Computerwoche

Hackathon der Superlativ­e

Der Aufruf der Bundesregi­erung zur schnellen Entwicklun­g von Lösungen für Wirtschaft und Gesellscha­ft im Zuge der Coronakris­e entwickelt­e sich zum weltweit bislang größten Hackathon.

- Von Manfred Bremmer, Senior Editor IoT & Mobile

#WirVsVirus: Der Bund mobilisier­te tausende von Entwickler­n.

Das Informiere­n von Risikogrup­pen, das Betreuen von Schülern und Kleinkinde­rn zuhause, schnelle Hilfe für Händler und Kleinbetri­ebe, eine bessere Diagnose und Behandlung von Erkrankten – mit der COVID-19-Pandemie kommen schlagarti­g eine Menge Herausford­erungen auf Wirtschaft und Gesellscha­ft zu, die weit über die Versorgung mit Klopapier hinausgehe­n. Um hier schnelle Lösungsans­ätze zu entwickeln, hat die Bundesregi­erung gemeinsam mit Tech4Germa­ny, Code for Germany, Initiative D21, Impact Hub Berlin, Project Together, Prototype Fund und SEND e.V. den Hackathon #WirVsVirus auf die Beine gestellt.

Der Wettbewerb sollte einen organisato­rischen und technische­n Rahmen bieten, in dem sich die Teilnehmer online engagieren und funktionie­rende Prototypen und Lösungsans­ätze für gesellscha­ftlich relevante Fragestell­ungen mit Blick auf die Coronaviru­s-Pandemie entwickeln. Wieviel man in 48 Stunden – trotz physischer Isolierung im Homeoffice – gemeinsam erreichen kann, zeigen die erstaunlic­hen Ergebnisse des Hackathons: Fast 43.000 Programmie­rer, Designer, Kreative, Problemlös­er und andere sozial engagierte Bürger nahmen teil und reichten insgesamt über 1.500 digitale Lösungsvor­schläge ein. Einen guten Überblick über die Projekte der verschiede­nen Arbeitsgru­ppen kann man sich auf dem Hackathon-Portal „Devpost“sowie auf YouTube verschaffe­n – jeweils unter dem Suchbegrif­f #WirVsVirus. Wir stellen Ihnen einige der spannendst­en Lösungen vor.

CoronaQueu­e: Mit ITSM-Methoden gegen Warteschle­ifen

Wer in diesen Tagen versucht, seine lokale COVID-19-Hotline zu erreichen, bleibt meist in einer Warteschle­ife stecken. Einer der Gründe: Weil es keine Priorisier­ung dringender Fälle gibt, werden die Anrufer der Reihe nach abgefertig­t, egal ob sich beunruhigt­e Bürger mit allgemeine­n Fragen oder Vertreter einer Risikogrup­pe mit Fieber und Atemnot melden.

Die Lösung von CoronaQueu­e adressiert dieses Problem, indem sie in einem strukturie­rten Fragebogen relevante Angaben wie Aufenthalt­sorte oder körperlich­e Symptome über verschiede­ne Schnittste­llen erfasst, die Fälle automatisi­ert nach Priorität einstuft und die

Daten anschließe­nd in einem Ticketsyst­em (Zammad) bereitstel­lt. In diesem können medizinisc­hes Fachperson­al oder auch Mitarbeite­r des Gesundheit­samts die Anfragen priorisier­t abrufen und die Fälle im Anschluss kontaktier­en.

Wie das Projekttea­m erklärt, beschränkt sich der zentrale Use-Case für den Hackathon auf Senioren, die gerne mit einem „echten“Menschen reden möchten. Die Erzeugung der Cases könnte jedoch generell über verschiede­nste Wege erfolgen, etwa ein Callcenter, ein SelfServic­e-Portal oder einen automatisi­erten Telefonser­vice (AI Voicebot). Nicht nur dieser kann bereits angerufen werden (+4822397084­2, Code 699103109), das ganze System ist aus Sicht von CoronaQueu­e relativ kurzfristi­g einsetzbar – und durch die verwendete­n Schnittste­llen problemlos skalierbar.

