Bosch Halbleiterwerk testet 5G
Welche Auswirkungen hat der neue Mobilfunkstandard 5G auf die Produktion – etwa durch elektromagnetische Wellen? Gemeinsam mit Ericsson will Bosch es in seinem Reutlinger Werk herausfinden.
Gemeinsam mit Ericsson prüft Bosch im Reutlinger Halbleiterwerk, welche Auswirkungen der Einsatz von 5G-Mobilfunktechnik hat.
Siemens testet 5G-Anwendungen im Nürnberger Automotive Showroom und im Testcenter, Mercedes Benz ist in seiner Factory 56 in Sindelfingen aktiv geworden, auch der Werkzeugmaschinen-Bauer Trumpf spielt mit 5G: Der neue Mobilfunkstandard hat das Potenzial, ganze Fabriken auf ein höheres Produktivitätsniveau zu heben. Mit von der Partie ist auch die Bosch Gruppe. Die Stuttgarter wollen mithilfe von 5G neue und flexiblere Fertigungskonzepte umsetzen. „5G ist ein Standard der Superlative“, zeigt sich Andreas Müller überzeugt. Er ist Leiter des Bereichs Communication und Network Technology innerhalb der zentralen Konzernforschung bei Bosch. Außerdem steht er der 5G Alliance for Connected Industries and Automation (5G-ACIA) vor.
5G als Booster für Industrie 4.0
Für viele gilt 5G mittlerweile als Schlüsselfaktor für die Digitalisierung der Produktion, wenn technische Assistenzsysteme Einzug halten, Sensoren eine Vielzahl von Daten senden und der Vernetzungsgrad zwischen Menschen, Maschinen sowie Anlagen weiter steigt. „Der neue Mobilfunkstandard sorgt für einen Schub für Industrie 4.0“, unterstreicht Michael Bolle, Geschäftsführer und CDO/CTO von Bosch. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die neue Mobilfunktechnik noch eine Vielzahl an offenen Fragen aufweist.
Wie ist es etwa um die Verträglichkeit von 5G mit bestehenden Produktionsanlagen bestellt? Stören hier womöglich die elektromagnetischen Wellen?
Das will Bosch jetzt gemeinsam mit Ericsson anhand von Verträglichkeitstests in seinem Reutlinger Halbleiterwerk untersuchen. „Die Halbleiterfertigung ist äußerst komplex und sensibel“, erklärt Andreas Müller. „Über 1.000 Tests durchlaufen Wafer, ehe die mikroskopisch kleinen Elemente in unterschiedlichen Produkten zum Einsatz kommen, beispielsweise in Airbags, Smartphones oder E-Bikes. Elektro
magnetische Wellen können bei der Fertigung Störquellen sein. Wir testen, wie sich 5G auf die Produktion auswirkt.“Für Bosch gehören Halbleiter zu den Schlüsseltechnologien, die das Unternehmen etwa für IoT-Szenarien oder für seine zahlreichen Steuergeräte im Automobilsektor benötigt.
Neben Verträglichkeitstest sind auch Kanalmessungen geplant. Sie sollen Erkenntnisse darüber liefern, wie sich eine optimale Netzabdeckung gewährleisten lässt – also wo und wie engmaschig beispielsweise Sendeantennen in einem Werk platziert werden müssen. Auf Basis der Testergebnisse planen die Schwaben bis zum Herbst, ein 5G-Testnetz in Reutlingen zu errichten und erste 5G-Anwendungen umzusetzen. Dabei sollen die Ingenieure prüfen, wie sich Maschinen und Anlagen anstelle von WLAN oder einer Verkabelung effizienter und besser vernetzen lassen. Einsatzfelder hierfür sind etwa autonome Transportsysteme, die über eine lokale Cloud gesteuert werden, oder der Fernzugriff auf Maschinen und die Kommunikation von industriellen Anlagen untereinander.
„Vom ersten Tag an 5G-ready“
Die Tests in Reutlingen finden im Rahmen des mit über zehn Millionen Euro geförderten EU-Forschungsprojekts 5G-SMART statt. Ziel des Vorhabens, das von Ericsson und ABB koordiniert wird, ist es, das Potenzial des neuen Kommunikationsstandards in realen Produktionsumgebungen zu erproben und zu bewerten. Dazu werden auch am Ericsson-Standort im schwedischen Kista sowie auf dem 5G Industry Campus Europe des Fraunhofer IPT in Aachen 5G-Anwendungen für die Fertigung getestet.
Bosch selbst will die in Reutlingen gewonnenen Erkenntnisse für die künftige Planung von 5G-Netzen nutzen – etwa im neuen Halbleiterwerk Dresden, der neben Reutlingen zweiten Wafer Fab in Deutschland. „Wir bauen in
Dresden die weltweit erste 5G-fähige Halbleiterfabrik von Bosch. Vom ersten Tag an wird das Werk 5G-ready sein“, sagt Bolle. In die neue Wafer-Fabrik investiert das Unternehmen nach eigenen Angaben rund eine Milliarde Euro – dies sei die größte Einzelinvestition der Firmengeschichte. Ende 2021 soll in Dresden die Produktion anlaufen. Dabei betrachte Bosch die Mikroelektronik als Wegbereiter für Industrie 4.0 – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen. Zum einen sei Industrie 4.0 ohne intelligente Sensorik undenkbar, zum anderen zähle die Halbleiterfertigung selbst zu den Vorreitern einer vernetzten Produktion. Sie sei nahezu vollautomatisiert.
Deshalb spielen bei der Herstellung der Chips im künftigen Werk künstliche Intelligenz und 5G eine besondere Rolle: Die hochautomatisierten Fertigungsanlagen analysieren ihre Prozessdaten selbst, um ihre Abläufe zu optimieren. Damit soll sich die Qualität der Chips bei sinkenden Fertigungskosten erhöhen. Zudem könnten die Planungs- und Prozessingenieure jederzeit auf diese Fertigungsdaten zugreifen, um die Entwicklung neuer Halbleiterprodukte zu beschleunigen oder Toleranzen in der Herstellung frühzeitig zu minimieren.