SAP-Kunden erwarten Verlässlichkeit
Die SAP-Führung verspricht ihren Kunden eine bessere Integration – intern und mit Drittsystemen – sowie ein einheitliches Datenmodell. Um diesen Wünschen gerecht werden zu können, will der Softwareriese umbauen.
Die SAP-Führung verspricht ihren Kunden eine bessere Integration, intern und mit Drittsystemen, sowie ein einheitliches Datenmodell. Damit kommt der Konzern den schon seit langem auf dem Tisch liegenden Forderungen der DSAG nach. Jetzt muss SAP nur noch liefern. Dafür baut sich der Konzern nun um.
Die Liste der Hausaufgaben, die die Kunden SAPs Chief Technology Officer Jürgen Müller auf den Technologietagen der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) mit nach Hause gegeben haben, ist lang. Den Anwendern geht es in erster Linie um Harmonisierung, Integration, Qualität sowie Planungs- und Investitionssicherheit. In diesen Bereichen, die zum Teil schon seit Jahren in der Kritik stehen, sehen viele SAPKunden immer noch viel Luft nach oben.
DSAG-Technologievorstand Steffen Pietsch forderte Lösungen aus einem Guss. Stattdessen gebe es nach wie vor Brüche zwischen den verschiedenen SAP-Lösungen – Resultat der vielen Zukäufe in den vergangenen Jahren. Pietsch nennt als Beispiel die unterschiedlichen Bedienoberflächen, mit denen die User konfrontiert würden. Dabei gehe es nicht um optische Eindrücke, machte der Anwendervertreter klar, sondern um handfeste Aspekte wie Trainingsaufwand und Fehleranfälligkeit.
„Hier erwarten wir von SAP, dass die UserExperience produktübergreifend harmonisiert wird“, so Pietsch.
SAP räumt Fehler ein
SAP-Vorstand Müller räumte Fehler ein und gelobte Besserung. Diese sei in einzelnen Fällen bereits gelungen. SAP habe die Zahl der Oberflächen von 14 auf ein Fiori-User-Interface (UI) konsolidieren können. Insgesamt werde die Harmonisierung innerhalb des SAP-Portfolios aber dauern. Müller sprach von einem aufwendigen Prozess. Dabei müsse nicht alles mit allem integriert werden. Es gelte, die anstehenden Aufgaben sinnvoll zu priorisieren, „in gut handhabbare Arbeitspakete, die nach und nach abgearbeitet werden“. Wie lange das Ganze dauern wird, ließ der CTO offen.
Doch die Anwender machen Druck. „SAP darf kein Closed-Shop sein“, mahnte DSAG-Vertreter Pietsch. In einer stark vernetzten Welt sei die Integrationsfähigkeit von Software ein Schlüsselfaktor. Die SAP-Lösungen – OnPremises wie aus der Cloud – müssten sich in die IT-Landschaft einpassen können. „Das ist heute leider noch nicht durchgängig der Fall“, kritisiert der DSAG-Mann. „Hier muss SAP weiter investieren.“
Konkret monierte Pietsch unterschiedliche Technologie-Stacks und Inkonsistenzen, beispielsweise im „SAP Business Hub“. Hier bündelt der Softwarekonzern seine Informationen über Application-Programming-Interfaces (APIs). Anwender sollen einen Überblick erhalten, welche Schnittstellen es gibt und wie sie zu nutzen sind. In diesem Hub fehle jedoch die On-Premises-Variante von S/4 HANA, sagt der DSAG-Sprecher und mahnt Vollständigkeit sowie Durchgängigkeit an.
Integration über die Cloud
Tatsächlich scheint SAP seinen Schwerpunkt in Sachen Integration vor allem auf die Cloud zu legen. Dreh- und Angelpunkt dafür ist die
SAP Cloud Platform (SCP). „Das ist im Grunde das neue Netweaver“, sagt Frank Niemann, Vice-President Enterprise Apps & Related Services bei Teknowlogy PAC. Damit funktioniere aber auch die Anbindung an die On-PremisesVariante von S/4 HANA. Was die Cloud-Editionen der neuen ERP-Generation betreffe, müsse SAP allerdings noch nacharbeiten.
