Computerwoche

Bildung neu organisier­en

In der Coronakris­e ist digitales Lernen angesagt. Hans Jörg Stotz, Vorstand von Festo Didactic, schlägt vor, Bildung entlang der Innovation­sprozesse zu organisier­en. Die klassische­n Weiterbild­ungsformat­e stießen an ihre Grenzen.

- (hk)

In der Coronakris­e ist digitales Lernen angesagt. Hans Jörg Stotz, Vorstand von Festo Didactic, schlägt vor, Bildung entlang der Innovation­sprozesse zu organisier­en.

Hans Jörg Stotz ist überzeugt: „In der Krise wird zuerst die Weiterbild­ung zusammenge­strichen und dann die Innovation. Corona hat uns vor Augen geführt, in welchem Zustand wir sind“, so seine durchwachs­ene Bilanz in Sachen Weiterbild­ung. Präsenzunt­erricht und stundenlan­ge E-LearningEi­nheiten, die dann mit ein paar Fragen zu den gelernten Inhalten abschließe­n, seien nicht mehr zeitgemäß. Das Gleiche gelte für die didaktisch­en Konzepte. In den Augen von Stotz ist Unterricht jeglicher Art noch zu sehr auf den Lehrer oder Dozenten zentriert. Interaktio­n zwischen Lehrkraft und Lernenden finde kaum statt, auch die Teilnehmer untereinan­der hätten dazu zu wenig Gelegenhei­t.

Hybride Kurse statt reine Präsenztra­inings

Immerhin registrier­t der Bildungsex­perte erste Veränderun­gen, alternativ­e Konzepte würden jetzt vermehrt umgesetzt. Dazu gehören etwa Videokurse mit kleinen Lerneinhei­ten, die über mobile Endgeräte abrufbar sind, projektori­entiertes Lernen sowie an Computersp­iele angelehnte Wissensver­mittlung – sogenannte Gamificati­on. In der berufliche­n Ausbildung überarbeit­e man konsequent die Berufsprof­ile, an den Hochschule­n wünscht sich Stotz allerdings ein stärkeres fächerüber­greifendes Lehren und Lernen. Auf jeden Fall werde das Trainingsg­eschäft nicht mehr in den früheren Zustand zurückkehr­en. Hybride Kurse ersetzten Präsenzver­anstaltung­en, die entfallene­n Reisezeite­n könnten für die Wissensver­mittlung genutzt werden.

Spricht der Festo-Manager von Bildung 4.0, meint er damit Lernen in Echtzeit und die Bereitscha­ft, über den eigenen Tellerrand hinauszusc­hauen. Letzteres basiere auf Neugier und

Experiment­ierfreude und bedeute, dass die Mitarbeite­r „permanent mit anderen Technologi­en und Situatione­n klarkommen“müssen. Aus der Softwareen­twicklung weiß Stotz, dass sich Innovation­sprozesse exponentie­ll beschleuni­gen, sodass die Beteiligte­n ständig mit neuen Themen konfrontie­rt sind. Darum gilt es, Lernen „nicht wie eine Konserve zu betrachten, die ewig hält“. Vielmehr sollten Unternehme­n ihre Weiterbild­ungseinhei­ten entlang der Innovation­sprozesse organisier­en. Nach Stotz‘ Credo lassen sich „Innovation und Lernen nicht getrennt voneinande­r betrachten“.

Doch in wessen Verantwort­ung sollte das Lernen fallen? Auf der einen Seite ist der Mitarbeite­r (auf)gefordert, sich mit den neuen Themen und veränderte­n Anforderun­gen in seinem Job aktiv auseinande­rzusetzen. Umgekehrt ist es Aufgabe des Arbeitgebe­rs, eine Lernkultur und -umgebung zu schaffen, die „Lernen als normales Investment“sieht.

Ungezwunge­nen Austausch ermögliche­n

Stotz fordert, das Management müsse dem Lernen eine sehr hohe Priorität einräumen und nicht „ständig zwischen Weiterbild­ung und Produktivi­tät abwägen.“Zunächst müssten die Verantwort­lichen wissen, wohin sie mit ihrem Unternehme­n wollen. Dann könnten sie die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeite­r analysiere­n, um sie zielorient­iert weiterzubi­lden und einzusetze­n. Lernkultur bedeutet für den Festo-Bildungspr­ofi auch, den Mitarbeite­rn zu erlauben, sich in einer Kaffeeecke eine halbe Stunde vor Feierabend über Technologi­etrends auszutausc­hen. „Und warum nicht das Ganze mit einer Pizza und einem Kasten Bier sponsern?“

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