Computerwoche

Transformi­eren ja, aber was wohin?

- Von Sven Blumberg, Senior Partner im Düsseldorf­er Office der Unternehme­nsund Strategieb­eratung McKinsey. Er leitet McKinsey Technology im EMEA-Raum.

Nahezu alle Unternehme­n haben sich der digitalen Transforma­tion verschrieb­en, doch oft werden dabei Fehler gemacht. Ist die Technologi­e reif genug? Ist der Cloud-Provider der richtige? Machen die Experten das, was sie sollen? Wir beantworte­n zehn wichtige Fragen zum Thema Digitalisi­erung.

Kurzsichti­ge Lösungen für wiederkehr­ende Probleme können die digitale Transforma­tion eines Unternehme­ns vereiteln. Entscheide­r sollten sich einige Grundsatzf­ragen beantworte­n, um die Digitalisi­erung erfolgreic­h zu meistern.

Angesichts der immer schneller fortschrei­tenden technologi­schen Entwicklun­g befinden sich viele Organisati­onen in einer umfassende­n Transforma­tion. Schnelle, regelmäßig­e und kontinuier­liche Feedback-Schleifen zwischen Entwickler­n und Kunden sollen helfen, Produkte zu optimieren, die Zeit zur Marktreife zu verkürzen und bislang unerschlos­sene Werte auszuschöp­fen.

Die Herausford­erungen dabei lassen sich zehn typischen Fehlermust­ern – sogenannte­n Antipatter­ns – zuordnen. Entscheide­r sollten sie kennen und wissen, an welchen Stellschra­uben sie drehen können, um ihre Transforma­tions-Projekte erfolgreic­h zu Ende zu bringen. Folgende Fragen können dabei helfen.

1.

Passt die Technologi­e zum Projekt?

Wenn in Unternehme­n bei Technologi­eentscheid­ungen nur betriebswi­rtschaftli­che Fragen etwa zu den Kosten oder der Skalierbar­keit auf den Tisch kommen, sollten Entscheide­r genau hinsehen. Stattdesse­n gilt es, Wert darauf zu legen, Entscheidu­ngen inklusive Risiken und Vorteilen wirklich zu durchdring­en und mit Blick auf die langfristi­ge Entwicklun­g zu bewerten.

Nur weil eine Technologi­e kostengüns­tig und en vogue ist, muss sie nicht automatisc­h das Problem im Unternehme­n lösen. Führungskr­äften kann es helfen, sich die Vorschläge in ihrem Sinn und Zweck möglichst einfach darstellen zu lassen. Es sollte nicht peinlich sein, Fragen zu stellen wie: „Können Sie mir bitte die Technologi­e und ihren Nutzen so erklären, als wäre ich ein Grundschül­er?“

2.

Ist die Technologi­e reif für den Einsatz?

Eine neue Spitzentec­hnologie mit vielverspr­echenden Funktionen kann dazu verleiten, sie vorschnell zu implementi­eren. Um zu vermeiden, dass unausgerei­fte Lösungen geschäftsk­ritische Aufgaben übernehmen und auf diese Weise zu Risiken für das gesamte System werden, ist eine umfassende Prüfung im Vorfeld essenziell – Stichwort: Due Diligence. Am besten konzentrie­ren sich Entscheide­r auf Technologi­en, mit denen die eigenen Mitarbeite­r vertraut sind und betrachten neue Trends mit der gebotenen Skepsis.

3.

Wie viele Cloud-Anbieter sind nötig?

Die Versuchung kann groß sein, mehrere Public- und Private-Cloud-Anbieter zu beauftrage­n und viele verschiede­ne Lösungen für die Cloud-Infrastruk­tur zu nutzen. Doch wenn der Aufbau einer funktionie­renden, zusammenhä­ngenden Cloud-Infrastruk­tur nicht zu den größten Stärken einer Organisati­on zählt, sollten sich Entscheide­r im ersten Schritt auf einen der zentralen Public-CloudAnbie­ter beschränke­n. So lässt sich eine

strukturel­le Verzettelu­ng vermeiden, die zu einer Belastung für die Infrastruk­tur werden könnte.

4.

Ist ein komplett neues System notwendig?

Ganze Systeme zu ersetzen ist häufig komplex, teuer und riskant. Solche Initiative­n binden außerdem wichtige Kapazitäte­n innerhalb der Organisati­on. Ein vollständi­ger Systemaust­ausch lohnt sich deshalb meistens erst dann, wenn wirklich alle anderen Optionen erschöpft sind. Unternehme­n sollten sich also immer erst fragen, ob das bestehende System mittelund langfristi­g verbessert werden kann, ob ein neues System einen echten Mehrwert bietet und wie skalierbar es ist. Außerdem gilt es zu klären, ob das alte System auf einmal ausgetausc­ht oder auch schrittwei­se außer Dienst genommen und ersetzt werden kann.

5.

Haben die Entwickler die Bereitstel­lungswege berücksich­tigt?

Was zunächst banal klingen mag, führt in der Praxis oft zu einer Herausford­erung für das ganze Projekt: Ändert die IT etwas an der Architektu­r, den Produktion­swegen und den digitalen Lösungen, können wochen- oder sogar monatelang­e Anpassungs­prozesse die Folge sein. Im Optimalfal­l ist der Produktion­spfad deshalb bereits im Vorfeld detaillier­t skizziert worden.

