Hürden auf dem Weg in die RPA-Welt
Ohne Automatisierung keine Digitalisierung – das erkennen immer mehr Unternehmen. Doch bei der Einführung entsprechender Techniken rund um Robotic Process Automation (RPA) gilt es etliche Hürden zu nehmen. Lesen Sie, welche das sind.
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie Prozesse automatisieren müssen und an der Beschäftigung mit Software-Bots kein Weg vorbeiführt. Doch bei der Einführung sind einige Hindernisse zu überwinden, darunter Widerstände unter den Mitarbeitern.
Wer im „Blindflug“Geschäftsprozesse und Angebote digitalisieren möchte, wird höchstwahrscheinlich eine Bruchlandung hinlegen. Das hat ein Großteil der Unternehmen in Deutschland offenkundig erkannt, so eines der Ergebnisse der aktuellen Studie „Robotic Process Automation 2020“von IDG Research. Denn an die 60 Prozent der Studienteilnehmer setzen mittlerweile Process-Mining-Lösungen ein. Mit ihrer Hilfe können sie ermitteln, wie viele und welche Abläufe vorhanden und in welchen Unternehmensbereichen diese angesiedelt sind.
Nur auf Grundlage dieser Informationen ist es möglich, die Prozesslandschaft zu optimieren. Und das ist für fast zwei Drittel der befragten Firmen der wichtigste Grund, weshalb sie ein Process Mining vornehmen. Kosteneinsparungen durch „schlankere“Abläufe spielen nur eine Nebenrolle. Die strategische Bedeutung der Prozessanalyse aus Sicht der Anwenderunternehmen untermauert ein weiteres Ergebnis der Studie: Fast drei Viertel der Geschäftsführer und zwei Drittel der IT-Abteilungen sehen in Process Mining ein wichtiges Hilfsmittel, digitale Strategien umzusetzen.
Manche Fachbereiche „bocken“
Ist somit alles gut? Nein, nicht ganz. Denn die Befragung ergab auch, dass zwischen den Unternehmensbereichen deutliche Wahrnehmungsunterschiede bestehen. Nicht einmal die Hälfte der Fachabteilungen teilt die Einschätzung der Führungskräfte und IT-Fachleute bezüglich des hohen Stellenwerts von Process Mining. Rund 29 Prozent der Mitarbeiter lehnen den Einsatz von Tools für die Prozessanalyse sogar rundweg ab. Doch ohne Unter
stützung der Fachbereiche und der Beschäfigten dürfe es schwerfallen, den nächsten Schritt zu tun und Abläufe zu optimieren sowie zu automatisieren. Das bedeutet, dass Management und IT-Abteilung die Fachbereiche in einem möglichst frühen Stadium in Process-Mining-Projekte einbinden sollten. Ein Top-down-Ansatz, bei dem die Führungsebene den Einsatz von Werkzeugen für die Analyse und die Automatisierung von Prozessen mittels Robotic Process Automation (RPA) anordnet, ist nicht zielführend. Ein solches Vorgehen wird vielmehr die Vorbehalte gegenüber diesen Technologien verstärken.
Allerdings müssen auch die Führungskräfe an sich arbeiten. Immerhin ein Viertel von ihnen hat Vorbehalte gegen den Einsatz von RPA. Hier dürfen Aspekte wie die Angst vor einem Kontrollverlust oder die Sorge, durch automatisierte Abläufe selbst überflüssig zu werden, eine Rolle spielen. Der „menschliche Faktor“darf also nicht unterschätzt werden, wenn Unternehmen Process Mining und RPA implementieren. Positiv stimmt, dass dies vielen Entscheidern bewusst ist. Für sie ist laut der Studie von IDG Research die Unternehmenskultur der wichtigste Faktor, der über den Erfolg eines RPA-Projekts entscheidet, nicht das Fachwissen und auch nicht die IT-Organisation oder die RPA-Plattform.
Automatisierung noch ausbaufähig
Deutliche Unterschiede zeigen sich bezüglich des Nutzungsgrads von Process Mining und RPA. Bereits zwei Drittel der deutschen Unternehmen haben zumindest einen Teil ihrer Prozesse erfasst. Im Vergleich zur Studie 2019 fällt auf, dass die Prozessanalyse nicht mehr nur im IT-Bereich zum Zuge kommt (53 Prozent). Auch Abläufe im Management (50 Prozent), in der Finanzsparte (45 Prozent) und der Produktion (43 Prozent) wurden ofmals erfasst und kategorisiert. Selbst 44 Prozent der Personalabteilungen setzen Process Mining ein. Dieser Bereich zählt neben der IT, der Geschäfsführung und dem Einkauf zu den Abteilungen, in denen sich Unternehmen den größten Nutzen einer Prozessoptimierung erhoffen.
Dagegen tun sich deutsche Firmen mit dem zweiten Schritt schwerer: dem Automatisieren von Abläufen mittels Sofware-Bots. In rund 29 Prozent der befragten Firmen sind erste Tools im Einsatz. Weitere 26 Prozent planen Pilotprojekte. Doch immerhin fast 20 Prozent der Befragten stufen RPA für ihr Unternehmen als irrelevant ein. Diese Ergebnisse enthalten durchaus Zündstoff. Denn ein Ziel der Digitalisierung ist es, schneller und agiler am Markt aufzutreten. Das Automatisieren von Abläufen mithilfe von RPA kann maßgeblich dazu beitragen. Daher ist es wichtig, dass sich Unternehmen mit dieser Technologie auseinandersetzen.
