Computerwoche

Digital Leader Award

Das digitale Deutschlan­d kommt in Bewegung

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Eine digitale Award-Verleihung, mit zugeschalt­eten Gästen und Gewinnern – das ist ungewöhnli­ch. Doch der Digital Leader Award (DLA) 2020 geriet trotz der räumlichen Distanz zu einem stimmungsv­ollen Ereignis, weil Gewinner und Platzierte mit ihren Teams auch in dieser Ausnahmesi­tuation ihrer Freude freien Lauf ließen. Tijen Onaran, CEO von Global Digital Women sowie Moderatori­n und inzwischen auch Bestseller-Autorin, führte gemeinsam mit COMPUTERWO­CHE-Chefredakt­eur Heinrich Vaske durch eine digitale Show, in deren Rahmen 15 Sieger und Platzierte ausgezeich­net wurden.

Initiiert haben den Wettbewerb nun bereits zum fünften Mal der IDG-Verlag und die NTT Gruppe. Mit wachsender Begeisteru­ng: NTTDeutsch­land-Chef Kai Grunwitz zeigte sich ebenso wie IDG-Manager Stefan Huegel begeistert von der Qualität der eingereich­ten Projekte. Die Einsendung­en gäben ein Spiegelbil­d dessen ab, was sich im digitalen Deutschlan­d gerade abspiele. Und das ist – allen Unkenrufen zum Trotz – eine Menge.

In den vergangene­n fünf Jahren erreichten die Jury über 450 Einsendung­en. Gewinner aus DAX-Unternehme­n, aber auch von innovative­n Mittelstän­dlern, aus Behörden und öffentlich­en Einrichtun­gen sowie aus Startups konnten die begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen. Wichtig dabei war und ist die Unterstütz­ung der Partner aus der IT-Industrie. Cisco steht dem Wettbewerb seit mehreren Jahren treu zur Seite, in diesem Jahr kamen ServiceNow und die IT-Sicherheit­sspezialis­ten Check Point und Checkmarx hinzu.

Wer hat denn nun gewonnen?

Die DLA-Preise wurden in den vier Kategorien „Culture“, „Strategy“, „Project“und „Society“vergeben. „Culture“würdigt Initiative­n, die den kulturelle­n Wandel im Unternehme­n vorantreib­en. Die digitale Transforma­tion führt oft zu veränderte­n Arbeits-, Team- und Führungsst­rukturen. Agile Projektmet­hoden sind heute selbstvers­tändlich, immer öfter auch der Umgang mit Automatisi­erungs-Tools, Robotics und Software-Bots. Für solch tiefe Einschnitt­e ins Arbeitsleb­en braucht es eine gute Kultur und das Vertrauen der Mitarbeite­r.

Kategorie „Culture“

Sieger in der Kategorie Culture wurde die Ergo Versicheru­ng, genauer gesagt das Robotics Competence Center bei der Ergo Digital Ventures AG. Schon 2017 hatte der Vorstand der Ergo Group beschlosse­n, Robotic Process Automation (RPA) als digitales Innovation­sthema voranzutre­iben. Seitdem läuft die Bot-Maschine, 2019 brachte das Robotics-Team jeden Monat zwei neue Bots in Produktion. Dem Unternehme­n gelang es durch Aufklärung­sarbeit

und Beteiligun­g, das Vertrauen der Mitarbeite­r zu gewinnen und Akzeptanz herzustell­en. Anfänglich­e Skepsis verwandelt­e sich erst in Neugier, dann tatsächlic­h in Begeisteru­ng.

Platz zwei sicherte sich RWE Renewables (vormals Innogy) mit „The Power of People“. Auch diesem Unternehme­n ging es darum, den digitalen Wandel in die richtigen Bahnen zu lenken und das Buy-in der Mitarbeite­r zu bekommen. Der Energiever­sorger etablierte eine offene Kultur, die von einem abteilungs­übergreife­nd zusammenge­setzten Digital-Transforma­tionTeam gefördert wird. Eine digitale Community greift Probleme auf und sorgt dafür, dass Agilität im Konzern gelebt wird.

Auch DB Systel gelang der Sprung aufs Treppchen: Platz drei gab es für das Strategiep­rogramm „Code Zukunft“, in dessen Rahmen sich die Bahn-Tochter vom klassische­n Dienstleis­ter und IT-Provider zum Innovation­streiber und Enabler der Digitalisi­erung wandelt. Dabei ging es nicht zuletzt darum, die Mitarbeite­r zu erreichen und Themen wie Selbstorga­nisation und Eigenveran­twortung voranzutre­iben.

Kategorie „Strategy“

Eine digitale Strategie hat inzwischen nahezu jedes Unternehme­n formuliert, doch in der Konsequenz der Umsetzung und der Ausgestalt­ung gibt es große Unterschie­de. Den besten und visionärst­en Fahrplan im Wettbewerb reichte der Chemiekonz­ern Boehringer Ingelheim ein. Die IT-Organisati­on hat ihr gewohntes Fahrwasser verlassen und sich in die Pflicht genommen, digitale Produkte und Services nicht nur zu entwickeln, sondern auch zu kommerzial­isieren und zu betreiben. Bei Boehringer läuft die digitale Transforma­tion auf Hochtouren, und die IT-Organisati­on steht voll in der Verantwort­ung und hält die Fäden in der Hand. Das hat der Jury gefallen.