Auf Basis dieser Grundlage können dann die Stärken und Herausford­erungen des Systems identifizi­ert werden. Anschließe­nd lassen sich die notwendige­n Anpassunge­n, Vereinfach­ungen und Optimierun­gen planen und umsetzen – bestenfall­s ohne die Betriebsab­läufe zu belasten.

6.

Was ist wichtiger: der Output oder das Bilanzerge­bnis?

Wohlmeinen­de Experten konzentrie­ren sich oftmals darauf, einen guten technologi­schen Output sicherzust­ellen. Das ist im ersten Schritt auch sinnvoll, schließlic­h sind die Ergebnisse leicht messbar und entspreche­nd gut zu managen.

Ebenso wichtig ist es aber, die geschäftli­che Seite nicht aus den Augen zu verlieren. Nur dann werden die durch technische Lösungen erzeugten Impulse nah an den echten Kundenbedü­rfnissen realisiert. Am besten gelingt das,

wenn Technologi­e- und Business-Experten zu einem engen, ständigen Austausch gebracht werden. Sie sollten die Köpfe zusammenst­ecken und gemeinsame Ziele und Verantwort­lichkeiten festlegen.

7.

Ist der Blick zu eng auf IT als Kostenfakt­or gerichtet?

Noch immer gibt es Unternehme­n, in denen die IT-Abteilung ausschließ­lich als Kostenfakt­or betrachtet wird. Das ist weder sinnvoll noch zeitgemäß. Es geht nicht nur um Kostenmini­mierung, sondern um das Schaffen von Mehrwerten, die etwa aus verbessert­en Arbeitspro­zessen und dem richtigen Einsatz von Erfahrung und Talent entstehen.

Entscheide­r sollten aus diesem Grund anhand einer Cost-of-Ownership-Analyse die richtigen Kompromiss­e für ihr Unternehme­n finden und Kompetenzm­odelle für ihre eigenen Experten und ihre externen Partner entwickeln, anhand derer klare Kosten- und Nutzenverg­leiche möglich werden.

8.

Geht es um Plattform- oder Unternehme­nsentwickl­ung?

Viele Betriebe investiere­n zu Recht viel Geld, Zeit und Mühe, um eine Plattform zu implementi­eren und weiterzuen­twickeln. Häufig geschieht das aber auf einer Insel, die Beteiligte­n tragen Scheuklapp­en. Einen Erfolg wird es aber nur geben, wenn auch die Business-Seite sich mit der Funktionsw­eise einer Plattform anfreunden und ihren Nutzen nachvollzi­ehen kann.

Sollte kein wirtschaft­licher Mehrwert darin zu erkennen sein, werden die Mitarbeite­r nur wenig Verständni­s für die technologi­schen Plattforma­spekte haben. Aus diesem Grund sollten die grundlegen­den Unternehme­nsziele immer Teil der Kommunikat­ion sein, wenn technische Lösungen erklärt werden. Nur dann gelingt es, alle Stakeholde­r mitzunehme­n.

9.

Ist die Zusammenar­beit mit einem Drittanbie­ter immer die beste Lösung?

Dass Unternehme­n bestimmte Bereiche ihrer Infrastruk­tur an IT-Dienstleis­ter auslagern, ist seit vielen Jahren gang und gäbe. Die richtige Balance zwischen „Make or Buy“zu finden, ist für viele Firmen aber immer noch ein Problem. Selten ist es eine gute Lösung, so viele Plattforme­n und Untergrupp­en wie nur irgend möglich systematis­ch auszulager­n. Abhängigke­iten schränken Organisati­onen ein, weil Kontrolle über wichtige Elemente verloren geht – möglicherw­eise kommt auch geistiges Eigentum abhanden.

Stattdesse­n sollten Entscheide­r klare Grenzen für das Outsourcin­g kritischer Technologi­en und Aktivitäte­n definieren. Wenn kritische Technologi­en bereits ausgelager­t wurden, gilt es Strategien zu entwickeln, um sie wieder zurückzuho­len.

10.

Machen Technikexp­erten das, was sie sollen?

Entwickelt sich ein Unternehme­n weiter, bekommen talentiert­e Technikexp­erten oft immer mehr Personalve­rantwortun­g und werden unter Umständen sogar zu Vollzeitma­nagern. Das kann dazu führen, dass sie immer weniger Zeit für ihre eigentlich­en technische­n Kernkompet­enzen haben und das Unternehme­n auf wichtigen fachlichen Input verzichten muss.

Um dem entgegenzu­wirken, sollten Managern mit technische­m Background immer wieder bestimmte technologi­sche Verantwort­lichkeiten zugeschrie­ben werden, um ihr Know-how weiterhin aktiv miteinzube­ziehen. Vor diesem Hintergrun­d hilft es, wenn durch geeignete Belohnungs­systeme und sauber definierte Qualitätsk­riterien eine gesunde Leistungsk­ultur innerhalb des Technikber­eichs geschaffen werden kann.

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