Bechtle & Co. profitieren vom Home-Office-Trend
Die Jahresumsätze 2019 der hiesigen Systemhäuser konnten sich sehen lassen (siehe Seite 20). Doch im März dieses Jahres stellte sich die Frage, ob die Coronakrise einen Trendwechsel einläuten würde. Schon bald zeigte sich aber, dass Platzhirsche wie Bechtle, Computacenter oder Cancom eher profitieren. Millionen Mitarbeiter in den Unternehmen wurden von einem Tag auf den anderen ins Home Office geschickt. Für die technische Ausrüstung sorgten die Systemhäuser.
Von den ganz großen Verwerfungen blieb die deutsche Systemhausszene 2019 verschont. Auch im vergangenen Jahr gab es Übernahmen und Fusionen, aber nicht in der Größenordnung wie im Jahr 2018. So hat auch Deutschlands größtes Systemhaus, die Bechtle AG, 2019 einige IT-Dienstleister zugekauft.
Bechtle wächst auch in der Krise
Vor allem in der Schweiz hat sich Bechtle 2019 verstärkt – mit der Übernahme von gleich fünf IT-Dienstleistern, die den Schwaben insgesamt über 200 neue Mitarbeiter einbrachten. Kumuliert haben diese fünf Firmen im Jahr 2018 über 40 Millionen Schweizer Franken umgesetzt. Bechtle nutzte die Akquisitionen dazu, seine Präsenz in der Schweiz in einer neu zusammengeführten Gesellschaft, der Bechtle Schweiz AG, zu bündeln. Davor agierten in der Alpenrepublik vier Unternehmen weitgehend eigenständig nebeneinander. Ende 2019 beschäftigte Bechtle etwa 560 Mitarbeiter in der Schweiz und darf daher zu Recht als einer der größten IT-Dienstleister in unserem Nachbarland angesehen werden.
Auch in der Bilanz für 2020 dürfte Bechtle das Ranking der größten Systemhäuser anführen. Denn trotz der Corona-Pandemie konnte der IT-Dienstleister aus Neckarsulm im ersten Quartal seine gesamteuropäischen Erlöse um 9,3 Prozent auf 1,3557 Milliarden Euro steigern. Bechtles Geschäften kam dabei der massenhafte Umzug von Büromitarbeitern in ihre Home Offices entgegen. Oft fehlte den Firmen dafür das Equipment, eilig mussten etwa Notebooks und VPN-Zugänge angeschafft werden. So kam es zu einem unerwarteten Zusatzgeschäft, bei dem Bechtle-Kunden sogar Tausende gebrauchter Laptops wiederaufbereitet zur Verfügung gestellt wurden, weil der Nachschub mit neuen Geräten aus China versiegte.
Mit den zusätzlichen Projekten im Bereich Home Office und Collaboration konnte Bechtle durch die Pandemie verursachte Ausfälle, etwa bei der Ausstattung von Rechenzentren, gut kompensieren. Firmenlenker Thomas Olemotz rechnet damit, dass sich das Geschäft im Laufe des dritten Quartals 2020 wieder normalisieren wird. Die Nachfrage nach Lösungen zur Digitalisierung von Geschäftsprozessen werde weiter anhalten.
Zu den Highlights 2020 zählte für Bechtle bisher die Verlängerung eines Rahmenvertrags mit dem Land Niedersachsen. Außerdem konnte – ebenfalls mitten in der Pandemie – die Regierung des Saarlandes als Kunde gewonnen werden. Der öffentliche Sektor ist für das Systemhaus von immenser Bedeutung. Mit öffentlichen Auftraggebern erzielt die Bechtle-Gruppe etwas mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen. Da lässt sich ein krisenbedingt rückläufiges Geschäft mit anderen Kunden, etwa aus der Automobil- und Maschinenbaubranche, leichter verkraften. Weil es gut lief, war Bechtle sogar in der Lage, von Unternehmen, die Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar entlassen mussten, zumindest einige der Auszubildenden zu übernehmen, damit sie ihre Lehre beenden können.
Für die Schwaben ist der positive Trend intakt: Im zweiten Quartal 2020 erhöhte Bechtle seinen europaweiten Umsatz gegenüber der Vorjahresperiode um 3,9 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Fast 70 Prozent dieser Erlöse erzielte der Konzern mit klassischen IT-SystemhausDienstleistungen und Managed Services. Der Rest entfällt auf das B2B-Commerce-Business, also auf die via „Bechtle direct“abgewickelten Online-Bestellungen von Hard- und SoftwareEquipment seitens der Anwender-Unternehmen (E-Procurement). Das IT-Projektgeschäft in Deutschland hat sich für das Systemhaus gut entwickelt: In diesem Segment konnte Bechtle im zweiten Quartal 2020 ein Umsatzplus von 6,1 Prozent verbuchen – vor allem aufgrund der überdurchschnittlich angestiegenen Nachfrage nach IT-Dienstleistungen aus dem öffentlichen Sektor. Hier verdient ein Projekt besondere Beachtung: das gemeinsam mit dem Hasso-Plattner-Institut betriebene „SchulCloud“-Projekt, bei dem die 1&1-Tochter Ionos als deutscher Cloud-Lieferant fungiert.
