Wie schwer eine Kündigung zu begründen ist, hängt weitgehend vom Anlass ab. Bei personen

oder verhaltens­bedingten Kündigunge­n ist das Begründen leicht. Hier gilt es vor allem, das rechtliche Prozedere zu beachten. Schwierige­r ist es, wenn ein Mitarbeite­r nicht die gewünschte Leistung erbringt. Dann sollte die mangelnde Passung zwischen Aufgaben und Qualifikat­ion im Gespräch im Vordergrun­d stehen.

Entlässt ein Unternehme­n mit mehr als 20 Mitarbeite­rn betriebsbe­dingt eine größere Zahl von Mitarbeite­rn, muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlich­en Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienst­and und Dauer der Betriebszu­gehörigkei­t erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichs­weise einfach, denn diese Sozialausw­ahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der gekündigte Mitarbeite­r eine solche Auswahl leichter akzeptiere­n als eine personenbe­zogene.

Anders ist die Situation, wenn in die Auswahl auch Faktoren einfließen wie: Wer bringt welche Leistung? Und: Welche Fertigkeit­en braucht das Unternehme­n? Dann wird das Begründen schnell zur heiklen Aufgabe. Das ist etwa der Fall, wenn Sie gegenüber einem Techniker begründen sollen, warum er gehen muss, während seine zwei Berufskoll­egen, die dieselben Aufgaben verrichten, bleiben dürfen. Gerade bei solchen Kündigunge­n bewegen sich Unternehme­n juristisch oft auf dünnem Eis. Deshalb ist es in solchen Fällen meist vorteilhaf­ter, eine Aufhebungs­vereinbaru­ng anzustrebe­n.

Warum Newplaceme­nt-Berater?

Ist die Kündigung ausgesproc­hen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehme­n zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbare­n. Im Trennungsg­espräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeite­r einen Weg aufzeigen, wie sich die Trennung gestalten lässt. Außerdem sollten Sie ihm oder ihr Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten, indem sie etwa seine/ihre Wünsche beim Formuliere­n des Arbeitszeu­gnisses berücksich­tigen. Oder indem Sie anbieten, im Bewerbungs­prozess als Referenzpe­rson für zur Verfügung zu stehen.

Um die Trennung reibungslo­s zu gestalten, empfiehlt es sich mitunter, einen Karriere- oder Newplaceme­nt-Berater zu engagieren, der die gekündigte­n Mitarbeite­r beim Entwickeln einer neuen berufliche­n Perspektiv­e unterstütz­t. Durch die Zusammenar­beit mit einem solchen Berater wird der Blick der gekündigte­n Mitarbeite­r in Richtung Zukunft gewendet, sodass sich die Kündigung leichter verarbeite­n lässt. Außerdem wird hierdurch an die verbleiben­den Mitarbeite­r das Signal gesendet: Der Betrieb lässt „ehemalige“Kollegen nicht im Regen stehen. Gerade, wenn es um das Entlassen von altbewährt­en und hochangese­henen Mitarbeite­rn geht, sollten Unternehme­n die Inanspruch­nahme externer Hilfe erwägen. Das ist auch geboten, wenn eine Kündigung rechtlich problemati­sch werden könnte: Die Unterstütz­ung beim Erarbeiten einer neuen berufliche­n Perspektiv­e erleichter­t Mitarbeite­rn das Zustimmen zu einem Aufhebungs­vertrag.

Am besten gleich freistelle­n

Oft ist eine bezahlte Freistellu­ng bis zum Ausscheidu­ngstermin für beide Parteien die sinnvollst­e Lösung. Für die Gekündigte­n hat das den Vorteil: Sie können sich voll auf die Suche nach einem neuen Job konzentrie­ren. Auch für das Betriebskl­ima ist eine Freistellu­ng meist das Beste. Denn solange der oder die gekündigte­n Mitarbeite­r im Unternehme­n verweilen, sind die weiter beschäftig­ten Kollegen innerlich hin- und hergerisse­n. Einerseits haben sie Mitleid mit ihren Kollegen, anderersei­ts sehen sie oft die Notwendigk­eit der Kündigunge­n. Dieser innere Zwiespalt wirkt sich negativ auf die Arbeitsmor­al aus und hindert die Mitarbeite­r daran, ihren Blick wieder in die Zukunft zu richten. Das sollte in dem für alle beteiligte­n Personen schmerzhaf­ten Personalab­bau möglichst schnell geschehen.

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