Elon Musks Schweine-Show weckt falsche Hoffnungen
Cyborg-Experimente haben die Menschen schon immer interessiert – Hollywood sei Dank. Doch die Wissenschaft kommt nicht recht voran, und die potenziellen Einsatzszenarien sind unklar.
EAls Elon Musk kürzlich – assistiert von drei Schweinen – die Funktionsweise einer Schnittstelle zwischen Computer und Gehirn demonstrierte, war die ohnehin stets euphorische Fangemeinde des Tesla-Gründers einmal mehr außer sich vor Vergnügen. Ein Chip im Gehirn überträgt Nervenimpulse via Bluetooth auf einen Computer – was könnte man mit dieser „Neuralink“genannten Technik nicht alles anstellen? Ein Blick nach China zeigt allerdings, dass Brain-Computer Interfaces (BCI) gar nicht so neu sind. Anfang 2020 etwa pflanzte die Zhejiang University einem gelähmten 72-jährigen Mann einen Chip ins Gehirn. Heute kann er einen Roboterarm mit seinen Gedanken steuern und sich etwa Getränke reichen lassen oder Mahjong spielen. Noch früher experimentierte die Carnegie Mellon University mit mental gesteuerten Roboterarmen, und der Universität von Tianjin gelang es, via Datenhelm erfasste Gehirnströme am Computer auszuwerten. Ein Student, der offenbar keine Angst vor Strahlung hatte, gab kopfgesteuert binnen einer Minute 69 Buchstaben in einen Rechner ein.
Womit wir beim neuesten Hype Cycle von Gartner wären. Der nämlich zählt BCI zu den wichtigsten Zukunftstechnologien (Seite 16): Allerdings soll es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis wir mit unseren Gedanken Berge versetzen können. Vorher müssen wir erst einmal den Gipfel der überzogenen Erwartungen erklimmen und den Abstieg ins Tal der Desillusionierung verkraften. Immerhin: Das gibt uns reichlich Zeit, zu überlegen, ob wir diese Technologie überhaupt wollen. Musk und die Chinesen haben angeblich vor allem medizinische Fortschritte im Kopf. Wenn das so ist, empfehlen wir den Beteiligten, die Wartezeit mit mehr Engagement für eine ausreichende medizinische Grundversorgung der jeweiligen Bevölkerungen zu überbrücken.