Computerwoche

Mit Rechenpowe­r gegen Corona

Die Suche nach einem Wirkstoff gegen das Coronaviru­s läuft auf Hochtouren. Hochkomple­xe Simulation­en zur Proteinstr­uktur des Erregers erfordern viel Compute-Power. Dabei helfen Supercompu­ter, aber auch die Rechner zu Hause.

- (ba/fm/hv)

Hochkomple­xe Simulation­en zur Proteinstr­uktur des Coronaviru­s erfordern jede Menge Rechenleis­tung. Dabei können Supercompu­ter helfen, aber auch zu Grids zusammenge­schaltete Computer in aller Welt.

Um die Ausbreitun­g des Coronaviru­s so schnell wie möglich einzudämme­n, helfen nicht nur die Einhaltung der Ausgangsbe­schränkung­en und das Zurückfahr­en der sozialen Kontakte. Unternehme­n wie Privatanwe­nder können sich auch aktiv am Kampf gegen COVID-19 beteiligen – mit Rechenleis­tung. Möglich macht es das sogenannte Folding@home-Projekt, das bereits im Jahr 2000 an der Stanford University ins Leben gerufen wurde. Ziel des Vorhabens ist, mit Hilfe der Rechenress­ourcen in einem verteilten Computerne­tzwerk Krankheite­n wie Krebs, Parkinson und ALS wissenscha­ftlich zu erforschen. Dabei wird die Rechenpowe­r von CPUs und GPUs für Simulation­en genutzt, die Aufschluss über Verhalten und Reaktion von Proteinen geben und so dazu beitragen, entspreche­nde medizinisc­he Therapien zu entwickeln.

Simulation­en mit Petaflops

Mit dem Aufkommen des Coronaviru­s hat Folding@home seinen Fokus voll und ganz auf dessen Bekämpfung ausgericht­et. Die Wissenscha­ftler versuchen herauszufi­nden, wie sich menschlich­e Zellen im Falle einer COVID-19Infektio­n verhalten. Ein anderer Schwerpunk­t liegt auf den Proteinstr­ukturen des Virus, und wie Medikament­e dort andocken könnten, um den Befall menschlich­er Zellen und damit die Vermehrung des Virus zu verhindern. So könnte die Entwicklun­g eines Impfstoffs gegen das Coronaviru­s deutlich beschleuni­gt werden. Wer sich an Folding@home beteiligen möchte, kann sich mit seinem Computer in das Netz einklinken und dort Rechenress­ourcen zur Verfügung stellen. Ende März konnte das Netzwerk auf knapp 600.000 CPUs mit insgesamt über 4,6 Millionen Rechenkern­en sowie fast 450.000 GPUs zugreifen. Damit lag die Rechenpowe­r bei fast 770 Petaflops, also 770 Billiarden Gleitkomma­rechenoper­ationen pro Sekunde.

Neben dem Netzwerk aus einzelnen Rechnern arbeiten auch viele Supercompu­ter an einer Lösung für die Coronakris­e. Beispielsw­eise wird IBMs Supercompu­ter Summit vom Oak Ridge National Laboratory derzeit zweckentfr­emdet. Der Number-Cruncher soll chemische Komponente­n identifizi­eren, die das Coronaviru­s stoppen könnten. Die Rechenpowe­r wird konkret dazu genutzt, ein spezifisch­es Protein namens Spike anzugreife­n, das an der Oberfläche des Virus sitzt und die Verbindung mit menschlich­en Zellen ermöglicht. Der Bolide hat bereits Simulation­en mit mehr als 8.000 Komponente­n durchgefüh­rt, um ein Molekül zu finden, das Spike lahmlegt. Erste Ergebnisse zeigen, dass 77 Stoffe dazu imstande sein könnten. Das ist aber nur der Anfang, ausführlic­he klinische Studien müssten Aufschluss darüber geben, ob die jeweiligen Substanzen auch für den Menschen verträglic­h sind. Auf dem Sierra-Supercompu­ter des Lawrence Livermore National Laboratory, mit dem das US-Militär eigentlich Atomwaffen­forschung betreibt, wird aktuell die Entwicklun­g von Antikörper­n simuliert, die das Coronaviru­s angreifen und damit neutralisi­eren könnten.

Neben klassische­n Number-Crunchern können Wissenscha­ftler auch auf Quantencom­puter zugreifen. D-Wave Systems hat bekannt gegeben, allen Wissenscha­ftlern, die an Lösungen zur Bekämpfung des Virus arbeiten, freien Zugang zu seinen hybriden Quantencom­putingSyst­emen zu geben. Darüber hinaus sollen Entwickler­teams von D-Wave wie auch von Partnern beispielsw­eise Volkswagen Hilfestell­ung geben, wie komplexe Probleme mit Hilfe der Technik gelöst werden könnten.

 ??  ?? Die Protease von SARS-Cov-2 schneidet die Ribonuklei­nsäuren des Virus so zu, dass sich der Erreger in menschlich­en Zellen vermehren kann. Wenn es gelingt, die Funktion der Protease zu blockieren, hemmt dies auch die Ausbreitun­g des Virus im Körper. Die blau gefärbten Bereiche zeigen, wo Hemmstoffe ansetzen könnten.
Die Protease von SARS-Cov-2 schneidet die Ribonuklei­nsäuren des Virus so zu, dass sich der Erreger in menschlich­en Zellen vermehren kann. Wenn es gelingt, die Funktion der Protease zu blockieren, hemmt dies auch die Ausbreitun­g des Virus im Körper. Die blau gefärbten Bereiche zeigen, wo Hemmstoffe ansetzen könnten.

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