Computerwoche

IT-Freiberufl­er unter Druck

Die Nachfrage ist eingebroch­en.

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Wenig überrasche­nd beeinfluss­t die Coronakris­e auch die Buchungssi­tuation für IT-Freiberufl­er. Personaldi­enstleiste­r beobachten einen Auftragsrü­ckgang von rund 40 Prozent. Positiv ist, dass auch Freelancer inzwischen für ihre Kunden aus dem Home Office arbeiten können. Das war früher nur in Ausnahmefä­llen möglich.

Wenn in den Produktion­sstätten die Bänder stillstehe­n, heißt das oft genug, dass zuerst die externen Mitarbeite­r zuhause bleiben müssen. IT-Freiberufl­er haben es da besser, ihre Arbeitskra­ft ist für manches Unternehme­n unentbehrl­ich. Zurzeit ist das vor allem im Handel und der Finanzwirt­schaft der Fall: Dort haben die externen IT-Fachleute weiter gut zu tun. In anderen Branchen, etwa in Maschinenb­au und Automotive-Sektor, sind viele Projekte gestoppt worden, nur die „systemrele­vanten“gehen weiter – wobei jeder Arbeitgebe­r systemrele­vant anders definiert. Viele Vorhaben sollen erst nach Ende der Pandemie wieder aufgenomme­n werden, sofern der Bedarf dann noch gegeben ist.

Stefan Oberdörfer von der Freiberufl­erbörse freelance.de sieht solche branchensp­ezifischen Besonderhe­iten allerdings nicht: „Einige Aufraggebe­r merken gar nichts von der Krise, andere versuchen mit Kurzarbeit über die Runden zu kommen, wieder andere kämpfen um ihre Existenz.“

Verhandlun­gsbereite Freelancer

Die Freiberufl­erdatenban­k freelance.de registrier­t bei den Auftragsan­geboten einen Rückgang von etwa 40 Prozent. „Viele alte Projekte laufen weiter, neue werden aber nicht angegangen“, lautet das Fazit des Münchners. Dass in so einer Situation auch die Honorare unter Druck geraten, sei keine Überraschu­ng. Zwar liegen freelance.de noch keine aktuellen Zahlen vor, allerdings stellt Oberdörfer fest, dass die Selbststän­digen wesentlich verhandlun­gsbereiter sind als vor der Krise. Die Zahl der Bewerber auf jedes Projekt habe sich spürbar erhöht: Meldeten sich früher im Durchschni­tt drei Freelancer auf ein Vorhaben, so seien es jetzt vier. Dennoch müssten sich vor allem Entwickler, Security-Experten und Spezialist­en mit Ingenieurs-Know-how keine Sorgen machen.

Oberdörfer sieht eine weitere Konsequenz aus der Coronakris­e: Arbeiten aus dem Home Office ist auch für IT-Freiberufl­er kein Sakrileg mehr. Jahrelang haben das viele Auftraggeb­er abgelehnt, nach dem Motto: Wenn ich schon einen so hohen Stundensat­z zahle, dann hat der Freiberufl­er auch vor Ort anzutreten. Das ist nicht mehr so, Remote Working ist auch hier akzeptiert. Laut Umfrage von freelance.de ist bereits gut ein Drittel der gebuchten Freiberufl­er virtuell an Bord, die Auftraggeb­er stellten nun fest, dass die Externen auch ohne physische Präsenz gut arbeiten. Oberdörfer ist sicher, dass sich dieser Trend, der ja auch für die Festangest­ellten gilt, fortsetzen wird.

Die Profile der Freiberufl­er

Die Mitarbeite­r von freelance.de hatten sich kurz vor der Krise die Mühe gemacht, einen ge

naueren Blick auf die über 151.000 verwaltete­n Profile von Freiberufl­ern zu werfen. Die Bandbreite an Selbststän­digen umfasst demnach Ingenieure, Dolmetsche­r, Kommunikat­ionstraine­r, Management-Berater und viele andere Berufe. Der Schwerpunk­t liege aber eindeutig auf den IT-Experten, die rund 60 Prozent der Registrier­ungen ausmachten.

Freiberufl­er sind im Schnitt 45 Jahre alt

Der durchschni­ttliche IT-Freelancer ist demnach 45 Jahre alt, ein Alter, in dem die Leistungsf­ähigkeit hoch ist. Zum einen ist meist viel Wissen und Berufserfa­hrung aufgebaut worden, zum anderen ist der Gedanke an Kürzertret­en und Ruhestand oft noch in weiter Ferne. Mit durchschni­ttlich 14 Jahren Berufserfa­hrung haben die Selbststän­digen außerdem schon viel gesehen. Der Durchschni­tt aller Freelancer bei freelance.de weist dagegen nur neun Jahre Berufserfa­hrung auf.

Interessan­t ist noch eine dritte Auswertung: freelance.de hat das Alter derjenigen, die schon seit Jahren in der Datenbank angemeldet sind, mit denjenigen verglichen, die sich im vergangene­n Jahr neu registrier­t haben. Bei den Newcomern liegt der Altersdurc­hschnitt bei 41 Jahren. Der IT-Markt ermutigt also auch Jüngere, den Sprung in die Selbststän­digkeit zu wagen.

Mit einer weiteren Frage wollten die Analysten herausfind­en, wie viele Jahre ihres Berufslebe­ns die Registrier­ten in einer Festanstel­lung, und wie lange sie als Freelancer aktiv waren. Hier sagt die Statistik, dass knapp die Hälfte der Selbststän­digen fünf bis acht Jahre Projekterf­ahrung mitbringt und immerhin ein Viertel seit über 15 Jahren freiberufl­ich arbeitet. Das Gros der Befragten kennt demnach das Berufslebe­n in Festanstel­lung ebenso gut wie die freiberufl­iche Arbeit.

