Data Scientist – Job mit Zukunft?
Automatisierungstrend lässt Zweifel wachsen.
Data Scientist gilt als IT-Beruf mit großer Zukunft. Doch Tom Becker, Regional Vice President Central Europe vom Softwarehaus Alteryx, warnt: Die technologische Entwicklung könnte viele Aufgaben des Data Scientists automatisieren.
CW: Der IT-Beruf des Data Scientists wird derzeit überall als besonders aussichtsreich beschrieben. Ist das tatsächlich der kommende Traumjob in der IT?
BECKER: Aus meiner Sicht ist es höchste Zeit, den Hype rund um den Data Scientist kritisch zu hinterfragen. Übersetzt handelt es sich ja um einen Datenwissenschaftler. Nun wird aber in den Unternehmen gerade die digitale Transformation vorangetrieben. Dafür brauchen wir Anwender in den Fachabteilungen, die in ihrem Tagesgeschäft mit Daten arbeiten und Analysen erstellen. Nicht jeder Datenarbeiter benötigt eine Ausbildung als Data Scientist.
CW: Was ändert sich gerade in diesem Bereich?
BECKER: Als Wunderwaffe wird Data Science ihrer Rolle, die sie früher vielleicht einmal hatte, nicht mehr gerecht. Dafür sehen wir vor allem zwei Gründe: Erstens verlangen Datenprojekte das Fachwissen aus den Abteilungen, es wird also eine starke vertikale Ausrichtung der Datenteams sowie mehr Domänenwissen benötigt. Zweitens werden immer mehr Aufgaben rund um die Datenwissenschaft automatisiert, sind per Self-Service-App verfügbar oder nur einen Mausklick in der Cloud entfernt. So erhalten deutlich mehr Mitarbeiter in den Fachbereichen Zugang zu Analysen.
CW: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Raten Sie sogar von einer Ausbildung in Data Sciences ab?
BECKER: Ganz so kritisch sehe ich das nicht. Wenn jedoch künftig mehr Menschen mit Daten arbeiten sollen, muss der Umgang damit vereinfacht werden. Wir sollten in den Fachbereichen das Wissen rund um Datenanalysen ausbauen. Einige Themen, die sich heute im Studiengang Data Science finden, lernt ein Student ja schon in anderen Fachgebieten wie Informatik, Mathematik oder Maschinenbau. Und jetzt kommt die entscheidende Neuerung. Wir können Mitarbeitern heute ganz andere Werkzeuge bereitstellen, um Daten schneller und leichter auszuwerten. Die Cloud vereinfacht die Art und Weise, wie wir leistungsfähige Analyse-Tools verwenden und die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI), Deep Learning und Machine Learning (ML) einsetzen. Dazu kommen Data-Management-Plattformen, die neue Daten-Pipelines per Mausklick bereitstellen. Anwender aus allen Fachbereichen greifen auf diese Self-Service-Lösungen zu und sind in der Lage, schneller Entscheidungen zu treffen.
CW: Demnach sollte die Ausbildung in Sachen Data Science eine Pflichtdisziplin in anderen Ausbildungsgängen sein?
BECKER: Die Rolle des Datenwissenschaftlers wandelt sich, sie wird breiter. Aus Statistikern mit mathematisch-wissenschaftlichem Hinter
grund werden universelle Datenspezialisten mit Programmierkenntnissen. Wir benötigen zusätzliche Definitionen, um die weiter spezialisierten Aufgabenfelder zu klassifizieren. Sicher, der klassische Data Scientist wird weiterhin Modelle entwickeln, mit denen sich Mehrwerte aus Daten generieren lassen. Unternehmen benötigen jedoch neue datenaffine Mitarbeiter, wie Data Worker und Data Engineers. Wir sollten daher schon in der Fachausbildung darauf achten, dass der Wert von Daten erkannt wird, und entsprechende DataAnalytics-Kurse integrieren.
CW: Wie ließe sich so etwas umsetzen?
BECKER: Es ist schon heute für die Wirtschaft und Gesellschaft fundamental, dass wir mit Daten umgehen können. Diese Fähigkeiten sollten bereits in der Schule gelehrt werden. Ich habe schon Unterricht in der Grundschule zur Programmierung von Lego Mindstorms gegeben, also für die Robotik-Plattform der bekannten Plastikbausteine. Das hilft, um Kindern den Umgang mit Daten, Computern und Robotern näherzubringen.
CW: Werden sich verschiedene Jobprofile rund um Daten ausprägen?
BECKER: Auf jeden Fall benötigen wir neue Rollen für aufkommende Spezialgebiete rund um das Datenmanagement und die Datenanalyse. Technologien wie Machine Learning, Deep Learning und KI leben von ausfallsicheren Infrastrukturen, stets verfügbaren Datenpipelines und, ganz wichtig, von einer hohen Datenqualität. Hier helfen Data Engineers, die IT-Infrastruktur zu entwickeln. Benötigt werden auch Spezialisten wie Machine Learning Engineers, die beispielsweise IoT-Umgebungen aufbauen und dafür sorgen, dass selbstlernende Systeme entstehen. Dann haben wir noch das breite Feld der Datenqualität. Wir könnten künftig einen Data Quality Security Officer sehen, der dafür sorgt, dass die Datenqualität stimmt. Denn fehlerhafter Input eines ML-Modells führt zu falschen Analysen einer KI-Anwendung. Auf all diese Aufgaben können Sie sich heute als Data Scientist bewerben.
CW: Also wird es doch wieder komplexer, weil viele Spezialisten benötigt werden?
BECKER: Nicht unbedingt. Die Arbeit von Datenspezialisten wird sich durch die Automatisierung von Prozessen weiter vereinfachen. Hierbei unterstützt eine neue Generation von Lösungen für Analytic Process Automation, die das gemeinsame Arbeiten an Daten und Analysen vereinfacht. Eine Untersuchung von Forrester zeigt, dass Citizen Data Scientists beziehungsweise Data Worker bereits im Jahr 2021 in der Lage sein werden, mehr Aufgaben abzuarbeiten als es heute hochqualifizierte Datenspezialisten vermögen. Warum eine Automatisierung dringend notwendig ist, zeigen auch die Zahlen: So verbringen viele Mitarbeiter die meiste Zeit damit, Daten zu suchen.
Das gilt auch für die hochbezahlten Data Scientists. Laut IDC verwenden Datenanalysten bis zu 70 Prozent ihrer Arbeitszeit auf die Suche nach Daten. Data Worker verschwenden bis zu 44 Prozent der Arbeitszeit mit vergeblichen Recherchen. Außerdem nutzen Data Worker zwischen vier und sieben unterschiedliche Softwarewerkzeuge für ihre datenbezogenen Aufgaben, was ebenfalls vergeudete Zeit bedeutet.