Zu denken gibt auch, dass in Sparten wie Service und Marketing RPA nicht im selben Maß zum Einsatz kommt wie in der IT-Abteilung und auf der Geschäfsführungsebene. Denn wer schneller auf Anfragen von Kunden reagiert und diese zielgenauer anspricht, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil, auch im internationalen Vergleich. Diese Chance sollten sich Unternehmen nicht entgehen lassen.
RPA mit Überraschungseffekten
Fairerweise muss man einräumen, dass schnellere Prozesse für die Mehrzahl der Betriebe (47 Prozent) das wichtigste Ziel sind, das sie mithilfe von RPA erreichen wollen. An die 43 Prozent gaben an, dass sie diese Vorgabe bereits erreicht hätten. Allerdings hat sich offenkundig ein beträchtlicher Teil der Projekte für die Anwender als eine Art Wundertüte entpuppt. Ein Beispiel: 43 Prozent der Nutzer von RPA-Lösungen erhofften sich davon Kosteneinsparungen; doch nur in 29 Prozent der Fälle traten diese ein. Dagegen wollte ein Drittel der Befragten mittels Prozessautomatisierung die
Qualität von Produkten und Dienstleistungen verbessern; dieser Effekt stellte sich in 43 Prozent der Firmen ein.
Deutlich besser als erwartet entwickelten sich dank RPA die Entlastung der Mitarbeiter und deren Motivation. Dasselbe gilt für ein besseres Verständnis und eine höhere Zufriedenheit der Kunden: Diese Ziele erreichten 54 Prozent der Anwender, obwohl dies nur 32 Prozent zu den wichtigsten Prioritäten zählten. Die genannten Resultate zeigen, dass die Prozessautomatisierung maßgeblich dazu beitragen kann, zentrale Unternehmensziele schneller und effizienter zu erreichen. Allerdings mangelt es offenkundig noch an der Feinjustierung, die nötig wäre, um tatsächlich die gewünschten Effekte zu erzielen. Doch eine höhere Präzision dürfte sich dann einstellen, wenn die Nutzer mehr Erfahrung mit dem Einsatz von RPA-Werkzeugen gesammelt haben.
Was RPA und Process Mining hemmt
Zu den größten Herausforderungen bei RPA und Process Mining zählen die schlechte Dokumentation von Prozessen (24 Prozent) sowie Probleme mit der Datenintegration und Datenqualität (jeweils 19 Prozent). Das heißt, Anwender sollten ihre Datenbestände sichten und konsolidieren bevor sie mit der Analyse oder Automatisierung von Prozessen beginnen. Diese Aufgabe erfordert jedoch besondere Qualifikationen, etwa im Bereich Data Science. Und entsprechende Fachleute sind auf dem Markt derzeit nur schwer zu finden. Abhilfe könnten externe Beratungshäuser schaffen, auch wenn das Geld kostet.
Erstaunlich ist, dass 22 Prozent der Befragten fehlende Informationen über Anbieter und Lösungen als Hemmfaktor nennen. Damit rangiert dieser Punkt hinter der mangelnden Prozessdokumentation auf Platz zwei. Eine mögliche Erklärung ist, dass es IT-Fachleuten schlichtweg an Zeit fehlt, sich neben dem
Tagesgeschäft mit dem Thema Prozessautomatisierung zu beschäftigen. Auch in diesem Fall können externe Dienstleister Abhilfe schaffen. Mittlerweile bieten in Deutschland etliche
IT- und Softwarehäuser Hilfestellung bei der Auswahl und Implementierung von RPA- und Process-Mining-Lösungen an. Fast die Hälfte der Unternehmen greift auf solche Angebote zurück; nahezu ein Drittel nutzt das Know-how von Systemhäusern und Distributoren. In vielen Fällen dürfte es sich dabei um IT-Spezialisten handeln, mit denen Anwender bereits seit längerer Zeit zusammenarbeiten.
Der Use Case macht’s
Insgesamt zeigt die Studie von IDG Research Services, dass Unternehmen in Deutschland erkannt haben, welch ein großer Produktivitätshebel im Process-Mining und dem Automatisieren von Prozessen steckt. Das ist ein ermutigendes Signal, auch wenn sicherlich in manchen Firmen noch viel Arbeit vonnöten ist, um Skeptiker zu überzeugen. Lösungsanbieter, Beratungsfirmen und IT-Häuser sollten daher nicht nur die Technologien in den Vordergrund stellen, sondern den Interessenten überzeugende Use Cases präsentieren.
Die Geschäftsführung und IT-Abteilungen dürfen zudem nicht den Fehler begehen, die Rolle der Mitarbeiter zu unterschätzen. Die Studie belegt, dass viele von ihnen der Automatisierung von Prozessen skeptisch gegenüberstehen, auch wegen der Angst um ihren Arbeitsplatz. Solche Vorbehalte auszuräumen erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und eine offene Kommunikation mit allen Beschäftigten, vom Manager bis zum Mitarbeiter in einer Fachabteilung. Denn, und das ist ein weiteres Resultat der Untersuchung, Process Mining und RPA sind zunächst keine Jobkiller. Vielmehr verschaffen sie den Mitarbeitern Freiräume und erhöhen ihre Zufriedenheit. Und engagierte, motivierte Beschäftigte sind gerade in diesen schwierigen Zeiten für jedes Unternehmen unverzichtbar.