RPA – eine Übergangstechnologie?
Software-Bots und Low-Code-Lösungen bieten viele Effizienzvorteile. Doch sie schaffen auch einen Anreiz, den Status quo zu verwalten und fundamentale Transformationsprojekte gar nicht erst anzugehen, so zeigte eine Diskussionsrunde der COMPUTERWOCHE.
Software-Bots und Low-Code-Lösungen haben das Potenzial, menschliche Arbeitskraft in produktivere Bahnen zu lenken. Doch sie schaffen auch einen Anreiz, den Status quo zu verwalten und fundamentale Transformationsprojekte gar nicht erst anzugehen, so zeigte eine Diskussionsrunde der COMPUTERWOCHE.
Robotic-Process-Automation-(RPA-)Technologie wird in großen Unternehmen längst im produktiven Alltag eingesetzt. Bis zu 20 automatisierte Prozesse sind laut der jüngsten RPA-Studie von IDG bei Konzernen und Mittelständlern durchschnittlich in Betrieb. Dass das Thema aber durchaus polarisiert, lässt sich daran erkennen, dass ein Viertel der befragten Unternehmen keinen Bedarf an robotergestützter Automation sieht.
Eine Round-Table-Diskussion, zu der die COMPUTERWOCHE eingeladen hatte, zeigte indes, dass in Sachen RPA vor allem Pragmatismus und ein gesunder Sinn für das Machbare gefragt sind. „Erfolgreiche RPA ist für mich, wenn wir eine gut einsetzbare, verständliche und portionierbare Lösung vorlegen können, die für sich funktioniert“, sagte Julian Beckers, Managing Director bei der Weißenberg Group. „Auf CIO-Ebene muss immer alles gleich in große Gesamtlösungen integriert sein und reibungslos darin aufgehen. Die Realität sieht aber häufig anders aus. Wir unterliegen im Alltag vielen technologischen Beschränkungen und müssen mit dem arbeiten, was wir haben.“
Nachdem „Softwareroboter“ihrer Definition nach lediglich am User-Interface andocken und dort eine menschliche Interaktion nachahmen, ist ihr architektonisches Veränderungspotenzial tatsächlich eher begrenzt. Der Prozess bleibt der gleiche, er läuft nur schneller und weniger fehleranfällig ab. Einfachheit ist die große Stärke von RPA. Im Gegensatz zu hochkomplexen, automatisierten Lösungen, die im Backend ablaufen und eine fundamentale Veränderung für die IT-Organisation bedeuten, sorgen robotergestützte Prozesse einfach nur für mehr Effizienz im laufenden Betrieb und fügen sich leicht in die menschliche Arbeit ein.
Reibungslose Prozesse nutzen allen
RPA, so waren sich die Diskutanten einig, schafft Freiräume für hochbezahlte Fachkräfte, die sich wichtigeren Aufgaben widmen und ihre Ressourcen besser einsetzen können. Mitarbeiter innerhalb und außerhalb der IT-Abteilungen verstehen das meist auf Anhieb. Software-Bots sorgen für reibungslose Prozesse und helfen, Silos zu überwinden.
„Wir reden viel zu selten über das verbindende Element von Transformationstechnologien wie RPA und Process-Mining“, sagt Andreas Zehent von Deloitte. „Sie bringen verschiedene Leute eines Unternehmens an einen Tisch, verbinden Disziplinen und schaffen dadurch Innovation. Das macht sie hilfreich, wenn es darum geht, Diskussionen rund um die digitale Transformation anzustoßen.“
Aus diesem Blickwinkel spielt RPA sogar eine Schlüsselrolle als Enabler der digitalen Transformation. „In Zukunft werden Nutzer dadurch in die Lage kommen, ihre Arbeit selbst zu automatisieren und einen Beitrag zur digitalen Transformation zu leisten“, so Zehent. Und Roman Schäfer von Blue Reply merkt an, dass SoftwareBots zwar nur einen Teil der Unternehmens-IT bildeten, jede Organisation es aber selbst in der Hand habe, wie wichtig dieser Teil ist: „Erfolgreiche RPA muss die Business User in die Lage versetzen, eigene Prozesse zu automatisieren. Dabei muss sie als tragender Baustein in die Gesamtinfrastruktur passen.“
Für Schäfer steht fest, dass RPA immer eine unterstützende Funktion behalten wird. „Auch in Zukunft werden wir es nicht ausschließlich mit Bots zu tun haben. Der Intellekt von Mitarbeitern wird ein unverzichtbarer Bestandteil der Prozesskette bleiben.“
Ein Begriff, der in der Diskussion immer wieder fällt, ist der des „Bot-Molochs“, also eine Situation, in der ein robotergestützter Prozess an einen oder mehrere andere andockt – spätestens dann ist für viele eine Grenze überschritten, ab der RPA auch zu Chaos führen kann. Schwierig wird es auch, wenn Software-Bots dazu dienen, veraltete und heterogene Softwarewelten weiter zu betreiben, sodass sinnvollere Transformationsprojekte aufgeschoben werden. Alexander Steiner von Metaproc beschreibt es deutlich: „RPA kann ein wichtiger Bestandteil einer Digitalisierungsstrategie sein und Lücken stopfen. Sie ist aber keine Lösung für das große Ganze.“
Prozesse End-to-End im Blick
Die Einführung robotergestützter Prozesse bewegt sich also stets im Grenzbereich zwischen „Weiter so“und „Alles neu“. Während ein einzelner automatisierter Prozess spürbare Effizienzsteigerungen hervorbringen kann, kann ein zweiter schon wieder das Gegenteil bewirken. Dann wird Legacy verwaltet und Modernisierung hinausgezögert.
RPA und Process-Mining gehören aus diesem Grund zwingend zusammen, wie Rami-Habib Eid-Sabbagh von Lana Labs feststellt: „Es ist wichtig, die gesamten Prozesse End-to-End zu erfassen: RPA kann sie beschleunigen, aber auch verzögern, je nachdem, ob sie richtig umgesetzt wird. Wer einfach so loslegt, kann essenziell wichtige Faktoren übersehen. Dann droht die Gefahr, dass einfach nur der Nebenarm eines Prozesses optimiert und der eigentliche Fehler nicht erkannt wird. Wenn ich diesen Fehler aber finde und eliminiere, wird mitunter der ganze Prozess obsolet. Hierin liegen das große Potenzial und der Mehrwert des Process-Mining.“