Computerwoche

Sorgen nach Privacy-Shield-Urteil

Nachdem das Datenschut­zabkommen Privacy Shield gekippt wurde, haben Aktivisten erste Beschwerde­n gegen angebliche Sünder eingereich­t. Der CIOVerband Voice e. V. drängt auf ein Moratorium.

- (hv)

Nachdem das Datenschut­zabkommen gekippt wurde, haben Aktivisten erste Beschwerde­n wegen angebliche­r Gesetzesüb­ertretunge­n eingereich­t. Der CIO-Verband Voice e. V. drängt auf ein Moratorium.

Max Schrems, der umstritten­e und inzwischen weltweit bekannte Datenschut­zaktivist aus Österreich, hatte im Juli beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) ein Urteil erwirkt, wonach der sogenannte Privacy Shield als rechtliche Basis für den Datentrans­fer nicht zulässig ist. Über seine Datenschut­zinitiativ­e Noyb reichte Schrems mehr als 100 Beschwerde­n gegen europäisch­e Unternehme­n ein, weil sie Daten von Webseiten-Besuchern an Google und Facebook weiterleit­eten. Das geschieht schon, wenn Tools wie Google Analytics oder Facebook Connect verwendet werden.

Google und Facebook zählen laut Noyb zu den Unternehme­n, die unter die amerikanis­chen Überwachun­gsgesetze fallen (FISA 702, EO 12333). Google verlasse sich immer noch auf den Privacy Shield, obwohl er für ungültig erklärt wurde. Und Facebook nutze weiter die Standardve­rtragsklau­seln, dabei habe der EuGH festgestel­lt, dass diese gegen US-Überwachun­gsgesetze keinen ausreichen­den Schutz brächten.

Laut Noyb müssen die Datenschut­zbehörden dringend aktiv werden. Die Europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung (EU-DSGVO) verlange, dass die Behörden in den Mitgliedst­aaten die europäisch­en Regeln durchsetze­n müssten – erst recht, wenn eine Beschwerde vorliege. Der EuGH habe die Verantwort­lichkeit der Datenschut­zbehörden ausdrückli­ch betont.

Der Bundesverb­and der IT-Anwender Voice sieht indes viele Unternehme­n mit den neuen Datenschut­zvorgaben überforder­t und wünscht sich eine Übergangsz­eit von mindestens sechs Monaten, in der die Bundesregi­erung und die

EU-Kommission für Rechtssich­erheit sorgen sollten. In dieser Zeit solle der Bundesbeau­ftragte für den Datenschut­z von Sanktionen gegen solche Unternehme­n absehen, die derzeit noch an ihren Datenübert­ragungsver­fahren festhalten. Die Firmen bräuchten diese Übergangsf­rist, um Rechtsfrag­en zu klären und technische Umstellung­en zu bewerkstel­ligen.

Voice: EU und USA müssen verhandeln

Bund und EU sollten außerdem ein DSGVOkonfo­rmes Nachfolgea­bkommen mit den USA zum Privacy Shield vereinbare­n oder darauf hinwirken, dass amerikanis­che Cloud-Provider nicht länger Kundendate­n für US-Sicherheit­sbehörden offenlegen müssen. Generell fordert der Anwenderve­rein, dass sich Bund und EU stärker für digitale Souveränit­ät einsetzen und unabhängig­e Infrastruk­turen wie Gaia-X in Europa fördern. Ein funktionie­render digitaler Binnenmark­t sei unerlässli­ch.

Laut Hans-Joachim Popp, dem Vorsitzend­en des Voice-Präsidiums, befinden sich die Unternehme­n in einer Zwickmühle: Kappten sie ihre Datenverbi­ndungen, sei der wirtschaft­liche Schaden unabsehbar. Arbeiteten sie aber so wie bisher mit ihren Cloud-Providern zusammen, seien die rechtliche­n Risiken immens. Popp warnt in einer Voice-Mitteilung: „Wir laufen Gefahr, durch diese erneute Unsicherhe­it noch mehr Zeit zu verlieren, die wir für die Digitalisi­erung der deutschen Wirtschaft und Verwaltung viel besser nutzen könnten. Wir fordern von den Datenschüt­zern daher einen lösungsori­entierten Umgang mit der Situation, der Unternehme­n, Bundesregi­erung und der EU Zeit gibt, neue Verhandlun­gslösungen zu erreichen.“

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