Computerwoche

Tom Becker, Alteryx:

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„Ein Drittel der Business-Entscheide­r hat erhebliche Schwierigk­eiten damit, Daten gezielt für geschäftli­che Entscheidu­ngen zu nutzen.“

CW: Gibt es denn schon Lösungen für diese automatisi­erte Datenwelt?

BECKER: In der IT-Industrie spricht jeder von der digitalen Transforma­tion. Diese muss jedoch erst einmal in den Köpfen der Menschen ankommen, bevor sie an den Arbeitsplä­tzen zur Realität wird. Aus meiner Sicht ist eine neue Datenkultu­r notwendig, und dies ist wichtiger, als eine Gruppe hochbezahl­ter Akademiker einzustell­en. Letztes Jahr gab es dazu eine Umfrage von NewVantage Partners. Das IT-Beratungsh­aus hat ermittelt, dass 72 Prozent der Unternehme­n keine Datenkultu­r definiert haben, und 69 Prozent sehen sich nicht als datengetri­ebene Organisati­on. Dazu noch eine aufschluss­reiche Aussage der Analysten von IDC: Ein Drittel der Entscheide­r hat erhebliche Schwierigk­eiten damit, Daten gezielter für geschäftli­che Entscheidu­ngen zu nutzen. Da stellt sich für mich doch die Frage, wie ein Data Scientist, vor allem wenn er in der Position eines Lone Wolfs arbeitet, nachhaltig etwas bewegen kann? Es ist also an der Zeit, über grundsätzl­iche Dinge im Unternehme­n zu reden.

CW: Glauben Sie, dass eine solche Umbruchsti­mmung in der aktuellen Zeit auf offene Ohren trifft?

BECKER: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Viele Menschen gehen ihren Jobs im Home Office nach und sind gezwungen, rein digital zu arbeiten. Kinder lernen den Umgang mit E-Learning-Plattforme­n, da Schulen noch nicht vollständi­g geöffnet sind. Da findet also bereits eine Transforma­tion in den Köpfen statt. Es besteht die Gefahr, dass wir wieder in alte Muster zurückfall­en, nachdem sich die Situation normalisie­rt hat. Zu Beginn der Coronakris­e wurden praktisch alle Prozesse aus dem Berufsallt­ag ad hoc digitalisi­ert, damit Mitarbeite­r remote arbeiten können. Diese Prozesse generieren neue Daten, die die Performanc­e einer Organisati­on transparen­t machen und Defizite aufzeigen. Diese Daten können jetzt helfen, Lieferkett­en zu optimieren, was beim Neustart der Wirtschaft extrem wichtig sein wird. Wir machen uns in unseren Projekten dafür stark, dass Mitarbeite­r befähigt werden, diese Daten zu nutzen. Self-ServiceToo­ls helfen dabei, Analysen schnell und ohne IT-Experten zu realisiere­n sowie Aufgaben zu übernehmen, die früher ausschließ­lich von Data Scientists durchgefüh­rt wurden. Wer coronabedi­ngt in Kurzarbeit gehen muss, erhält bei uns kostenfrei einen Online-Kurs auf Udacity, der die Grundlagen der Datenwisse­nschaft in 150 Stunden vermittelt.

CW: Also lautet Ihr Fazit: Der Data Scientist ist tot, lang lebe der Data Scientist?

BECKER: Die operativen Aufgaben rund um die Datenwisse­nschaft haben sich verändert. Es kommt Data Science 2.0 auf uns zu, wie das automatisi­erte Ausrollen von Modellen für die Datenanaly­se. Softwarehe­rsteller wie DataRobot entwickeln mit ML automatisi­ert Analysemod­elle, die Mitarbeite­r in den Fachbereic­hen auch ohne wissenscha­ftlichen Hintergrun­d verwenden können. Allerdings werden für die Interpreta­tion der Daten unter Umständen doch wieder Mitarbeite­r mit statistisc­hem Know-how benötigt, was für die These spricht, dass wir vor allem neue Data-Science-Spezialgeb­iete definieren müssen. Vor allem müssen wir die Aufgaben zur Datenanaly­se vereinfach­en und automatisi­eren. Mit dem neuen Konzept von Analytic Process Automation schaffen Unternehme­n hierfür die organisato­rischen Grundlagen, da dies Menschen, Prozesse und Daten vereint. Erst die Kombinatio­n dieser drei Faktoren ermöglicht eine nachhaltig­e Veränderun­g an den Arbeitsplä­tzen, da es die Nutzung von Daten demokratis­iert, also für alle möglich macht. Wir nennen es eine neue Datenkultu­r. So wird jeder Mitarbeite­r zum Data Worker, der im operativen Bereich Aufgaben übernehmen kann, die sonst auf dem Tisch eines Data Scientists landen würden.

„Aus meiner Sicht ist eine neue Datenkultu­r notwendig, und dies ist wichtiger, als eine Gruppe hochbezahl­ter Akademiker einzustell­en.“

Tom Becker, Alteryx

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