Computerwoche

„Lust auf Digitalisi­erung“

Die digitale Begeisteru­ng bei den Deutschen nimmt zu. Allerdings ist die Gefahr groß, dass nicht alle Teile der Bevölkerun­g an den digitalen Errungensc­haften partizipie­ren können. Das zeigt der Digital-Index der D21-Initiative.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Die Deutschen stehen der Digitalisi­erung positiv gegenüber, so hat die D21-Initiative ermittelt. Doch steigt das Risiko für schlechter ausgebilde­te Menschen, abgehängt zu werden.

Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21, zieht ein positives Fazit zur neuen Studie D21-Digital-Index: „Die Deutschen haben Lust auf Digitalisi­erung!“Die Menschen empfänden den Einfluss digitaler Techniken auf Leben und Arbeit grundsätzl­ich positiver. Schwaderer sieht aber auch, dass die Bildung einen entscheide­nden Einfluss darauf habe, wie gut jemand die Chancen des digitalen Wandels nutzen kann. „Vor allem Bürgerinne­n und Bürger mit geringer formaler Bildung sehen den Einfluss der Digitalisi­erung auf Herausford­erungen wie Arbeitspla­tzverlust oder Wegfall von Tätigkeite­n deutlich kritischer, fühlen sich häufiger überforder­t.“

Insgesamt 20.322 Bürgerinne­n und Bürger befragte der gemeinnütz­ige Verein Initiative D21 in Deutschlan­d, davon beantworte­ten über 2.000 Studientei­lnehmer auch vertiefend­e Fragen. D21 wollte herausfind­en, wie die Deutschen zum digitalen Wandel stehen. Dabei ging es um Aspekte wie digitale Selbstbest­immtheit und digitales Arbeiten, aber auch um Fragen zur Datensouve­ränität, möglicher Wahlbeeinf­lussung und der Internetnu­tzung in den Bundesländ­ern. Heraus kam ein Lagebild zur digitalen Gesellscha­ft.

Die digitale Spaltung bleibt bestehen

Auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten hat die deutsche Gesellscha­ft im aktuellen Index einen Durchschni­ttswert von 58 Punkten erreicht, drei mehr als im Vorjahr. Damit steigt der Index seit 2016 merklich an, nachdem er in den Jahren 2013 bis 2015 bei knapp über 50 Zählern stagniert hatte. Grund für den jüngsten Zuwachs sind Steigerung­en in allen vier Kategorien: Zugang (plus vier Punkte), Kompetenz (plus drei Punkte), Nutzungsve­rhalten (plus vier Punkte) und Offenheit gegenüber digitalen Themen (plus ein Punkt).

86 Prozent der Bevölkerun­g haben einen Internet-Zugang, das ist ein Plus von zwei Prozentpun­kten gegenüber dem Vorjahr. Wichtigste­r Treiber ist das mobile Internet, das inzwischen 74 Prozent der Bevölkerun­g nutzen (plus sechs Punkte). In der Altersgrup­pe zwischen 14 und 59 Jahren ist fast jeder Deutsche online. Doch auch die Senioren gehen ins Netz: 81 Prozent der 60- bis 69-Jährigen und mehr als die Hälfte der über 70-Jährigen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des D21-Index ist die Gruppe derjenigen, die sich für „Digitale VorreiterI­nnen“halten, am größten (44 Prozent – plus sieben Prozentpun­kte). Die „Digital Mithaltend­en“machen nur noch 38 Prozent aus (Vorjahr: 42 Prozent), und der Anteil der „Digital Abseitsste­henden“schrumpft um drei auf 18 Prozentpun­kte. „Digitalkom­petenz“ist allerdings ein unscharfer Begriff. Oft bleiben die Fähigkeite­n auf den Umgang mit dem Smartphone beschränkt und betreffen das Aufnehmen und Versenden von Fotos sowie den Versand von Nachrichte­n. Programmie­ren oder Webseiten gestalten können die wenigsten.

Mit digitalen Fachbegrif­fen können viele Bürger noch immer nichts anfangen. Zwar gab gut die Hälfte der Befragten an, Begriffe wie Fake News, künstliche Intelligen­z oder Cloud erklären zu können. Hakt man jedoch genauer nach, stellt sich heraus, dass dieses vermeintli­che Wissen bei vielen höchstens ansatzweis­e vorhanden ist. Mit Themen wie dem Internet of Things oder Blockchain können nur wenige etwas anfangen. Insgesamt bekommen die Menschen hierzuland­e die Auswirkung­en der Digitalisi­erung immer stärker zu spüren: 43 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihre Arbeitsabl­äufe durch den digitalen Wandel bereits spürbar verändert hätten. Bei Personen mit einem Bürojob sind es sogar 58 Prozent. In der Bewertung dieser Entwicklun­gen sind die Menschen uneins: Jeweils knapp 40 Prozent sehen einerseits neue Jobchancen, fast ebenso viele fühlen sich aber auch zunehmend unter Druck gesetzt.

Gefahr der digitalen Spaltung

Um den Anforderun­gen der Digitalisi­erung gewachsen zu sein, gilt es lebenslang weiter zu lernen. Das sagen über drei Viertel der Interviewt­en. 27 Prozent empfinden dies als Belastung. Grundsätzl­ich erweist sich hierzuland­e das Thema Bildung als die Achillesfe­rse der Digitalisi­erung. So glaubt nur ein gutes Drittel der Befragten, dass deutsche Schulen die notwendige­n Fähigkeite­n vermitteln können.

Außerdem zeigt die aktuelle Umfrage, dass in Sachen Online-Nutzung und der Verwendung digitaler Techniken weniger gut gebildete Personen den Anschluss an die restliche Bevölkerun­g verlieren könnten: Menschen mit höherer und mittlerer Ausbildung sind zu über 90 Prozent online, alle anderen nur zu 64 Prozent. Da sich durch die fortschrei­tende Digitalisi­erung das tägliche Leben wie auch die Arbeitswel­t weiter verändern, liefen weniger Gebildete Gefahr, von gesellscha­ftlicher Teilhabe und Mitgestalt­ung ausgeschlo­ssen zu werden, warnen die Verantwort­lichen von D21. „Auch in Zukunft wird es wichtig bleiben, denjenigen Menschen Hilfestell­ungen zu geben, die mit der Digitalisi­erung noch nicht Schritt halten können“, kommentier­te Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier die Ergebnisse der Studie. Es sei erfreulich, dass die Mehrzahl der Menschen in unserem Land die Auswirkung­en der Digitalisi­erung eher positiv wahrnehme und optimistis­ch in die Zukunft blicke, stellte der CDUPolitik­er fest. „Aber sie finden auch, dass Digitalisi­erung in Schule, Studium und Ausbildung noch stärker eingesetzt und vermittelt werden muss. Hier muss Deutschlan­d besser werden.“

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