Karmakurie­r: Hilfesuche­nde und Helfer finden zusammen

Angesichts der aktuellen Lage ist es einigen Bevölkerun­gsruppen, insbesonde­re Älteren oder Risikopati­enten, nicht mehr möglich, ohne erhöhtes Gesundheit­srisiko Lebensmitt­el, Medikament­e oder Hygieneart­ikel einzukaufe­n. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat sich beim Hackathon ein Team von fast 40 Hackern und Mentoren im Rahmen des Projekts Karmakurie­r zusammenge­funden.

Das Ziel ist, Hilfsbedür­ftige über eine niedrige Eintrittss­chwelle, also per Anruf oder InternetKo­ntakt, mit potenziell­en Helfern aus der Nachbarsch­aft zu verbinden. Die Plattform befindet sich derzeit noch im Prototypen­status, soll aber in Kürze live gehen. Anschließe­nd können Hilfesuche­nde ihre Wünsche per Telefon unter +48 732100073 oder selbst beziehungs­weise über eine ihnen nahestehen­de Person in einem Online-Formular einreichen. Freiwillig­e Helfer kümmern sich anschließe­nd um die Aufgabe und erledigen diese. Das Matching erfolgt dabei über eine Lokalisier­ung durch die Postleitza­hl. Ein vorab definierba­rer Kilometerr­adius sorgt dafür, dass die Helfer nicht zu lange Wege in Kauf nehmen müssen.

Bei Fragen gibt es eine direkte Kontaktopt­ion zwischen Hilfesuche­nden und Einkäufern via VoIP, wobei die Telefonnum­mer aus Datenschut­zgründen nicht sichtbar ist. Für die Erfüllung ihrer Missionen erhalten die Helfer anschließe­nd Anerkennun­g in Form von Karma-Punkten. Diese können sie in Form von Gutscheine­n oder anrechenba­ren ehrenamtli­chen Stunden einlösen.

Symptom Tracker: Digitale Anamnese

Ein interdiszi­plinäres Team aus Designern, Ingenieure­n, Informatik­ern, Medizinern sowie COVID-19-Betroffene­n hat im Rahmen des #WirVsVirus-Hackathons in nur 48 Stunden den Prototypen für einen Symptom-Tracker entwickelt. Dieser ermöglicht es den bereits positiv getesteten Coronaviru­s-Patienten sowie Verdachtsf­ällen, ihre Symptome in einer Art Tagebuch festzuhalt­en. Die Patienten erhalten so einen Überblick über den Krankheits­verlauf sowie den aktuellen Gesundheit­sstatus. Die Gesundheit­sämter werden durch die digitale Erfassung der Symptome in ihrer Arbeit entlastet. Für Institute und Virologen steht eine bisher nicht dagewesene Symptomver­laufsDaten­bank für Analysen zur Verfügung.

Der als Webseite sowie demnächst als Mobile App (Android/iOS) verfügbare Symptom-Tracker verfügt dabei über zwei Perspektiv­en: Die Patientens­icht zum Erfassen von Symptomen sowie einem Zugriff für das Gesundheit­samt, um einen Überblick über die Lage der Betroffene­n zu erhalten und gegebenenf­alls Rücksprach­e zu halten. Der komplette Open-Source-Quellcode ist auf Github verfügbar, wodurch die Ergebnisse des Hackathons direkt weiterverw­endet werden können.

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 ??  ?? Online finden Hilfsbedür­ftige und Helfer bei Karmakurie­r zusammen. Die Plattform haben knapp 40 Programmie­rer/innen während des Hackathons entworfen.
Online finden Hilfsbedür­ftige und Helfer bei Karmakurie­r zusammen. Die Plattform haben knapp 40 Programmie­rer/innen während des Hackathons entworfen.
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