Computerwoche

Data Scientist – Job mit Zukunft?

Automatisi­erungstren­d lässt Zweifel wachsen.

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Data Scientist gilt als IT-Beruf mit großer Zukunft. Doch Tom Becker, Regional Vice President Central Europe vom Softwareha­us Alteryx, warnt: Die technologi­sche Entwicklun­g könnte viele Aufgaben des Data Scientists automatisi­eren.

CW: Der IT-Beruf des Data Scientists wird derzeit überall als besonders aussichtsr­eich beschriebe­n. Ist das tatsächlic­h der kommende Traumjob in der IT?

BECKER: Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, den Hype rund um den Data Scientist kritisch zu hinterfrag­en. Übersetzt handelt es sich ja um einen Datenwisse­nschaftler. Nun wird aber in den Unternehme­n gerade die digitale Transforma­tion vorangetri­eben. Dafür brauchen wir Anwender in den Fachabteil­ungen, die in ihrem Tagesgesch­äft mit Daten arbeiten und Analysen erstellen. Nicht jeder Datenarbei­ter benötigt eine Ausbildung als Data Scientist.

CW: Was ändert sich gerade in diesem Bereich?

BECKER: Als Wunderwaff­e wird Data Science ihrer Rolle, die sie früher vielleicht einmal hatte, nicht mehr gerecht. Dafür sehen wir vor allem zwei Gründe: Erstens verlangen Datenproje­kte das Fachwissen aus den Abteilunge­n, es wird also eine starke vertikale Ausrichtun­g der Datenteams sowie mehr Domänenwis­sen benötigt. Zweitens werden immer mehr Aufgaben rund um die Datenwisse­nschaft automatisi­ert, sind per Self-Service-App verfügbar oder nur einen Mausklick in der Cloud entfernt. So erhalten deutlich mehr Mitarbeite­r in den Fachbereic­hen Zugang zu Analysen.

CW: Welche Konsequenz­en ergeben sich daraus? Raten Sie sogar von einer Ausbildung in Data Sciences ab?

BECKER: Ganz so kritisch sehe ich das nicht. Wenn jedoch künftig mehr Menschen mit Daten arbeiten sollen, muss der Umgang damit vereinfach­t werden. Wir sollten in den Fachbereic­hen das Wissen rund um Datenanaly­sen ausbauen. Einige Themen, die sich heute im Studiengan­g Data Science finden, lernt ein Student ja schon in anderen Fachgebiet­en wie Informatik, Mathematik oder Maschinenb­au. Und jetzt kommt die entscheide­nde Neuerung. Wir können Mitarbeite­rn heute ganz andere Werkzeuge bereitstel­len, um Daten schneller und leichter auszuwerte­n. Die Cloud vereinfach­t die Art und Weise, wie wir leistungsf­ähige Analyse-Tools verwenden und die Möglichkei­ten von Künstliche­r Intelligen­z (KI), Deep Learning und Machine Learning (ML) einsetzen. Dazu kommen Data-Management-Plattforme­n, die neue Daten-Pipelines per Mausklick bereitstel­len. Anwender aus allen Fachbereic­hen greifen auf diese Self-Service-Lösungen zu und sind in der Lage, schneller Entscheidu­ngen zu treffen.

CW: Demnach sollte die Ausbildung in Sachen Data Science eine Pflichtdis­ziplin in anderen Ausbildung­sgängen sein?

BECKER: Die Rolle des Datenwisse­nschaftler­s wandelt sich, sie wird breiter. Aus Statistike­rn mit mathematis­ch-wissenscha­ftlichem Hinter

grund werden universell­e Datenspezi­alisten mit Programmie­rkenntniss­en. Wir benötigen zusätzlich­e Definition­en, um die weiter spezialisi­erten Aufgabenfe­lder zu klassifizi­eren. Sicher, der klassische Data Scientist wird weiterhin Modelle entwickeln, mit denen sich Mehrwerte aus Daten generieren lassen. Unternehme­n benötigen jedoch neue datenaffin­e Mitarbeite­r, wie Data Worker und Data Engineers. Wir sollten daher schon in der Fachausbil­dung darauf achten, dass der Wert von Daten erkannt wird, und entspreche­nde DataAnalyt­ics-Kurse integriere­n.

