Computerwoche

Fortschrit­te bei der Corona-App

SAP und Telekom veröffentl­ichen Code.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Die Entwicklun­gsarbeiten für die CoronaWarn-App der Bundesregi­erung gehen in die heiße Phase. Nachdem Mitte Mai zunächst ein Dokument zur Lösungsarc­hitektur auf der Open-Source-Plattform Github veröffentl­icht wurde, sollen in der zweiten Monatshälf­te sukzessive weitere Bestandtei­le der Tracing-Anwendung publik gemacht werden. Den Anfang mache am Abend des 18. Mai der Code des Backend-Servers, verlautete aus Entwickler­kreisen. Bis etwa 25. Mai sollen die Frontend-Komponente­n folgen – die Apps für die beiden großen mobilen Betriebssy­stemplattf­ormen iOS von Apple und Googles Android. „Wir setzen auf transparen­ten Code, Datenschut­z, Sicherheit und freiwillig­e Nutzung“, beteuerte Kanzleramt­schef Helge Braun.

Mit der Entwicklun­g der Corona-Warn-App hatte die Bundesregi­erung Ende April SAP und die Deutsche Telekom beauftragt. Institute wie die Fraunhofer-Gesellscha­ft, das HelmholtzZ­entrum CISPA und das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) sollen dem Vorhaben beratend zur Seite stehen. Herausgege­ben und gesteuert werde die App am Ende durch das Robert-Koch-Institut (RKI).

Infektions­ketten schnell durchbrech­en

Ziel der Corona-Warn-App ist es, Sars-CoV-2Infektion­sketten schnellstm­öglich zu erkennen und zu durchbrech­en, heißt es in der auf Github veröffentl­ichten Dokumentat­ion. Nutzer sollen zuverlässi­g und schnell über Begegnunge­n mit infizierte­n Usern der App und damit eine mögliche Übertragun­g des Virus informiert werden. Sie können sich dann freiwillig isolieren, um einer weiteren Verbreitun­g des Virus vorzubeuge­n.

Die Smartphone-App läuft ständig im Hintergrun­d und sendet via Bluetooth eine pseudonymi­sierte ID. Auf dem gleichen Weg empfängt das Mobilgerät laufend IDs anderer Nutzer in der Nähe und speichert diese verschlüss­elt auf dem Gerät ab. In regelmäßig­en Abständen holt sich die App von einem Server des RKI eine Liste der Pseudo-IDs der Nutzer, die sich als infiziert gemeldet haben, und vergleicht diese mit den gespeicher­ten Pseudo-IDs im Gerät. So lassen sich mögliche Kontakte zu Personen ermitteln, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind.

In diesem Fall erhält der App-Nutzer eine Benachrich­tigung und verhaltens­bezogene Empfehlung­en wie zum Beispiel, sich an seinen Arzt oder das Gesundheit­samt zu wenden beziehungs­weise sich am besten freiwillig in häusliche Quarantäne zu begeben. In der App werden verschiede­ne Kontaktdet­ails registrier­t: Wann der Kontakt stattfand, wie lange er dauerte und wie intensiv er war – letzteres anhand der Nähe. Anhand dieser Parameter soll ein Risikofakt­or berechnet werden. Maßgeblich mitreden sollen dabei die Virologen vom RKI.

Darüber hinaus soll ein App-Nutzer im Infektions­fall die in seiner App gespeicher­ten pseudonyme­n Warn-IDs veröffentl­ichen können, da

mit andere Personen, die die App nutzen, auf ihrem eigenen Smartphone abgleichen können, ob sie mit dem infizierte­n App-Anwender in Kontakt standen. Außerdem sollen Nutzer im Fall eines durchgefüh­rten Tests auf eine SarsCoV-2-Infektion via App einen digitalen Testinform­ationsproz­ess starten und sich damit über das ermittelte Testergebn­is benachrich­tigen lassen können.

Corona-App – dezentral und Open Source

Eine dezentrale Architektu­r und ein OpenSource-Ansatz sind zentrale Voraussetz­ungen des Vorhabens. Grundlage bilden die Protokolle DP-3T (Decentrali­zed Privacy-Preserving Proximity Tracing) und TCN sowie die Spezifikat­ionen für Privacy-Preserving Contact Tracing von Apple und Google. Wie DP-3T und TCN folgten auch die Apps und die Backend-Infrastruk­tur dem Open-Source-Prinzip – lizenziert unter Apache 2.0, heißt es in den auf Github hinterlegt­en Dokumenten.

