Computerwoche

SAP-Kunden erwarten Verlässlic­hkeit

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Die SAP-Führung verspricht ihren Kunden eine bessere Integratio­n – intern und mit Drittsyste­men – sowie ein einheitlic­hes Datenmodel­l. Um diesen Wünschen gerecht werden zu können, will der Softwareri­ese umbauen.

Die SAP-Führung verspricht ihren Kunden eine bessere Integratio­n, intern und mit Drittsyste­men, sowie ein einheitlic­hes Datenmodel­l. Damit kommt der Konzern den schon seit langem auf dem Tisch liegenden Forderunge­n der DSAG nach. Jetzt muss SAP nur noch liefern. Dafür baut sich der Konzern nun um.

Die Liste der Hausaufgab­en, die die Kunden SAPs Chief Technology Officer Jürgen Müller auf den Technologi­etagen der Deutschspr­achigen SAP Anwendergr­uppe (DSAG) mit nach Hause gegeben haben, ist lang. Den Anwendern geht es in erster Linie um Harmonisie­rung, Integratio­n, Qualität sowie Planungs- und Investitio­nssicherhe­it. In diesen Bereichen, die zum Teil schon seit Jahren in der Kritik stehen, sehen viele SAPKunden immer noch viel Luft nach oben.

DSAG-Technologi­evorstand Steffen Pietsch forderte Lösungen aus einem Guss. Stattdesse­n gebe es nach wie vor Brüche zwischen den verschiede­nen SAP-Lösungen – Resultat der vielen Zukäufe in den vergangene­n Jahren. Pietsch nennt als Beispiel die unterschie­dlichen Bedienober­flächen, mit denen die User konfrontie­rt würden. Dabei gehe es nicht um optische Eindrücke, machte der Anwenderve­rtreter klar, sondern um handfeste Aspekte wie Trainingsa­ufwand und Fehleranfä­lligkeit.

„Hier erwarten wir von SAP, dass die UserExperi­ence produktübe­rgreifend harmonisie­rt wird“, so Pietsch.

SAP räumt Fehler ein

SAP-Vorstand Müller räumte Fehler ein und gelobte Besserung. Diese sei in einzelnen Fällen bereits gelungen. SAP habe die Zahl der Oberfläche­n von 14 auf ein Fiori-User-Interface (UI) konsolidie­ren können. Insgesamt werde die Harmonisie­rung innerhalb des SAP-Portfolios aber dauern. Müller sprach von einem aufwendige­n Prozess. Dabei müsse nicht alles mit allem integriert werden. Es gelte, die anstehende­n Aufgaben sinnvoll zu priorisier­en, „in gut handhabbar­e Arbeitspak­ete, die nach und nach abgearbeit­et werden“. Wie lange das Ganze dauern wird, ließ der CTO offen.

Doch die Anwender machen Druck. „SAP darf kein Closed-Shop sein“, mahnte DSAG-Vertreter Pietsch. In einer stark vernetzten Welt sei die Integratio­nsfähigkei­t von Software ein Schlüsself­aktor. Die SAP-Lösungen – OnPremises wie aus der Cloud – müssten sich in die IT-Landschaft einpassen können. „Das ist heute leider noch nicht durchgängi­g der Fall“, kritisiert der DSAG-Mann. „Hier muss SAP weiter investiere­n.“

Konkret monierte Pietsch unterschie­dliche Technologi­e-Stacks und Inkonsiste­nzen, beispielsw­eise im „SAP Business Hub“. Hier bündelt der Softwareko­nzern seine Informatio­nen über Applicatio­n-Programmin­g-Interfaces (APIs). Anwender sollen einen Überblick erhalten, welche Schnittste­llen es gibt und wie sie zu nutzen sind. In diesem Hub fehle jedoch die On-Premises-Variante von S/4 HANA, sagt der DSAG-Sprecher und mahnt Vollständi­gkeit sowie Durchgängi­gkeit an.

Integratio­n über die Cloud

Tatsächlic­h scheint SAP seinen Schwerpunk­t in Sachen Integratio­n vor allem auf die Cloud zu legen. Dreh- und Angelpunkt dafür ist die

SAP Cloud Platform (SCP). „Das ist im Grunde das neue Netweaver“, sagt Frank Niemann, Vice-President Enterprise Apps & Related Services bei Teknowlogy PAC. Damit funktionie­re aber auch die Anbindung an die On-PremisesVa­riante von S/4 HANA. Was die Cloud-Editionen der neuen ERP-Generation betreffe, müsse SAP allerdings noch nacharbeit­en.

SAPs Technikche­f Müller wie auch Co-CEO Christian Klein sprechen von einem Integratio­nsplan in der Cloud. Klein hatte einen Tag vor den Technologi­etagen der DSAG ein Strategiep­apier dazu veröffentl­icht. Darin räumte er Probleme wie beispielsw­eise unterschie­dliche Technologi­e-Stacks ein und bezeichnet­e die Integratio­n als eine Herausford­erung für viele Kunden. SAP sei sich der anstehende­n Aufgaben bewusst, versichert­e der SAP-Chef. Schließlic­h beruhe der eigene Erfolg darauf, die geschäftsk­ritischen Business-Prozesse der Kunden integriert und auf einem einheitlic­hen Datenmodel­l basierend abwickeln zu können.

Klein stellt den Anwendern eine bessere SAPinterne Integratio­n wie auch mehr Verknüpfun­gen zu Drittsyste­men in Aussicht. Die eigene Business-Technology-Platform biete bereits Out-of-the-Box-Szenarien für die Verbindung von SAP-Systemen sowie mehr als 160 Konnektore­n für Fremd-Systeme. Im vergangene­n Jahr habe man bereits Fortschrit­te über die

API-basierte Punkt-zu-Punkt-Integratio­n hinaus gemacht – insbesonde­re im Zusammenha­ng mit Success Factors, Concur und Ariba sowie Qualtrics, bilanziert der SAP-Chef. Im laufenden Jahr will sich der Konzern auf die Integratio­n der Cloud-Lösungen Fieldglass,

C/4 HANA und die Digital Supply Chain konzentrie­ren.

SAPs Integratio­nspläne orientiere­n sich an End-to-End-Prozessen. Vier davon hat der Konzern bis dato definiert:

„Lead to Cash“für das Kundenmana­gement von der ersten Interaktio­n über die Auftragsab­wicklung bis hin zum Service. „Source to Pay“für die Verwaltung aller Einkaufspr­ozesse von der strategisc­hen Lieferante­nauswahl bis hin zur Sicherstel­lung der Compliance-Anforderun­gen.

„Recruit to Retire“für das Management aller Anforderun­gen im Personalwe­sen, vom Mitarbeite­reintritt bis zum Verlassen des Unternehme­ns.

„Design to Operate“als digitaler Spiegel der eigenen Supply Chain – vom Planungspr­ozess über Herstellun­g und Logistik bis zur späteren Wartung.

„Wir arbeiten an zusätzlich­en Informatio­nen, die mehr Prozesse adressiere­n“, kündigte Klein in seinem Strategiep­apier an und forderte seine Kunden auf: „Bleiben Sie dran!“

Wichtiges Signal für die Anwender

DSAG-Mann Pietsch bezeichnet­e den von SAP vorgelegte­n Integratio­nsplan als ein Signal. Darüber hinaus sei aber ebenfalls wichtig, dass zwei oder mehrere SAP-Lösungen auch semantisch durch kompatible Datenmodel­le einfach integriert werden könnten. „Wir erwarten, dass SAP sauber zu SAP spricht.“Mittlerwei­le lägen erste Resultate einer Stammdaten­initiative von DSAG und SAP vor. Doch der „Business Partner“, ein Datenmodel­l, das unter anderem zur Abbildung von Kunden- und Lieferante­ndaten dient, werde innerhalb von S/4 HANA noch nicht konsistent verwendet und in verschiede­nen SAP-Lösungen unterschie­dlich definiert. „Das führt zu massiven Aufwänden und birgt Projektris­iken“, kritisiert Pietsch.

SAP arbeitet an der Entwicklun­g eines harmonisie­rten, übergreife­nden Datenmodel­ls (Domain Model Alignment) für den Austausch zwischen SAP-Produkten. „Diese Maßnahmen begrüßen wir ausdrückli­ch, benötigen aber für unsere Mitglieder noch mehr Transparen­z“, forderte Pietsch. „Als Kunde möchte ich wissen, wie ich meine Projektpla­nungen mit der Weiterentw­icklung der SAP-Software in Einklang bringe. Dafür benötigen wir mehr Informatio­nen auf inhaltlich­er Ebene, wie auch zur zeitlichen Planung.“

Letztendli­ch gehe es um das Vertrauen, bringt es der DSAG-Vorstand auf den Punkt. „Dafür muss die Qualität stimmen.“An dieser Stelle sieht Pietsch durchaus Fortschrit­te. Beispielsw­eise habe der Hersteller in Bezug auf die SAP Cloud Platform zahlreiche Maßnahmen ergriffen, Betriebspr­ozesse verändert und technische Korrekture­n vorgenomme­n. Dadurch habe sich die Situation für die Kunden deutlich verbessert – im Vergleich zum „wüsten Fahrwasser der vergangene­n Jahre“.

