Was macht das Home Office mit uns?
Im Home Office trotzen Unternehmen weltweit allen Widrigkeiten der Krise. Doch darin vorschnell den Heiligen Gral der neuen Arbeitswelt zu sehen, birgt auch Risiken.
Es ist gerade einmal gut drei Monate her: Die Coronakrise warf binnen weniger Tage sämtliche Gewohnheiten unseres Arbeitsalltags über den Haufen. Konferenzen und Messen wurden abgesagt, Geschäftsreisen gecancelt, Bürotürme geschlossen, und Heerscharen von Mitarbeitern wanderten ins Home Office. Zugegeben – der Umzug funktionierte vielerorts ohne große Reibungsverluste. Dank IT-Unterstützung geht die Office-Arbeit auch am Küchentisch oder auf der Terrasse gut von der Hand. So gut, dass immer mehr verantwortliche Manager begannen, das Hohelied auf eine großartige neue Arbeitswelt im Home Office zu singen. Firmen wie Twitter wollen ihre Mitarbeiter dauerhaft nach Hause schicken. Andere überlegen bereits, welche Niederlassungen und Büros geschlossen werden können.
Doch Schnellschüsse bergen auch Risiken. Das alte Dogma einer wohlstrukturierten Büro-Organisation vorschnell durch ein neues Dogma eines angeblich kreativen und freien Home Office zu ersetzen, ist riskant. Microsoft-Chef Satya Nadella warnte kürzlich davor, dass in der schönen neuen Arbeitswelt ein Großteil des sozialen Kapitals einer Gesellschaft einfach verpuffen könnte. Arbeit von zuhause habe ernsthafte Konsequenzen für die psychische Gesundheit und die soziale Interaktion, glaubt der Manager. Tatsächlich versuchen viele Betriebe gegenzusteuern, indem virtuelle Kaffeeküchen eingerichtet sowie digitale Treffen und Events geplant werden und das Feierabendbier am Heimarbeitsplatz via Videokonferenz geteilt wird. Doch Zweifel sind angebracht, ob es funktioniert, Altgewohntes aus der physischen Welt einfach ins Digitale zu übertragen. Vielleicht müssen sich im Virtuellen erst neue Formen der sozialen Interaktion entwickeln. Ob und wie Gesellschaften, Betriebsorganisationen und jeder einzelne von uns damit zurechtkommen, muss sich erst noch zeigen.