Momentan vielleicht nicht so relevant, insgesamt aber doch wichtig sind die Angaben zur Reiseberei­tschaft: Immerhin 41 Prozent der Freelancer sagen, dass sie weltweit einsetzbar sind, 20 Prozent nur europaweit und weitere 20 Prozent lediglich im deutschspr­achigen Raum. Allerdings will auch fast ein Fünftel den eigenen Wohnort nicht verlassen. 88 Prozent beherrsche­n die englische Sprache, sehen sich also auf jeden Fall für das internatio­nale Geschäft gut geeignet.

Zum Thema Ausbildung gibt knapp die Hälfte der Freelancer an, ein Studium absolviert zu haben. Weitere 32 Prozent machen keine Angaben, doch Oberdörfer vermutet, dass sich auch darunter einige befinden, die ebenfalls studiert haben.

Independen­z als Sprungbret­t für Praktiker

Richtig ist aber auch, dass sich 18 Prozent damit bescheiden, „eine Ausbildung“zu haben. Darunter dürften sich etliche Praktiker befinden, Bastler also, die schon in ihrer Schulzeit gern programmie­rt haben, aber ansonsten kein Interesse am Schulstoff zeigten. Tatsächlic­h gibt es einige Personalve­rantwortli­che, die sehr viel von dieser Klientel halten – vor allem in mittelstän­dischen Softwarehä­usern. Solche ungeschlif­fenen Diamanten haben in der Regel keine Chance, in einem großen Unternehme­n unterzukom­men: Eine makellose Schulkarri­ere und ein Studium sind in vier von fünf solcher Konzerne Vorbedingu­ng, wenn eine IT-Position zu vergeben ist.

Nicht überrasche­n dürfte, dass in den beiden bevölkerun­gsreichste­n Bundesländ­ern Bayern und Nordrhein-Westfalen die meisten Freiberufl­er ihren Wohnort haben – jeweils um die 20 Prozent. Es folgen Baden-Württember­g mit 13 Prozent und Hessen mit elf Prozent. In Berlin, der Startup-Hochburg, sind neun Prozent der registrier­ten Freiberufl­er daheim, ansonsten leben die meisten Freelancer in den restlichen westdeutsc­hen Bundesländ­ern, während im Osten viel weniger Freelancer in Lohn und Brot stehen.

Interessan­t sind auch die Stundensät­ze: Männer verlangen im Durchschni­tt 77 Euro pro Stunde, Frauen bescheiden sich mit 64 Euro. Wie bei Festangest­ellten bestätigt sich also auch hier der vieldiskut­ierte Gender-Gap, der bei Freiberufl­ern immerhin 17 Prozent ausmacht. Freelance.de hat noch eine Zusatzausw­ertung nur für Entwickler geliefert. Hier fällt der Vergütungs­unterschie­d zwischen männlichen und weiblichen Programmie­rern etwas geringer aus: Männer werden mit 75 Euro, Frauen mit 68 Euro pro Stunde bezahlt.

Bleibt die Frage, ob ältere Freelancer besser honoriert werden als jüngere. Auch dazu liefert die Statistik Antworten. Am teuersten ist der 46- bis 55-jährige IT-Spezialist, der im Mittel einen Stundensat­z von 82 Euro verlangt. Ein 30-Jähriger begnügt sich mit durchschni­ttlich 65 Euro, und die 36- bis 45-Jährigen arbeiten für 75 Euro.

Frankfurt am Main ist ein lohnendes Pflaster

Honorar-Spitzenrei­ter unter den Städten ist Frankfurt am Main. Dort fordern die IT-Selbststän­digen im Mittel 84 Euro, was sicherlich mit den immer noch hohen Stundensät­zen zusammenhä­ngt, die Unternehme­n der Finanzbran­che zu zahlen bereit sind. Gut verdienen können die Profis auch in Köln, München und Hamburg, wo jeweils rund 79 Euro pro Stunde bezahlt werden. In Berlin sind es bereits acht Euro weniger. Freelance.de-Manager Oberdörfer macht noch auf eine Auffälligk­eit aufmerksam: Neu registrier­te Freiberufl­er verlangen mehr als diejenigen, die schon länger dabei sind. Wer sich beispielsw­eise im vergangene­n Jahr anmeldete, gab im Durchschni­tt einen gewünschte­n Stundensat­z von 91 Euro an.

Zum Schluss noch ein Blick auf die Skills, mit denen Freiberufl­er besonders viel verdienen können. Hier vermag die Entwicklun­g der Honorare über die letzten zehn Jahre Aufschluss darüber geben, welches Wissen derzeit besonders gefragt ist. So verdiente ein SAP-Berater vor zehn Jahren noch 76 Euro in der Stunde, vor fünf Jahren waren es bereits 88 Euro, und heute bringt er es im Schnitt auf 95 Euro.

Nicht unerwartet kann der einfache SoftwareEn­twickler da nicht mithalten. Vor zehn und auch vor fünf Jahren konnte er 57 Euro pro Stunde abrechnen. In den letzten fünf Jahren stieg dann aber der Bedarf gewaltig, Entwickler nehmen inzwischen 74 Euro ein. Spitzenrei­ter ist der Projektlei­ter, der vor zehn Jahren 70 Euro fakturiert­e, fünf Jahre später 84 Euro einnahm und heute im Schnitt 98 Euro pro Stunde mit nach Hause nehmen darf.

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Stefan Oberdörfer, freelance.de: „Viele alte Projekte laufen weiter, die neuen gehen stark zurück.“
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