SAPs Technikchef Müller wie auch Co-CEO Christian Klein sprechen von einem Integrationsplan in der Cloud. Klein hatte einen Tag vor den Technologietagen der DSAG ein Strategiepapier dazu veröffentlicht. Darin räumte er Probleme wie beispielsweise unterschiedliche Technologie-Stacks ein und bezeichnete die Integration als eine Herausforderung für viele Kunden. SAP sei sich der anstehenden Aufgaben bewusst, versicherte der SAP-Chef. Schließlich beruhe der eigene Erfolg darauf, die geschäftskritischen Business-Prozesse der Kunden integriert und auf einem einheitlichen Datenmodell basierend abwickeln zu können.
Klein stellt den Anwendern eine bessere SAPinterne Integration wie auch mehr Verknüpfungen zu Drittsystemen in Aussicht. Die eigene Business-Technology-Platform biete bereits Out-of-the-Box-Szenarien für die Verbindung von SAP-Systemen sowie mehr als 160 Konnektoren für Fremd-Systeme. Im vergangenen Jahr habe man bereits Fortschritte über die
API-basierte Punkt-zu-Punkt-Integration hinaus gemacht – insbesondere im Zusammenhang mit Success Factors, Concur und Ariba sowie Qualtrics, bilanziert der SAP-Chef. Im laufenden Jahr will sich der Konzern auf die Integration der Cloud-Lösungen Fieldglass,
C/4 HANA und die Digital Supply Chain konzentrieren.
SAPs Integrationspläne orientieren sich an End-to-End-Prozessen. Vier davon hat der Konzern bis dato definiert:
„Lead to Cash“für das Kundenmanagement von der ersten Interaktion über die Auftragsabwicklung bis hin zum Service. „Source to Pay“für die Verwaltung aller Einkaufsprozesse von der strategischen Lieferantenauswahl bis hin zur Sicherstellung der Compliance-Anforderungen.
„Recruit to Retire“für das Management aller Anforderungen im Personalwesen, vom Mitarbeitereintritt bis zum Verlassen des Unternehmens.
„Design to Operate“als digitaler Spiegel der eigenen Supply Chain – vom Planungsprozess über Herstellung und Logistik bis zur späteren Wartung.
„Wir arbeiten an zusätzlichen Informationen, die mehr Prozesse adressieren“, kündigte Klein in seinem Strategiepapier an und forderte seine Kunden auf: „Bleiben Sie dran!“
Wichtiges Signal für die Anwender
DSAG-Mann Pietsch bezeichnete den von SAP vorgelegten Integrationsplan als ein Signal. Darüber hinaus sei aber ebenfalls wichtig, dass zwei oder mehrere SAP-Lösungen auch semantisch durch kompatible Datenmodelle einfach integriert werden könnten. „Wir erwarten, dass SAP sauber zu SAP spricht.“Mittlerweile lägen erste Resultate einer Stammdateninitiative von DSAG und SAP vor. Doch der „Business Partner“, ein Datenmodell, das unter anderem zur Abbildung von Kunden- und Lieferantendaten dient, werde innerhalb von S/4 HANA noch nicht konsistent verwendet und in verschiedenen SAP-Lösungen unterschiedlich definiert. „Das führt zu massiven Aufwänden und birgt Projektrisiken“, kritisiert Pietsch.
SAP arbeitet an der Entwicklung eines harmonisierten, übergreifenden Datenmodells (Domain Model Alignment) für den Austausch zwischen SAP-Produkten. „Diese Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich, benötigen aber für unsere Mitglieder noch mehr Transparenz“, forderte Pietsch. „Als Kunde möchte ich wissen, wie ich meine Projektplanungen mit der Weiterentwicklung der SAP-Software in Einklang bringe. Dafür benötigen wir mehr Informationen auf inhaltlicher Ebene, wie auch zur zeitlichen Planung.“
Letztendlich gehe es um das Vertrauen, bringt es der DSAG-Vorstand auf den Punkt. „Dafür muss die Qualität stimmen.“An dieser Stelle sieht Pietsch durchaus Fortschritte. Beispielsweise habe der Hersteller in Bezug auf die SAP Cloud Platform zahlreiche Maßnahmen ergriffen, Betriebsprozesse verändert und technische Korrekturen vorgenommen. Dadurch habe sich die Situation für die Kunden deutlich verbessert – im Vergleich zum „wüsten Fahrwasser der vergangenen Jahre“.