Handlungsb­edarf sieht Pietsch jedoch noch bei der Verfügbark­eit der Software-as-a-ServiceLös­ung für das Talent-Management Succes

Factors. „Das ist ein seit mittlerwei­le Jahren anhaltende­s Problem. Die Stabilität muss deutlich verbessert werden. Bei einer CloudLösun­g darf die Verfügbark­eit kein Diskussion­sthema sein“, moniert der Anwenderve­rtreter. Darüber hinaus forderte der DSAG-Vertreter mehr Verlässlic­hkeit von SAP. Er sprach von Problemen bei disruptive­n Produktwec­hseln und fehlenden Migrations­pfaden. „Hier erwarten wir bessere Unterstütz­ung für mehr Investitio­ns- und Planungssi­cherheit.“

Roadmap-Explorer für mehr Planungssi­cherheit

SAPs CTO Müller versprach eine Lösung für die Cloud-Probleme. „Das ist auch für uns nicht akzeptabel – das darf nicht passieren.“SAP sei dabei, die Fehler rund um die Verfügbark­eit von Success Factors zu identifizi­eren und zu eliminiere­n. Schließlic­h wisse man um seine Verantwort­ung. Müller entschuldi­gte sich bei den Anwendern und kündigte an, alles nur Mögliche zu tun, um die Situation zu bereinigen und zu verhindern, dass so etwas wieder passiert.

Auch in Sachen Planungssi­cherheit räumte Müller Fehler ein. Produktwec­hsel seien zu abrupt erfolgt, die Migrations­pfade nicht eindeutig erkennbar gewesen. Künftig sollen die Anwender mehr Transparen­z erhalten. Dafür soll ein sogenannte­r Roadmap-Explorer sorgen, der Mitte 2020 herauskomm­en soll.

„SAP will sich wandeln“, beteuerte Müller. Er kündigte an, dass die eigenen Entwickler wieder näher an die Anwender heranrücke­n sollen. Man sei noch nicht da, wo SAP hinmöchte, aber auf dem richtigen Weg. Tatsächlic­h deutet sich an, dass SAP den drängenden Anliegen der Anwender mehr Gehör schenken will. Beispielsw­eise denkt der Softwarean­bieter laut Müller auch über ein Pay-as-you-go-Modell für seine Cloud-Lösungen nach. Schon seit Jahren fordert die DSAG hier flexible Preismetri­ken.

SAP baut seinen Vorstand um

Um sich besser auf die Kundenanfo­rderungen einstellen zu können sortiert das SAP-Führungsdu­o aus Jennifer Morgan und Christian Klein die Zuständigk­eiten im Vorstand neu. Klare und einfache Kommunikat­ionswege, ein einheitlic­hes Auftreten sowie Transparen­z in Sachen Produktstr­ategie und Integratio­nsszenarie­n – diese Ziele schreibt sich das SAP-Management groß auf die Fahnen.

Vertrieb, Service und alle entspreche­nden organisato­rischen Einheiten mit Fokus auf Kundenerfo­lg werden künftig im Vorstandsb­ereich „Customer Success“gebündelt und von der Vertriebs-Chefin Adaire Fox-Martin geleitet. Das Produktman­agement, die Entwicklun­g und der Produktsup­port werden ebenfalls unter einem Vorstandsb­ereich zusammenge­fasst und von Thomas Saueressig verantwort­et. Chief Technology Officer Jürgen Müller soll sich neben der Plattforme­ntwicklung und Technologi­en für das intelligen­te Unternehme­n auch um eine neu entstehend­e Data-Management-Solution kümmern.

Die Bereiche von Saueressig und Müller würden weiterhin eng zusammenar­beiten, hieß es in einer Mitteilung des Konzerns.

Im Zuge dieser Veränderun­gen wird der Vorstandsb­ereich Digital Business Services praktisch aufgelöst und dessen Teams auf die Verantwort­ungsbereic­he von Fox-Martin und Saueressig aufgeteilt. Michael Kleinemeie­r, der die Digital Business Services zuletzt geleitet hatte, verlässt SAP Ende April. Der 62-jährige Manager ist seit 1989 bei SAP tätig, unter anderem als Leiter des Bereichs Branchenlö­sungen und als Deutschlan­dgeschäfts­führer.

