Viren bekämpfen mit Handy-Daten
In Deutschland überlegt das Robert-Koch-Institut (RKI), via Handy-Tracking mögliche Kontaktpersonen von Corona-infizierten Personen zu ermitteln. Kritiker halten das Verfahren für technisch unausgereift und rechtlich schwierig.
Das Robert-Koch-Institut erwägt, per HandyDaten-Tracking die Kontaktpersonen von Corona-infizierten Personen zu ermitteln.
Menschen sollen in Zeiten der CoronaPandemie soziale Kontakte meiden und möglichst zu Hause bleiben. Um zu überwachen, ob sich die Bevölkerung an die Maßgaben der Regierungen hält, setzen verschiedene Staaten unter anderem auf das Tracking von Handy-Daten. Beispielsweise liefert der österreichische Mobilfunkanbieter A1 anonymisierte Bewegungsdaten seiner Kunden an die politisch Verantwortlichen in Wien.
Diese Informationen sollen dabei helfen, festzustellen, ob sich die Menschen an die Ausgangssperre halten. Mithilfe von Algorithmen lassen sich Bewegungsströme von Menschengruppen berechnen und visualisieren. Die Daten würden dabei anonymisiert, versichert das Startup Invenium, das die Technik entwickelt hat. Die Gruppengrößen werden in 20er-Schritten erfasst und gemessen. Ursprünglich hat Invenium sein Analyse-Tool entwickelt, um etwa die typischen Wege von Touristengruppen rund um Sehenswürdigkeiten zu ermitteln.
Laut einem Bericht der „Kronenzeitung“haben die Österreicher ihren Bewegungsradius bereits im Mittel um 40 bis 50 Prozent eingeschränkt. Standortinformationen via Handy-Ortung zu nutzen, ist im Sinne des Datenschutzes nur dann zulässig, wenn die Daten vollständig anonymisiert sind und keine konkreten Personenbezüge hergestellt werden können. In Deutschland reichen die Überlegungen allerdings ein ganzes Stück weiter. Lothar Wieler, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) hält die Auswertung von Handydaten für ein probates Mittel, um die Ausbreitung des Coronavirus hierzulande messen und eindämmen zu können. Dieses Vorgehen sei technisch und datenschutzrechtlich möglich, sagte Wieler in Berlin. Die Arbeit der Gesundheitsämter ließe sich damit enorm unterstützen und beschleunigen, beispielsweise um mögliche Kontaktpersonen eines Corona-infizierten Patienten zu ermitteln. Bis dato müsste dies aufwendig durch Gespräche mit den Betroffenen eruiert werden. Wieler zufolge arbeitet das RKI seit Anfang März an einer entsprechenden Lösung zur Handy-Ortung. Auch das Fraunhofer-Institut sowie das Gesundheitsministerium sollen involviert sein.
Genaue Lokalisierung bleibt schwierig
Experten sind allerdings skeptisch. Technisch gesehen sei eine Lokalisierung in einer Mobilfunkzelle unpräzise. Auf dem Land umfassten die einzelnen Zellen größere Flächen, sodass sich nicht sicher sagen lasse, ob jemand in der gleichen Funkzelle wirklich Kontakt zu einem Infizierten gehabt hat. In Ballungsräumen seien die einzelnen Zellen kleiner, allerdings hielten sich dort in aller Regel deutlich mehr Menschen im gleichen Radius um einen Funkmast herum auf, so dass es auch dort schwierig sei, konkrete Kontaktpersonen zu ermitteln. Konstantin von Notz, Innenexperte der Bundestagsfraktion der Grünen, verwies gegenüber der „Deutschen Welle“zudem auf rechtliche Hürden: „Ein Zugriff auf diese Daten ist rechtlich beinahe ausgeschlossen und unterliegt vollkommen zu Recht hohen Hürden.“Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber warnte vor Eingriffen in die Privatsphäre der Bürger.
In Israel ist man da weniger zimperlich: Auf der Basis von Notstandsgesetzen hat die Regierung angeordnet, infizierte Personen via HandyOrtung zu tracken, um herauszufinden, ob Quarantäne-Anordnungen eingehalten werden, und um Kontaktpersonen vor einer möglichen Infektion zu warnen.