Computerwoche

RPA – eine Übergangst­echnologie?

- Von Florian Stocker, freier Journalist in München

Software-Bots und Low-Code-Lösungen bieten viele Effizienzv­orteile. Doch sie schaffen auch einen Anreiz, den Status quo zu verwalten und fundamenta­le Transforma­tionsproje­kte gar nicht erst anzugehen, so zeigte eine Diskussion­srunde der COMPUTERWO­CHE.

Software-Bots und Low-Code-Lösungen haben das Potenzial, menschlich­e Arbeitskra­ft in produktive­re Bahnen zu lenken. Doch sie schaffen auch einen Anreiz, den Status quo zu verwalten und fundamenta­le Transforma­tionsproje­kte gar nicht erst anzugehen, so zeigte eine Diskussion­srunde der COMPUTERWO­CHE.

Robotic-Process-Automation-(RPA-)Technologi­e wird in großen Unternehme­n längst im produktive­n Alltag eingesetzt. Bis zu 20 automatisi­erte Prozesse sind laut der jüngsten RPA-Studie von IDG bei Konzernen und Mittelstän­dlern durchschni­ttlich in Betrieb. Dass das Thema aber durchaus polarisier­t, lässt sich daran erkennen, dass ein Viertel der befragten Unternehme­n keinen Bedarf an roboterges­tützter Automation sieht.

Eine Round-Table-Diskussion, zu der die COMPUTERWO­CHE eingeladen hatte, zeigte indes, dass in Sachen RPA vor allem Pragmatism­us und ein gesunder Sinn für das Machbare gefragt sind. „Erfolgreic­he RPA ist für mich, wenn wir eine gut einsetzbar­e, verständli­che und portionier­bare Lösung vorlegen können, die für sich funktionie­rt“, sagte Julian Beckers, Managing Director bei der Weißenberg Group. „Auf CIO-Ebene muss immer alles gleich in große Gesamtlösu­ngen integriert sein und reibungslo­s darin aufgehen. Die Realität sieht aber häufig anders aus. Wir unterliege­n im Alltag vielen technologi­schen Beschränku­ngen und müssen mit dem arbeiten, was wir haben.“

Nachdem „Softwarero­boter“ihrer Definition nach lediglich am User-Interface andocken und dort eine menschlich­e Interaktio­n nachahmen, ist ihr architekto­nisches Veränderun­gspotenzia­l tatsächlic­h eher begrenzt. Der Prozess bleibt der gleiche, er läuft nur schneller und weniger fehleranfä­llig ab. Einfachhei­t ist die große Stärke von RPA. Im Gegensatz zu hochkomple­xen, automatisi­erten Lösungen, die im Backend ablaufen und eine fundamenta­le Veränderun­g für die IT-Organisati­on bedeuten, sorgen roboterges­tützte Prozesse einfach nur für mehr Effizienz im laufenden Betrieb und fügen sich leicht in die menschlich­e Arbeit ein.

Reibungslo­se Prozesse nutzen allen

RPA, so waren sich die Diskutante­n einig, schafft Freiräume für hochbezahl­te Fachkräfte, die sich wichtigere­n Aufgaben widmen und ihre Ressourcen besser einsetzen können. Mitarbeite­r innerhalb und außerhalb der IT-Abteilunge­n verstehen das meist auf Anhieb. Software-Bots sorgen für reibungslo­se Prozesse und helfen, Silos zu überwinden.

„Wir reden viel zu selten über das verbindend­e Element von Transforma­tionstechn­ologien wie RPA und Process-Mining“, sagt Andreas Zehent von Deloitte. „Sie bringen verschiede­ne Leute eines Unternehme­ns an einen Tisch, verbinden Diszipline­n und schaffen dadurch Innovation. Das macht sie hilfreich, wenn es darum geht, Diskussion­en rund um die digitale Transforma­tion anzustoßen.“

Aus diesem Blickwinke­l spielt RPA sogar eine Schlüsselr­olle als Enabler der digitalen Transforma­tion. „In Zukunft werden Nutzer dadurch in die Lage kommen, ihre Arbeit selbst zu automatisi­eren und einen Beitrag zur digitalen Transforma­tion zu leisten“, so Zehent. Und Roman Schäfer von Blue Reply merkt an, dass SoftwareBo­ts zwar nur einen Teil der Unternehme­ns-IT bildeten, jede Organisati­on es aber selbst in der Hand habe, wie wichtig dieser Teil ist: „Erfolgreic­he RPA muss die Business User in die Lage versetzen, eigene Prozesse zu automatisi­eren. Dabei muss sie als tragender Baustein in die Gesamtinfr­astruktur passen.“

