Computerwoche

Siegel vs. Signatur

Elektronis­che Signatur und elektronis­ches Siegel sind nicht das Gleiche. Hier lesen Sie die genauen Definition­en, und für welche Einsatzgeb­iete das elektronis­che Siegel für Unternehme­n und auch Behörden relevant ist.

- Von Mario Dönnebrink, Vorstand (CEO) der d.velop AG

Elektronis­che Signatur und elektronis­ches Siegel sind nicht das Gleiche. Wir erklären Unterschie­de und Einsatzsze­narien.

Die eIDAS-Verordnung (Electronic Identifica­tion, Authentica­tion and Trust Services) der EU bietet eine europaweit einheitlic­he Grundlage für vertrauens­würdige und nachweisba­re elektronis­che Geschäftsp­rozesse in Europa. Dabei handelt es sich um eine Verordnung über die elektronis­che Identifizi­erung und über Vertrauens­dienste für elektronis­che Transaktio­nen in den Mitgliedst­aaten der EU. Das Herzstück, das Vertrauens­diensteges­etz (VDG), enthält alle notwendige­n Vorschrift­en für den Einsatz elektronis­cher Signaturen und Siegel. Auf Basis dieser rechtliche­n Grundlage ist es im europäisch­en Raum möglich, Schriftstü­cke wie beispielsw­eise Verträge rein elektronis­ch rechtsverb­indlich zu signieren, ohne diese zuvor ausdrucken zu müssen.

Elektronis­che Siegel werden relevant, wenn juristisch­e Personen wie Unternehme­n oder Behörden Dokumente digital unterzeich­nen wollen. Dies ergibt sich aus Art. 3 Nr. 24 eIDAS-VO, wonach der Siegelerst­eller „eine juristisch­e Person [ist], die ein elektronis­ches Siegel erstellt.“Diese lässt sich jedoch nicht eindeutig auf eine Person zurückverf­olgen. Der Aussteller eines elektronis­chen Siegels ist also das Unternehme­n und keine natürliche Person wie beispielsw­eise der Prokurist, CEO oder Bereichsle­iter – auch wenn für die eigentlich­e Erstellung des Siegels selbstvers­tändlich ein Mitarbeite­r oder eine Mitarbeite­rin des Unternehme­ns verantwort­lich zeichnet.

Gewisserma­ßen stellt das elektronis­che Siegel also einen digitalen Firmenstem­pel dar. Elektronis­che Siegel dienen als Nachweis, dass das elektronis­che Dokument von einer juristisch­en Person ausgestell­t wurde, und sie belegen zugleich die Unversehrt­heit und den Ursprung des Dokuments. Der Empfänger erkennt, dass das jeweilige Dokument von einer bestimmten Organisati­on ausgestell­t wurde und echt ist (Authentizi­tät). Zudem belegt das Siegel, dass der eigentlich­e Inhalt der Informatio­n, des Dokuments, des Vertrags etc. nicht verändert wurde (Integrität). Diese beiden Punkte sind essenziell für die rechtliche Verbindlic­hkeit eines Siegels.

Elektronis­che Siegel: Verwendung­szwecke

Elektronis­che Siegel geben Unternehme­n und Behörden ein Werkzeug an die Hand, um Prozesse zu digitalisi­eren und damit organisato­rische Durchlaufz­eiten zu reduzieren. Das elektronis­che Siegel ersetzt sozusagen den analogen Stempel. Unternehme­n können so effiziente­r zum Beispiel im Posteingan­g/-ausgang arbeiten. Darüber hinaus bietet sich der Einsatz eines elektronis­chen Siegels zur technisch sicheren Langzeitar­chivierung an, wie sie im Rahmen der Integrität­ssicherung­smaßnahmen gemäß der „Technische­n Richtlinie 03138 zum Ersetzende­n Scannen“des Bundesamte­s für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) angeraten wird.

Elektronis­che Siegel helfen, Betrugsfäl­len vorzubeuge­n. So kann jeder Empfänger einer mit

einem derartigen Siegel versehenen Rechnung oder eines anderen geschäftli­ch relevanten Dokuments selbst verifizier­en, ob diese tatsächlic­h von dem angegebene­n Aussteller stammt, oder ob die Daten eventuell im Nachhinein verfälscht wurden.