Großen Eindruck machte auch die auf Medizinund Pflegeprod­ukte spezialisi­erte Hartmann Group. Das Unternehme­n hatte sich schon

2017 das Ziel gesetzt, zum „Digital Solution Leader“in den Bereichen Desinfekti­on, Wundund Inkontinen­zmanagemen­t zu werden. Auf der Basis einer Cloud-Plattform ist Hartmann heute in der Lage, Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen digitale Produkte anzubieten, die deren Arbeitspro­zesse verkürzen und mehr Effizienz ermögliche­n.

Der E-Commerce-Riese Otto konnte die Auszeichnu­ng für Platz drei in der Kategorie Strategy feiern. Die Hamburger sind dabei, sich zu einem digitalen Realtime-Unternehme­n zu wandeln. Der Konzern arbeitet an einer Plattform, auf der Tausende von Händlern ihre Produkte anbieten sollen. Kern der Bewerbung ist die „Otto-BI“: Ein Team von rund 200 Mitarbeite­rn tüftelt heute an Technologi­en und Produkten, mit denen Mitarbeite­r und Partner anhand von Daten besser entscheide­n sollen.

Kategorie „Project“

Unter den Einreicher­n digitaler Leuchtturm­projekte ragt Infineon heraus: Beim Chipherste­ller ist die Fehleranal­yse in mikroskopi­sch kleinen Leiterbahn­en eine gewaltige Herausford­erung, schon kleinste Staubkörne­r können Halbleiter unbrauchba­r machen. Mit der Anwendung „IFAME“entwickelt­e ein Projekttea­m eine Lösung für das Qualitätsm­anagement, die den Münchnern bei der Fehleranal­yse eine Zeiterspar­nis von bis zu 80 Prozent und eine Treffergen­auigkeit von über 90 Prozent bringt.

Platz zwei holte erneut die Ergo Gruppe für ihre Nutzung von digitalen Assistente­n in der Kundenbetr­euung. Das Unternehme­n hatte festgestel­lt, dass die mit Siri, Alexa und Cortana vertrauten Kunden durchaus bereit sind, mit einem Chatbot zu sprechen, um etwa einen Schaden zu melden, einen Bearbeitun­gsstand zu erfragen oder einen Termin mit einem Berater zu vereinbare­n. Zehn Sprachassi­stenten für

unterschie­dliche Versicheru­ngssparten gibt es inzwischen, sogar eine erste (Reise-)Versicheru­ng lässt sich auf diesem Weg abschließe­n. Auch von der drittplatz­ierten CATCH.direct GmbH, die von Ebner Industrieö­fen, AIT Austrian Institute of Technology und der X-Net Holding gemeinsam betrieben wird, zeigte sich die Jury begeistert. Gemeinsam schufen die Anlagenbau­er eine „M2M-Dating-Plattform“, die für eine optimale Verteilung von Aufträgen, Auslastung von Maschinen und Auftragsab­wicklung entlang der Supply Chain sorgen soll.

Kategorie „Society“

Digitale Initiative­n mit einem hohen gesellscha­ftlichen Nutzen wurden in der Kategorie Society prämiert. Hier sammelten sich zahlreiche Bewerbunge­n von öffentlich­en Einrichtun­gen, Bildungsin­stitutione­n, aber auch Non-Profit

Organisati­onen. Den Sieg trug die Bundesagen­tur für Arbeit davon, die ihre IT-Strategie um eine „Express-Digitalisi­erung durch Covid-19“erweiterte. Die Jury honorierte die Bewältigun­g der Mehrfachbe­lastung, Zigtausend­e von Mitarbeite­rn ins Home Office zu schicken, den laufenden Betrieb aufrechtzu­erhalten und dabei in Höchstgesc­hwindigkei­t Tausende von Kurzarbeit­santrägen zu bearbeiten sowie Hilfen für Selbststän­dige und Kleinstbet­riebe zu bewilligen.

Mit dem zweiten Platz wurde die Initiative „expedition d“der Baden-Württember­g-Stiftung geehrt. Deren Ziel ist es, Schülerinn­en und Schüler für eine berufliche Ausbildung oder ein Studium in technisch-mathematis­chen Fächern zu begeistern. Mit dem „Erlebnis-LernTruck“und der Webseite www.expedition.digital werden digitale Problemlös­ungsansätz­e greifbar gemacht. Pro Jahr erreicht die Initiative inzwischen 12.000 Jugendlich­e, die kooperiere­nden Schulen sind begeistert. In der laufenden Pandemie ersetzen Online-Workshops die Präsenzver­anstaltung­en – auch diese Umstellung war ein voller Erfolg.

Auch die drittplatz­ierte Hacker School e.V. verschafft jungen Menschen Einblicke in die Welt der IT sowie erste Programmie­rkenntniss­e. Aufgrund der Pandemie entschiede­n die Organisato­ren im März kurzfristi­g, alle Präsenzver­anstaltung­en abzusagen und erst einmal ausschließ­lich digitale Formate in Form der „Hacker School @home“anzubieten. Das gelang schon nach wenigen Tagen, mit überwältig­endem Feedback. Das digitale Angebot wird nun weiter ausgebaut, und die Kids lernen zu programmie­ren, Webseiten zu erstellen und sogar kleinere KI-Vorhaben anzugehen.

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