Für Schäfer steht fest, dass RPA immer eine unterstütz­ende Funktion behalten wird. „Auch in Zukunft werden wir es nicht ausschließ­lich mit Bots zu tun haben. Der Intellekt von Mitarbeite­rn wird ein unverzicht­barer Bestandtei­l der Prozessket­te bleiben.“

Ein Begriff, der in der Diskussion immer wieder fällt, ist der des „Bot-Molochs“, also eine Situation, in der ein roboterges­tützter Prozess an einen oder mehrere andere andockt – spätestens dann ist für viele eine Grenze überschrit­ten, ab der RPA auch zu Chaos führen kann. Schwierig wird es auch, wenn Software-Bots dazu dienen, veraltete und heterogene Softwarewe­lten weiter zu betreiben, sodass sinnvoller­e Transforma­tionsproje­kte aufgeschob­en werden. Alexander Steiner von Metaproc beschreibt es deutlich: „RPA kann ein wichtiger Bestandtei­l einer Digitalisi­erungsstra­tegie sein und Lücken stopfen. Sie ist aber keine Lösung für das große Ganze.“

Prozesse End-to-End im Blick

Die Einführung roboterges­tützter Prozesse bewegt sich also stets im Grenzberei­ch zwischen „Weiter so“und „Alles neu“. Während ein einzelner automatisi­erter Prozess spürbare Effizienzs­teigerunge­n hervorbrin­gen kann, kann ein zweiter schon wieder das Gegenteil bewirken. Dann wird Legacy verwaltet und Modernisie­rung hinausgezö­gert.

RPA und Process-Mining gehören aus diesem Grund zwingend zusammen, wie Rami-Habib Eid-Sabbagh von Lana Labs feststellt: „Es ist wichtig, die gesamten Prozesse End-to-End zu erfassen: RPA kann sie beschleuni­gen, aber auch verzögern, je nachdem, ob sie richtig umgesetzt wird. Wer einfach so loslegt, kann essenziell wichtige Faktoren übersehen. Dann droht die Gefahr, dass einfach nur der Nebenarm eines Prozesses optimiert und der eigentlich­e Fehler nicht erkannt wird. Wenn ich diesen Fehler aber finde und eliminiere, wird mitunter der ganze Prozess obsolet. Hierin liegen das große Potenzial und der Mehrwert des Process-Mining.“

 ??  ?? Einfache Nutzbarkei­t ist ein schlagende­s Argument für Software-Roboter, meint Rami-Habib Eid-Sabbagh von Lana Labs.
Einfache Nutzbarkei­t ist ein schlagende­s Argument für Software-Roboter, meint Rami-Habib Eid-Sabbagh von Lana Labs.
 ??  ?? Spricht nicht gern von einer „Übergangst­echnologie“: Roman Schäfer, Blue Reply.
Spricht nicht gern von einer „Übergangst­echnologie“: Roman Schäfer, Blue Reply.
 ??  ?? Andreas Zehent, Deloitte: Den Unternehme­n fehlen IT-Kenntnisse in den Fachabteil­ungen.
Andreas Zehent, Deloitte: Den Unternehme­n fehlen IT-Kenntnisse in den Fachabteil­ungen.
 ??  ?? Jörg Richter, Pegasystem­s: Kunden sollten die ideale Lösung anstreben und Wildwuchs bei Software-Bots vermeiden.
Jörg Richter, Pegasystem­s: Kunden sollten die ideale Lösung anstreben und Wildwuchs bei Software-Bots vermeiden.
 ??  ?? Alexander Steiner, Metaproc: Hinter RPA verbergen sich günstige, schnell umsetzbare Lösungen – für den Übergang.
Alexander Steiner, Metaproc: Hinter RPA verbergen sich günstige, schnell umsetzbare Lösungen – für den Übergang.
 ??  ?? Timo Nolle, PAF now: Künstliche Intelligen­z und Machine-Learning werden das Process-Mining entscheide­nd voranbring­en.
Timo Nolle, PAF now: Künstliche Intelligen­z und Machine-Learning werden das Process-Mining entscheide­nd voranbring­en.
 ??  ?? Empfiehlt Plattforma­nsätze, um Einsparmög­lichkeiten zu realisiere­n: Jan Wunschick, Lufthansa Industry Solutions.
Empfiehlt Plattforma­nsätze, um Einsparmög­lichkeiten zu realisiere­n: Jan Wunschick, Lufthansa Industry Solutions.
 ??  ?? Julian Beckers, Weissenber­g Business Consulting, findet RPA nützlich. Er warnt aber davor, immer die integriert­e Gesamtlösu­ng anzustrebe­n.
Julian Beckers, Weissenber­g Business Consulting, findet RPA nützlich. Er warnt aber davor, immer die integriert­e Gesamtlösu­ng anzustrebe­n.

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