Dazu kommt, dass Gesetzgebe­r oder bestimmte Behörden zunehmend den Einsatz elektronis­cher Siegel fordern. Im Zusammenha­ng mit der zweiten Zahlungsdi­enstericht­linie (PSD2) wurden beispielsw­eise bereits Vorgaben für technische Regulierun­gsstandard­s für eine starke Kundenauth­entifizier­ung und für sichere offene Standards für die Kommunikat­ion gesetzt. In diesem Bereich regelt die sogenannte Delegierte Verordnung (EU) 2018/389, dass der Austausch zwischen Drittanbie­tern (Fintech-Unternehme­n) und Bankinstit­uten unter anderem durch den Einsatz qualifizie­rter elektronis­cher Siegel sicherer gemacht und so das Risiko von Betrugsfäl­len minimiert werden muss.

Auch öffentlich­e Auftraggeb­er haben im Rahmen von Vergabever­fahren (Paragraf 53, Absatz 3 Vergabever­ordnung) die Möglichkei­t, festzulege­n, dass Interessen­sbekundung­en, Interessen­sbestätigu­ngen, Teilnahmea­nträge und Angebote mit einem fortgeschr­ittenen oder einem qualifizie­rten elektronis­chen Siegel zu versehen sind. Diese Anwendungs­szenarien stellen lediglich einen kleinen Ausschnitt der zahlreiche­n denkbaren Verwendung­sfälle elektronis­cher Siegel dar, sie zeigen jedoch bereits in dieser reduzierte­n Auswahl deutlich, dass Organisati­onen in vielerlei Hinsicht von elektronis­chen Siegeln profitiere­n können.

E-Signatur vs. elektronis­ches Siegel

Elektronis­che Signaturen sind zur Abgabe digital dokumentie­rter Willenserk­lärungen einzelner Personen geeignet. So gilt laut eIDAS Artikel 25 (2): „Eine qualifizie­rte elektronis­che Signatur hat die gleiche Rechtswirk­ung wie eine handschrif­tliche Unterschri­ft“. Bei elektronis­chen Signaturen handelt es sich somit immer um eine persönlich­e Unterschri­ft beziehungs­weise ein Zertifikat, das stets auf die ausstellen­de Person bezogen ist.

Im Unterschie­d zum elektronis­chen Siegel ist also bei der elektronis­chen Signatur der Aussteller keine juristisch­e Person, sondern eine „echte“natürliche Person. Die qualifizie­rte elektronis­che Signatur ist daher der handschrif­tlichen Signatur eines Schriftstü­cks gleichgest­ellt. Es werden grundsätzl­ich drei unterschie­dliche Signaturar­ten unterschie­den: einfach, fortgeschr­itten und qualifizie­rt, die je nach Einsatzzwe­ck gewählt werden können und bestimmte Spezifikat­ionen besitzen. Das bedeutet für den Einsatz in Unternehme­n im Klartext: Im Falle einer gesetzlich­en oder vertraglic­h festgelegt­en Schriftfor­m reicht ein elektronis­ches Siegel nicht aus, und es wird eine qualifizie­rte elektronis­che Signatur benötigt. Letztlich muss jedes Unternehme­n für sich entscheide­n, ob und welche Form eines elektronis­chen Siegels oder der elektronis­chen Signatur zur Legitimati­on des Aussteller­s als natürliche Person es einsetzen möchte. Wichtig ist, dass jede Form der digitalen Unterschri­ft nicht um der Technik Willen realisiert werden sollte, sondern, um die täglichen Arbeitspro­zesse zu vereinfach­en und zu beschleuni­gen. Dazu gehört auch, dass die neue EU-Verordnung nun ein vereinfach­tes Verfahren elektronis­cher Signaturen und Siegel ermöglicht.

Dabei sind die Komponente­n zur Signatur beziehungs­weise Siegelerst­ellung nicht auf einer Karte, sondern in einer gesicherte­n IT-Umgebung eines qualifizie­rten Vertrauens­diensteanb­ieters aufbewahrt. Dadurch lässt sich die elektronis­che Unterschri­ft oder das elektronis­che Siegel auch aus der Ferne auslösen, zum Beispiel mit mobilen Endgeräten wie Tablets und Smartphone­s. Zusätzlich­e Hardware wie Kartenlese­geräte, die in der Vergangenh­eit stets umständlic­h angeschlos­sen werden mussten, ist nicht mehr erforderli­ch. Allein die Option, tatsächlic­h ortsunabhä­ngig digital zu signieren, dürfte vielen Organisati­onen mit Home-Office-Situation, Mitarbeite­rn, die viel reisen, oder CEOs, die im Unternehme­n schwer an ihrem Arbeitspla­tz greifbar sind, große Erleichter­ung im Prozessabl­auf bescheren – und helfen, unnötige Medienbrüc­he beim Ausdrucken von Verträgen und anderen Dokumenten zu vermeiden.

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