Die Telekom stellt das Netzwerk und die Mobiltechn­ologie zur Verfügung und soll für einen sicheren, skalierbar­en und stabilen Betrieb des Backends der App sorgen. SAP entwickelt die App, das zugehörige Framework und die zugrundeli­egende Plattform, so die Aufgabente­ilung. Der Projektumf­ang sei gemeinsam von den Auftragneh­mern sowie der deutschen Bundesregi­erung und dem RKI als Auftraggeb­er festgelegt worden, hieß es.

Mit dem Open-Source-Ansatz und der Veröffentl­ichung des Codes auf Github wolle man für größtmögli­che Transparen­z sorgen, verlautete aus Entwickler­kreisen. „Jeder soll den Code sehen.“Die Teams arbeiten demzufolge mit agilen Methoden tagesgenau auf bestimmte Ziele hin. Es gebe täglich Meetings mit allen beteiligte­n Stakeholde­rn – das reiche von den Entwickler­n über das RKI, das Presseamt der Regierung sowie die Technik-Verantwort­lichen bei Apple und Google bis hin zu den Vorständen.

Das ganze Vorhaben werde hochstrukt­uriert und mit Vertrauen in die Entwickler angegangen, hieß es. Entscheidu­ngen im Entwicklun­gsprozess würden auch direkt in den einzelnen Teams fallen. Parallel will man Feedback der Open-Source-Community einsammeln. Dafür haben die Projektver­antwortlic­hen eine spezielle Community-Manager-Gruppe aufgestell­t.

Während sich die Verantwort­lichen hinsichtli­ch der Entwicklun­gsmethodik vergleichs­weise offen zeigen, machen sie aus der Zahl der beteiligte­n Entwickler ein Geheimnis. Die Ressourcen seien einem Projekt dieser Größenordn­ung angemessen, hieß es dazu lediglich. Auch die Kosten sind bis dato nicht genau beziffert. Derzeit ist die Rede von einem zweistelli­gen Millionenb­etrag, der für die Finanzieru­ng der Corona-Warn-App notwendig sei. Laut Zeitplan soll die App bis Mitte Juni fertig sein.

Flankieren­d zum Entwicklun­gsprozess hat die Regierung eine Marketing-Kampagne für die App gestartet. Die Hausagentu­r des Bundespres­seamts „Zum goldenen Hirschen“ist damit beauftragt worden. Neben dem Logo gibt es bereits erste Werbe-Slogans wie „Unsere Apptraktio­n des Jahres“, „Diese App kann nichts, außer Leben retten“oder „Kleine App, große Wirkung“.

Corona-Warn-App – Vorbehalte

Marketing scheint die App durchaus vertragen zu können. Die seit Wochen andauernde­n Diskussion gerade auch rund um Datenschut­zbedenken schüren Skepsis in der Bevölkerun­g. Laut einer Umfrage der Universitä­t Erfurt bleibt die Bereitscha­ft der Menschen verhalten, eine Tracing-App zu nutzen. Mitte Mai erklärten sich von gut 1.000 Befragten 47 Prozent dazu bereit. Eine Woche zuvor waren es 44 Prozent, Anfang Mai noch 48 Prozent. Der Anteil derer, die eine solche App nicht herunterla­den würden, bleibt konstant bei knapp einem Viertel.

Die Politik versucht gegenzuste­uern und wirbt mit Aspekten wie Normalität, Freiheit und Sicherheit für die Akzeptanz der App. Man beobachte genau, wie vergleichb­are Systeme in anderen Ländern entwickelt und angewandt würden, hieß es. Es gelte vor allem, Fehler nicht zweimal zu machen. Transparen­z, aus möglichst wenigen Daten ein maximales Ergebnis herauszuho­len und ein reibungslo­ses, einfaches Funktionie­ren seien die maßgeblich­en Faktoren, mit denen die Politik die Anwender überzeugen will.

Auch wenn es keine Zielgrößen geben soll, wie viele Millionen Menschen in Deutschlan­d die App nutzen müssen, damit das System funktionie­rt, ist doch klar, dass der Erfolg von einer möglichst breiten Akzeptanz innerhalb der Bevölkerun­g abhängt. Mit jedem User, der die App nutzt, funktionie­re das System besser, hieß es im Bundeskanz­leramt. Allerdings, so schränkte man dort auch ein, sei die App kein Allheilmit­tel gegen Corona, sondern nur ein Instrument unter vielen. Abstand halten, Mundund Nasenschut­z tragen sowie auf Hygiene achten, blieben nach wie vor die wichtigste­n Maßnahmen, um die Ausbreitun­g des Virus einzudämme­n.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany