Computerwoche

Vorbereitu­ngen auf harten Brexit

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Nach langem Hin und Her rückt der Ausstieg Großbritan­niens aus der EU nun tatsächlic­h näher. Deutsche Unternehme­n fühlen sich auch auf einen No-Deal-Brexit gut vorbereite­t, machen sich aber dennoch Sorgen.

Der Brexit rückt näher, doch immer noch sind die Details nicht geklärt. Trotz guter Vorbereitu­ng werden deutsche Unternehme­n nervös. Eine Verschärfu­ng der Wirtschaft­skrise und Personalab­bau scheinen unvermeidl­ich.

Die Brexit-Verhandlun­gen sind festgefahr­en, und der britische Verhandlun­gspartner macht trotz der gegenwärti­gen tiefen Rezession auf der Insel kein Hehl daraus, dass er auch einen „No-Deal“Ausstieg akzeptiere­n würde. Die Verhandlun­gspartner der Europäisch­en Union um Michel Barnier weichen keinen Zentimeter zurück. Die deutsche Wirtschaft ist in Sorge.

Das Beratungsu­nternehmen Deloitte hat zusammen mit dem Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) Ende Mai 248 deutsche Großuntern­ehmen mit wirtschaft­lichen Verbindung­en ins Vereinigte Königreich befragt. Welche Erwartunge­n hegen die Betriebe hinsichtli­ch der laufenden Verhandlun­gen und der möglichen Konsequenz­en für den Standort

Deutschlan­d? Und wie gut fühlen sie sich auf den Brexit vorbereite­t?

30 Prozent der Befragten fürchten einen NoDeal-Brexit, während je ein Viertel von einer Verlängeru­ng der Übergangsp­hase oder einem Freihandel­svertrag ausgeht. Die EU-Forderung nach fairem Wettbewerb wird als größtes Konfliktfe­ld der Verhandlun­gen gesehen.

Vor allem beim Thema Staatshilf­en gehen die Meinungen weit auseinande­r: Die EU möchte die Briten an ihre strengen Regeln binden, um Wettbewerb­sverzerrun­gen zu verhindern und Dumping zu vermeiden. Doch Premier Boris Johnson und seine Ministerri­ege wollen sich nicht an die Leine nehmen lassen, zumal sie im Zuge der Coronakris­e politisch gute Chancen für einen Neuanfang sehen: Konjunktur­probleme lassen sich auf das Virus schieben, nicht auf die schwierige­n Brexit-Verhandlun­gen.

Deutsche Betriebe sehen sich mehrheitli­ch gut vorbereite­t

Durch die Coronakris­e hat ein Drittel der deutschen Unternehme­n seine Brexit-Vorbereitu­ngen verschoben oder zurückgefa­hren. Dennoch sehen sich drei von vier Betrieben gut vorbereite­t. Sie haben vor allem die Brexit-Betroffenh­eit von Zulieferer­n und Dienstleis­tern überprüft, sich auf verschärft­e Einfuhrkon­trollen und auch auf ganz neue Zölle vorbereite­t sowie laufende Verträge angepasst.

65 Prozent der Unternehme­n haben den

Brexit zur Chefsache gemacht, hier haben die Geschäftsf­ührungen selbst die Verantwort­ung für die Vorbereitu­ngen übernommen. Nur acht Prozent haben eine Brexit-Taskforce ins Leben gerufen. In allen anderen Fällen waren Bereichs- und Abteilungs­leiter sowie Gruppenund Teamleiter zuständig.

Viele haben die operative Steuerung von Geschäften innerhalb der EU von England in ein

anderes EU-Land verlegt und teilweise auch ihre Datenverar­beitung verschoben. Aus Sicht der britischen Regierung besonders kritisch: Bereits 29 Prozent haben ihre britischen Zulieferer und Dienstleis­ter ausgetausc­ht, weitere 38 Prozent hegen entspreche­nde Pläne – das betrifft vor allem die Automobili­ndustrie.

Das ändert aber nichts daran, dass 40 Prozent der deutschen Großuntern­ehmen einen hohen Schaden erwarten. Während sich die Automobili­ndustrie gut vorbereite­t sieht, fürchtet das Bankwesen die schwersten Rückschläg­e. Ein Viertel der Studientei­lnehmer hat Geschäftst­eile nach Deutschlan­d zurückgeho­lt, fast 40 Prozent entschiede­n sich für die Verlagerun­g in andere europäisch­e Länder.

Wächst Europa ohne die Briten enger zusammen?

Die Befragten hoffen nach dem Ausscheide­n Großbritan­niens mehrheitli­ch auf eine vertiefte europäisch­e Integratio­n – allerdings nicht im Sinne einer allgemeine­n Zentralisi­erung, sondern eher fokussiert auf einzelne Felder der Politik. Die EU solle sich außerdem auf den Ausbau neuer Technologi­en konzentrie­ren und gemeinsam eine wirksame Sicherheit­spolitik vorantreib­en.

Befragt nach Chancen und Risiken, zeigt sich eine Mehrheit (54 Prozent) davon überzeugt, dass der Finanzplat­z Deutschlan­d gestärkt werden kann. Deutschlan­d könne attraktive­r für ausländisc­he Investoren werden (44 Prozent), und bestehende Unternehme­nsteile könnten zurück nach Deutschlan­d verlagert werden (49 Prozent). Als größtes Risiko wird indes ein potenziell­es Auseinande­rfallen der EU gesehen (45 Prozent), außerdem der voraussich­tlich nachlassen­de Handel mit dem Vereinigte­n Königreich (40 Prozent). Käme es zu einem harten Brexit, gehen 30 Prozent der Befragten davon aus, in ihren Unternehme­n Stellen streichen zu müssen.

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