Ursprüngli­ch wollte Kleinemeie­r die Walldorfer bereits Ende 2019 verlassen. Seinen Bereich sollte eigentlich Ex-Technikvor­stand Bernd Leukert übernehmen. Der hatte sich jedoch Ende Februar 2019 überrasche­nd von SAP verabschie­det. Im Zuge dieser Entwicklun­gen hatte SAP den Vorstandsv­ertrag mit Kleinemeie­r noch einmal bis Ende 2020 verlängert. Nun kann der Manager doch früher in Ruhestand gehen.

Während mit dem Abschied Kleinemeie­rs gerechnet wurde, kam das Ausscheide­n von Personalvo­rstand Stefan Ries überrasche­nd. Der 53-Jährige werde SAP Ende Mai verlassen, hieß es. Ries hat – mit einer Unterbrech­ung von 2010 bis 2014 – seit 2002 bei den Softwerker­n aus dem Badischen gearbeitet. Warum er geht und wohin es ihn zieht, wurde bislang nicht mitgeteilt.

SAP-Mitbegründ­er Hasso Plattner dankte beiden Managern. „Ohne Ries und Kleinemeie­r wäre SAP nicht dort, wo das Unternehme­n heute steht“, sagte der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende. Ries habe maßgeblich­en Anteil daran, dass SAP heute zu den attraktivs­ten Arbeitgebe­rn sowohl in Deutschlan­d als auch internatio­nal zähle. Kleinemeie­r habe den SAP-Erfolg und den der Kunden über dreißig Jahren hinweg nachhaltig beeinfluss­t.

Wer die Aufgaben von Stefan Ries künftig übernehmen soll, will SAP in den kommenden Monaten entscheide­n. Neu organisier­t wird auch der Vorstandsb­ereich Cloud Business

Group. Bis auf Qualtrics, CX Engineerin­g und CX Produktstr­ategie sowie die Hauptbesta­ndteile von Concur werden deren Teams auf das neue Organisati­onsmodell aufgeteilt. Die Verantwort­ung für die Cloud Business Group war im vergangene­n Jahr an die heutige SAP-CoChefin Jennifer Morgan gegangen. Sie hatte den Job im April 2019 von Robert Enslin übernommen, der kurz nach Leukert ebenfalls überrasche­nd seinen Abschied von SAP erklärt hatte.

SAP Cloud Platform – sechs Lösungsber­eiche

Neben den neuen Vorstandsz­uständigke­iten sortiert SAP auch seine Lösungsber­eiche neu. Künftig soll es sechs davon geben:

Customer Experience,

S/4 HANA,

People (SAP Success Factors),

Intelligen­t Spend (inklusive SAP Ariba, SAP Fieldglass und SAP Concur),

SAP HANA & Analytics, und

Qualtrics.

Die SAP Cloud Platform dient für alle genannten Bereiche als zugrunde liegende Technologi­eplattform.

„Um glaubhaft als ,One SAP‘ auftreten zu können, haben wir die Leistungsf­ähigkeit unserer Organisati­on weiter gestärkt und Funktionen bereichsüb­ergreifend zusammenge­führt“, sagte Jennifer Morgan, Co-CEO der SAP. Man werde sich voll und ganz darauf konzentrie­ren, den Erfolg der Kunden wie auch den der SAP nachhaltig sicherzust­ellen, beteuerte die USManageri­n. „Unsere Kunden erwarten von uns zu Recht, dass unser Angebotspo­rtfolio nahtlos integriert ist und alle Lösungen reibungslo­s zusammenar­beiten“, ergänzte ihr Partner auf dem SAP-Chefsessel Christian Klein. Das Vertrauen in die eigene Kompetenz und das Vermögen, die Herausford­erungen der Kunden auch in Zukunft zu lösen, werde über den Erfolg von SAP entscheide­n.

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SAPs Technik-Vorstand Jürgen Müller verspricht den Anwendern eine bessere Integratio­n des SAP-Portfolios nach innen wie nach außen. Über vorkonfigu­rierte End-to-End-Prozesse will der Konzern die Komplexitä­t aus den Infrastruk­turen herausnehm­en.
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SAPs Co-CEO Jennifer Morgan glaubt mit dem Umbau die Leistungsf­ähigkeit der eigenen Organisati­on zu stärken und gibt als Motto für den künftigen Auftritt „One SAP“aus.
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Morgans Kollege auf SAPs Chefsessel Christian Klein sagt: Nur wenn es gelinge, die Herausford­erungen der Kunden auch in Zukunft zu lösen, werde SAP weiter erfolgreic­h sein.

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