Wann sind Mitarbeiter produktiv?
Kompetenzassistenz-Systeme passen gut in die Zeit: Sie sollen Mitarbeiter dabei unterstützen, ihre Produktivitätsphasen besser zu erkennen und zu nutzen. Künstliche Intelligenz kann dabei helfen.
Wie können Mitarbeiter herausfinden, welche Aufgaben für sie die richtigen sind und wann sie besonders produktiv sind? Kompetenzassistenz-Systeme erheben den Anspruch, hier zu unterstützen.
Alexander Mädche, Professor für Wirtschaftsinformatik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), forscht schon seit einigen Jahren daran, wie Mitarbeiter ihre Kompetenzen softwareunterstützt besser entwickeln und nutzen können. Der Wissenschaftler prägte den Begriff der KI-basierten Kompetenzassistenz-Systeme und hat für die Begriffserklärung eine plausible Antwort: „Das Navigationssystem im Auto ist ein Assistenzsystem, das den Fahrer unterstützt, um von A nach B zu gelangen. Analog dazu helfen Kompetenz-Assistenzsysteme Mitarbeitern, ihre Kompetenzen am Arbeitsplatz vom aktuellen Stand in einen gewünschten Zielzustand zu entwickeln.“Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass die Beschäftigten einmal oder zweimal im Jahr ein Zielgespräch mit ihren Vorgesetzen führten, um danach im Laufe des Jahres zu dem einen oder anderen Weiterbildungskurs geschickt zu werden.
Besser sei es, anhand von Daten situationsbedingt festzustellen, was der Mitarbeiter benötigt, um ihm dann zielgerichtet entsprechende Maßnahmen anzubieten. Laut Mädche ist es wichtig, dass diese Kompetenzerweiterung „ganzheitlich“stattfindet, also gleichermaßen fachliche, methodische, soziale und persönliche Elemente enthält. Die richtigen Daten dazu könne man einsammeln, wenn es gelinge, zu erkennen, wann ein Mitarbeiter sich wohlfühlt und seine optimale Leistung erbringt, wann er also im „Flow“ist. Gemeint ist ein Zustand höchster Konzentration und Produktivität.
Wird diese Situation angemessen beschrieben, lässt sich eine individualisierte Kompetenzentwicklung ableiten. Für die digitale Arbeitswelt sei das auch deshalb wichtig, weil vor allem junge Mitarbeiter heute leicht ablenkbar seien. Viele Studien zeigten, dass die Aufmerksamkeitsspanne kontinuierlich zurückgehe. Sich zu konzentrieren und zu fokussieren, müssten viele Mitarbeiter erst wieder lernen.
Ein Problem sind etwa die ständigen Unterbrechungen am Arbeitsplatz: Wer produktiv sein will, muss elektronische Kommunikationssysteme wie Smartphone, Messaging- und MailSysteme auch mal ausblenden. Umso wichtiger sei es, herauszubekommen, wann sich ein Mitarbeiter in einem Flow-Zustand befindet. Um das festzustellen, hat Mädche ein Forschungsprojekt mit der Bezeichnung „Kern“(Kompetenzen entwickeln und richtig nutzen) initiiert, das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“mit 1,36 Millionen Euro unterstützt wird.
Ziel sei es, die „unterschiedlichsten Interessengruppen wie Mitarbeiter, Arbeitgeber und Betriebsrat zusammenzubringen“, um einen Konsens darüber zu finden, wie künftig situationsabhängig Kompetenzen unter Verwendung KI-basierter Assistenzsysteme entwickelt werden sollen. Das KIT testet beispielsweise an Mitarbeitern des Unternehmens Campusjäger Brustgurte, die den Forschern in Echtzeit physiologische Daten übermitteln. Diese werden dann mit Hilfe von KI-Algorithmen analysiert, sodass Zustände wie Flow, Überforderung oder auch Langeweile erkannt werden. Auf dieser Basis werden den Beschäftigten Dashboards bereitgestellt, die ihnen anzeigen, wann und bei welchen Tätigkeiten sie im Flow sind. „Studien haben gezeigt, dass Mitarbeiter, die häufig den Flow erleben, sich nicht nur zufriedener und wohler fühlen, sondern auch produktiver sind“, resümiert Mädche erste Erfahrungen.