Homeoffice in der Praxis
Wie organisieren Unternehmen die Zusammenarbeit, wenn ihre Mitarbeiter im Homeoffice sitzen, ihre Kinder betreuen und mit Kunden und Kollegen nicht mehr persönlich in Kontakt treten können? Wir haben nachgefragt.
Viele Unternehmen sind dabei, die virtuelle Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter untereinander und mit Externen zu organisieren. Wir haben uns nach den Erfahrungen erkundigt.
Arbeiten die Beschäftigten von zuhause aus, sind Führungskräfte wie Mitarbeiter gefordert. Neben der technischen Infrastruktur für das Homeoffice und die Bereitstellung von Collaboration-Plattformen geht es vor allem um das gelebte virtuelle Zusammenarbeiten, das nun über einen längeren Zeitraum funktionieren soll. Selbst erfahrene Home-Worker stellt die Aussicht, sich über Wochen nicht mit anderen treffen zu können, vor Herausforderungen. Jeden Tag sind die Menschen neu aufgerufen, sich zu organisieren und ihre Arbeit zu strukturieren. Führungskräften kommt eine Schlüsselrolle zu. Täglicher Kontakt über Mail, Telefon oder Messaging-Tools ist wichtig – ebenso das unmittelbare Feedback für Mitarbeiter und Teams.
Ist ein Mitarbeiter für längere Zeit nicht mehr physisch im Büro anwesend, verliert er mitunter das Gefühl, ein vollwertiges Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, sprich des Unternehmens, zu sein. Eugenio Pace, Chef des US-amerikanischen IT-Security-Unternehmens Auth0, vergleicht virtuelles Arbeiten „mit einem Besuch im Fitness-Studio. Man muss seinen eigenen Rhythmus und seine eigene Struktur finden, um Ergebnisse zu erzielen. Das kostet Zeit.“Jeder zweite der 600 Mitarbeiter von Auth0 arbeitet von jeher im Homeoffice. Durchhaltevermögen und Disziplin seien ebenso wichtig wie die Einsicht der Führungskräfte, sich auch um die Mitarbeiter in virtuellen Teams kümmern zu müssen: „Wir müssen sicherstellen, dass sie sich austauschen können und engagiert bei der Sache bleiben.“
„Wir können nicht zu viel kommunizieren“
Kerstin Wriedt, Managing Director BCW (Burson Cohn & Wolfe), stand 2019 vor der Herausforderung, ein durch eine Fusion entstandenes Agenturteam in Deutschland über fünf Büros zusammenzuführen. Die barrierefreie Zusammenarbeit und offene Kommunikation intern waren für sie Prioritäten. Seit dem 13. März arbeiten alle Mitarbeiter nur noch in der Cloud zusammen. Daten werden „On-the-fly“in die Cloud transferiert, um allen Zugriff auf ihre Arbeitsmaterialien zu geben.
Wriedts Zwischenbericht nach den ersten Tagen: „Die Leute nehmen die Situation sehr
ernst, packen an, geben Feedback, stellen Fragen, chatten oder rufen kurz an. Wann immer möglich mit Video – es freut und erfrischt einen, die vermissten Kolleginnen zu sehen.“Das erste Stand-up wurde daher ein umfangreicher Video-Call. „Wir haben in alphabetischer Reihenfolge unsere Updates gegeben und unsere Küchen, Wohnzimmer oder Arbeitszimmer bewundert.“Dass während des Video-Calls teils Kinder herumwuselten oder Großeltern an das bevorstehende Mittagessen erinnerten, sei als belebend und positiv empfunden worden.
„Die Eltern unter uns leisten in doppelter Hinsicht Großes im Moment“, sagt Wriedt. Ihr Eindruck: „Die Achtsamkeit füreinander und der Zusammenhalt wachsen in der Herausforderung. Gemeinschaft erleben ist wichtig, insbesondere für die Kollegen und Kolleginnen, die allein leben.“So trafen sich verschiedene Teams am Welttag des Frühstücks (19. März) virtuell, Kollegen teilen Yoga-Hacks, verabreden sich auf eine virtuelle Tasse Kaffee. „So, wie sie es sonst im Büro getan hätten“, so die Managerin.
Als Führungskraft achtet Wriedt darauf, die Leute, mit denen sie eng zusammenarbeitet, jeden Tag zu sehen und zu sprechen: „Wir können in diesen Tagen nicht zu viel kommunizieren, mehrfache Updates und Guidance bei aufkommenden Themen sind wichtig. Klarheit in der Information ist genauso essenziell wie zwischendrin ein bisschen Herumwitzeln oder das Teilen von Erfolgen.“Noch sind die Tage durch die Calls und Abstimmungen etwas aus dem Rhythmus. Darum hat sich die Managerin vorgenommen: „die Mittagspause fest einzuplanen und solange es möglich ist, am Abend einen längeren Lauf oder Spaziergang zu machen.“
Pausen und Auszeiten sind gerade im Homeoffice wichtig, wo die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmen und viele oft kein Arbeitsende finden. Wriedt legt eine feste Mittagspause ein, Marc Pantalone vom ITDienstleister HWS bevorzugt mehrere kleine
Unterbrechungen. „Es entspannt mich zum Beispiel, einfach nur fünf bis zehn Minuten auf meiner Couch zu sitzen, in den Garten zu schauen und gemütlich einen Kaffee zu trinken“, sagt Pantalone. Solche Five-MinuteBreaks gäben ihm Raum für neue Gedanken.
Für Detlef Krause, General Manager und Area Vice President Deutschland bei Service Now, birgt die Homeoffice-Situation durchaus Gefahren – gerade für die Manager: „Da in Krisenzeiten der Kommunikationsbedarf besonders hoch ist, sind Führungskräfte gefährdet, sich zu verschleißen. Alles, was ich meinen Teammitgliedern mit auf den Weg geben kann, ist, dass sie die Zeit für sich, für Sport, Spaziergänge und die Familie strikt und transparent in ihren Kalender einplanen sollten.“
Lutz Hirsch, CEO von der Intranet-Agentur Hirschtec, berichtet, dass er sich täglich in die digitalen Diskussionen im internen Social Network einklinke, sei es, um Feedback zu geben, oder um bei bestimmten Themen nachzufragen. So spürten die Mitarbeiter schnell, wo es aktuell noch Klärungsbedarf gibt. Und, das ist Hirsch ganz wichtig: „Auch digitales Loben funktioniert! Like-Daumen oder Smileys zeigen Wertschätzung für Ihre Mitarbeitenden und fördern den Teamgeist.“
Der CIO schickt Popcorn nach Hause
Der Personaldienstleister Randstad hielt sein Town-Hall-Meeting in Zeiten von Corona sicherheitshalber virtuell ab. Da deshalb notgedrungen auch das gemeinsame Essen und gemütliche Beisammensein ausfielen, schnürte CIO Carsten Priebs kurzerhand Päckchen, die SnackFood und allerlei Nützliches für die Belegschaft enthielten. So können sich Mitarbeiter auch mal entspannt mit Chips oder Popcorn zurücklehnen, wenn zum Schluss der Veranstaltung ein Video mit dem Erreichten der letzten Monate gezeigt wird. Priebs: „Spaß und Freundlichkeit hören auch in Zeiten von Corona nicht auf.“