Computacenter hat 2019 ebenfalls zugelegt
Deutschlands zweitgrößtes Systemhaus, die Computacenter AG, konnte seinen Umsatz in Deutschland im Jahr 2019 um 5,3 Prozent erhöhen. Das reicht zwar nicht an das 17-prozentige Plus von Bechtle im vergangenen Jahr heran, ist aber gut genug, um den zweiten Platz im Ranking der größten Systemhäuser Deutschlands zu behaupten. Erste Unternehmenszahlen aus dem Kalenderjahr 2020
wird Computacenter Ende September veröffentlichen.
SoftwareOne ist die neue Nummer Drei unter den Top 25
Es gibt eine neue Nummer Drei in der Rangliste der größten Systemhäuser Deutschlands – es ist SoftwareOne. Zum ersten Mal gab der Large Account Reseller (LAR) die Höhe seiner Umsätze in Deutschland bekannt, und das waren 2019 beachtliche 1,720 Milliarden Euro. Dabei sind die in Deutschland erzielten Umsätze der Ende 2018 von SoftwareOne übernommenen Comparex AG eingeschlossen.
Die weltweit vertretene SoftwareOne Holding AG mit Sitz in der Schweiz hat 2019 insgesamt 7,3139 Milliarden Franken umgesetzt – doppelt so viel wie 2018. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die 2019 inkludierten Erlöse der Comparex AG, die mit Niederlassungen auf fast allen Kontinenten aktiv ist. Dabei ist der Hunger der SoftwareOne Holding AG noch nicht gestillt: Allein in den vergangen zwölf Monaten hat das Systemhaus gleich fünf größere IT-Dienstleister übernommen, zum Beispiel den australischen AWS-Experten Gorillastack, das ebenfalls in Australien ansässige Unternehmen BNW, den niederländischen SAP-Spezialisten B-Lay und Teile der lateinamerikanischen Intergrupo.
Im Juli 2020 hat Gartner SoftwareOne zu einem von weltweit nur vier „Leadern“im Markt für Software Asset Management (Bereich „Managed Services“) erklärt. Damit wird SoftwareOnes starke Stellung als Händler und Verwalter von Softwarelizenzen bestätigt.
Cancom mit neuem (altem) Chef
Ins Jahr 2020 ist Cancom noch besser als Bechtle gestartet: Im ersten Quartal 2020 konnte das Münchner Systemhaus seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 27,3 Prozent auf 453,8 Millionen Euro erhöhen.
Die Steigerungsrate bei Bechtle lag im gleichen Zeitraum „nur“bei 9,3 Prozent. Cancom hat vor allem im März 2020 eine hohe Nachfrage nach Softwarelizenzen und Hardware für das mobile Arbeiten von zuhause erlebt. Kunden benötigten vor allem Laptops und Tablets.
Einen Paukenschlag gab es gleich zu Beginn des Jahres 2020: Am 8. Januar verkündete der Vorstandsvorsitzende Thomas Volk seinen Abschied bei Cancom – mit ungewöhnlich deutlichen Worten: Man sei sich über die zukünftige strategische Entwicklung des Unternehmens uneinig. Neuer Vorstandsvorsitzender wurde am 1. Februar 2020 Rudolf Hotter, der schon seit 15 Jahren Mitglied des Vorstands ist und auch schon bei den von Cancom übernommenen Unternehmen Computer Partner AG, Einsteinet und ECS in führender Position tätig war.
An den Kennzahlen des Jahres 2019 konnte diese plötzliche Demission nicht liegen: Cancoms Umsätze sind 2019 in Deutschland um fast 13 Prozent auf 1,294 Milliarden Euro angestiegen. Dieses Wachstum kam nicht nur organisch zustande, sondern ist einigen Akquisitionen und Partnerschaften zu verdanken.
Im Oktober 2019 übernahm Cancom den britischen Managed Service Provider Novosco und ging in den folgenden zwei Monaten Partnerschaften mit zwei weiteren IT-Dienstleistern ein, die Cancoms Cloud-Management-Plattform AHP in den Niederlanden (Detron) und in Nordamerika (ExactlyIT) vertreiben sollen. Im Cloud-Geschäft wächst das Münchner Systemhaus schnell. Im ersten Quartal 2020 betrug die Steigerungsrate im Konzernsegment
„Cloud Solutions“35 Prozent.