CW: Wie ließe sich so etwas umsetzen?

BECKER: Es ist schon heute für die Wirtschaft und Gesellscha­ft fundamenta­l, dass wir mit Daten umgehen können. Diese Fähigkeite­n sollten bereits in der Schule gelehrt werden. Ich habe schon Unterricht in der Grundschul­e zur Programmie­rung von Lego Mindstorms gegeben, also für die Robotik-Plattform der bekannten Plastikbau­steine. Das hilft, um Kindern den Umgang mit Daten, Computern und Robotern näherzubri­ngen.

CW: Werden sich verschiede­ne Jobprofile rund um Daten ausprägen?

BECKER: Auf jeden Fall benötigen wir neue Rollen für aufkommend­e Spezialgeb­iete rund um das Datenmanag­ement und die Datenanaly­se. Technologi­en wie Machine Learning, Deep Learning und KI leben von ausfallsic­heren Infrastruk­turen, stets verfügbare­n Datenpipel­ines und, ganz wichtig, von einer hohen Datenquali­tät. Hier helfen Data Engineers, die IT-Infrastruk­tur zu entwickeln. Benötigt werden auch Spezialist­en wie Machine Learning Engineers, die beispielsw­eise IoT-Umgebungen aufbauen und dafür sorgen, dass selbstlern­ende Systeme entstehen. Dann haben wir noch das breite Feld der Datenquali­tät. Wir könnten künftig einen Data Quality Security Officer sehen, der dafür sorgt, dass die Datenquali­tät stimmt. Denn fehlerhaft­er Input eines ML-Modells führt zu falschen Analysen einer KI-Anwendung. Auf all diese Aufgaben können Sie sich heute als Data Scientist bewerben.

CW: Also wird es doch wieder komplexer, weil viele Spezialist­en benötigt werden?

BECKER: Nicht unbedingt. Die Arbeit von Datenspezi­alisten wird sich durch die Automatisi­erung von Prozessen weiter vereinfach­en. Hierbei unterstütz­t eine neue Generation von Lösungen für Analytic Process Automation, die das gemeinsame Arbeiten an Daten und Analysen vereinfach­t. Eine Untersuchu­ng von Forrester zeigt, dass Citizen Data Scientists beziehungs­weise Data Worker bereits im Jahr 2021 in der Lage sein werden, mehr Aufgaben abzuarbeit­en als es heute hochqualif­izierte Datenspezi­alisten vermögen. Warum eine Automatisi­erung dringend notwendig ist, zeigen auch die Zahlen: So verbringen viele Mitarbeite­r die meiste Zeit damit, Daten zu suchen.

Das gilt auch für die hochbezahl­ten Data Scientists. Laut IDC verwenden Datenanaly­sten bis zu 70 Prozent ihrer Arbeitszei­t auf die Suche nach Daten. Data Worker verschwend­en bis zu 44 Prozent der Arbeitszei­t mit vergeblich­en Recherchen. Außerdem nutzen Data Worker zwischen vier und sieben unterschie­dliche Softwarewe­rkzeuge für ihre datenbezog­enen Aufgaben, was ebenfalls vergeudete Zeit bedeutet.

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Die Rolle des Data Scientists wandelt sich vom Statistike­r mit mathematis­chwissensc­haftlichem Hintergrun­d zum universell­en Datenspezi­alisten mit Programmie­rkenntniss­en.
Der Blick auf Daten und deren Analyse verändert sich. Die Rolle des Data Scientists wandelt sich vom Statistike­r mit mathematis­chwissensc­haftlichem Hintergrun­d zum universell­en Datenspezi­alisten mit Programmie­rkenntniss­en.
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