Handlungsbedarf sieht Pietsch jedoch noch bei der Verfügbarkeit der Software-as-a-ServiceLösung für das Talent-Management Succes
Factors. „Das ist ein seit mittlerweile Jahren anhaltendes Problem. Die Stabilität muss deutlich verbessert werden. Bei einer CloudLösung darf die Verfügbarkeit kein Diskussionsthema sein“, moniert der Anwendervertreter. Darüber hinaus forderte der DSAG-Vertreter mehr Verlässlichkeit von SAP. Er sprach von Problemen bei disruptiven Produktwechseln und fehlenden Migrationspfaden. „Hier erwarten wir bessere Unterstützung für mehr Investitions- und Planungssicherheit.“
Roadmap-Explorer für mehr Planungssicherheit
SAPs CTO Müller versprach eine Lösung für die Cloud-Probleme. „Das ist auch für uns nicht akzeptabel – das darf nicht passieren.“SAP sei dabei, die Fehler rund um die Verfügbarkeit von Success Factors zu identifizieren und zu eliminieren. Schließlich wisse man um seine Verantwortung. Müller entschuldigte sich bei den Anwendern und kündigte an, alles nur Mögliche zu tun, um die Situation zu bereinigen und zu verhindern, dass so etwas wieder passiert.
Auch in Sachen Planungssicherheit räumte Müller Fehler ein. Produktwechsel seien zu abrupt erfolgt, die Migrationspfade nicht eindeutig erkennbar gewesen. Künftig sollen die Anwender mehr Transparenz erhalten. Dafür soll ein sogenannter Roadmap-Explorer sorgen, der Mitte 2020 herauskommen soll.
„SAP will sich wandeln“, beteuerte Müller. Er kündigte an, dass die eigenen Entwickler wieder näher an die Anwender heranrücken sollen. Man sei noch nicht da, wo SAP hinmöchte, aber auf dem richtigen Weg. Tatsächlich deutet sich an, dass SAP den drängenden Anliegen der Anwender mehr Gehör schenken will. Beispielsweise denkt der Softwareanbieter laut Müller auch über ein Pay-as-you-go-Modell für seine Cloud-Lösungen nach. Schon seit Jahren fordert die DSAG hier flexible Preismetriken.
SAP baut seinen Vorstand um
Um sich besser auf die Kundenanforderungen einstellen zu können sortiert das SAP-Führungsduo aus Jennifer Morgan und Christian Klein die Zuständigkeiten im Vorstand neu. Klare und einfache Kommunikationswege, ein einheitliches Auftreten sowie Transparenz in Sachen Produktstrategie und Integrationsszenarien – diese Ziele schreibt sich das SAP-Management groß auf die Fahnen.
Vertrieb, Service und alle entsprechenden organisatorischen Einheiten mit Fokus auf Kundenerfolg werden künftig im Vorstandsbereich „Customer Success“gebündelt und von der Vertriebs-Chefin Adaire Fox-Martin geleitet. Das Produktmanagement, die Entwicklung und der Produktsupport werden ebenfalls unter einem Vorstandsbereich zusammengefasst und von Thomas Saueressig verantwortet. Chief Technology Officer Jürgen Müller soll sich neben der Plattformentwicklung und Technologien für das intelligente Unternehmen auch um eine neu entstehende Data-Management-Solution kümmern.
Die Bereiche von Saueressig und Müller würden weiterhin eng zusammenarbeiten, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns.
Im Zuge dieser Veränderungen wird der Vorstandsbereich Digital Business Services praktisch aufgelöst und dessen Teams auf die Verantwortungsbereiche von Fox-Martin und Saueressig aufgeteilt. Michael Kleinemeier, der die Digital Business Services zuletzt geleitet hatte, verlässt SAP Ende April. Der 62-jährige Manager ist seit 1989 bei SAP tätig, unter anderem als Leiter des Bereichs Branchenlösungen und als Deutschlandgeschäftsführer.
Ursprünglich wollte Kleinemeier die Walldorfer bereits Ende 2019 verlassen. Seinen Bereich sollte eigentlich Ex-Technikvorstand Bernd Leukert übernehmen. Der hatte sich jedoch Ende Februar 2019 überraschend von SAP verabschiedet. Im Zuge dieser Entwicklungen hatte SAP den Vorstandsvertrag mit Kleinemeier noch einmal bis Ende 2020 verlängert. Nun kann der Manager doch früher in Ruhestand gehen.
Während mit dem Abschied Kleinemeiers gerechnet wurde, kam das Ausscheiden von Personalvorstand Stefan Ries überraschend. Der 53-Jährige werde SAP Ende Mai verlassen, hieß es. Ries hat – mit einer Unterbrechung von 2010 bis 2014 – seit 2002 bei den Softwerkern aus dem Badischen gearbeitet. Warum er geht und wohin es ihn zieht, wurde bislang nicht mitgeteilt.
SAP-Mitbegründer Hasso Plattner dankte beiden Managern. „Ohne Ries und Kleinemeier wäre SAP nicht dort, wo das Unternehmen heute steht“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende. Ries habe maßgeblichen Anteil daran, dass SAP heute zu den attraktivsten Arbeitgebern sowohl in Deutschland als auch international zähle. Kleinemeier habe den SAP-Erfolg und den der Kunden über dreißig Jahren hinweg nachhaltig beeinflusst.
Wer die Aufgaben von Stefan Ries künftig übernehmen soll, will SAP in den kommenden Monaten entscheiden. Neu organisiert wird auch der Vorstandsbereich Cloud Business
Group. Bis auf Qualtrics, CX Engineering und CX Produktstrategie sowie die Hauptbestandteile von Concur werden deren Teams auf das neue Organisationsmodell aufgeteilt. Die Verantwortung für die Cloud Business Group war im vergangenen Jahr an die heutige SAP-CoChefin Jennifer Morgan gegangen. Sie hatte den Job im April 2019 von Robert Enslin übernommen, der kurz nach Leukert ebenfalls überraschend seinen Abschied von SAP erklärt hatte.
SAP Cloud Platform – sechs Lösungsbereiche
Neben den neuen Vorstandszuständigkeiten sortiert SAP auch seine Lösungsbereiche neu. Künftig soll es sechs davon geben:
Customer Experience,
S/4 HANA,
People (SAP Success Factors),
Intelligent Spend (inklusive SAP Ariba, SAP Fieldglass und SAP Concur),
SAP HANA & Analytics, und
Qualtrics.
Die SAP Cloud Platform dient für alle genannten Bereiche als zugrunde liegende Technologieplattform.
„Um glaubhaft als ,One SAP‘ auftreten zu können, haben wir die Leistungsfähigkeit unserer Organisation weiter gestärkt und Funktionen bereichsübergreifend zusammengeführt“, sagte Jennifer Morgan, Co-CEO der SAP. Man werde sich voll und ganz darauf konzentrieren, den Erfolg der Kunden wie auch den der SAP nachhaltig sicherzustellen, beteuerte die USManagerin. „Unsere Kunden erwarten von uns zu Recht, dass unser Angebotsportfolio nahtlos integriert ist und alle Lösungen reibungslos zusammenarbeiten“, ergänzte ihr Partner auf dem SAP-Chefsessel Christian Klein. Das Vertrauen in die eigene Kompetenz und das Vermögen, die Herausforderungen der Kunden auch in Zukunft zu lösen, werde über den Erfolg von SAP entscheiden.