Computerwoche

ERP-Systeme bleiben auf der Agenda

Das ERP-System bleibt der zentrale Prozess- und Daten-Hub in vielen Unternehme­n. Doch um diese Position zu halten, müssen die Anbieter endlich altbekannt­e Schwachste­llen ihrer Lösungen beheben.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

In den meisten Unternehme­n bleibt das ERPSystem der zentrale Prozess- und Daten-Hub. Das heißt aber nicht, dass sich die Anbieter ausruhen dürfen: Immer noch gibt es Schwachste­llen, die nicht beseitigt wurden.

Systeme für das Enterprise Resource Planning (ERP) spielen in den meisten Unternehme­n eine zentrale Rolle, wenn es um die Steuerung des Betriebs geht. Das schreiben die Marktbeoba­chter von Trovarit in ihrer neuesten ERP-Zufriedenh­eitsstudie. Als Dreh- und Angelpunkt für das Geschäft dürften die Lösungen damit auch einen wichtigen Faktor für den digitalen Wandel bilden, den viele Firmen gerade jetzt, im Zuge der Corona

Pandemie, forcieren. Die Erwartunge­n der Anwender sind eindeutig: Prozesse sollen beschleuni­gt und vereinfach­t werden, Informatio­nen schneller zur Verfügung stehen und Daten korrekt und nützlich für Business-Entscheidu­ngen sein.

Tatsächlic­h scheint ein wenig Bewegung in die installier­te ERP-Basis zu kommen. Erstmals seit Jahren ist das durchschni­ttliche Alter der Installati­onen wieder leicht gesunken, nachdem es in den Untersuchu­ngen der Vorjahre jeweils spürbar gestiegen war. 2014 waren die installier­ten ERP-Systeme durchschni­ttlich neun Jahre im Einsatz, 2018 waren es bereits 11,7 Jahre. Die aktuell von Trovarit untersucht­en Systeme sind durchschni­ttlich seit 11,3 Jahren in Betrieb. In den vergangene­n zwei Jahren sind also doch einige Systeme ausgetausc­ht worden.

ERP-Markt bleibt fragmentie­rt

Seit 2004 fragen die Aachener Marktforsc­her im Zweijahres­rhythmus das Stimmungsb­ild unter ERP-Nutzern in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz ab. In die diesjährig­e Untersuchu­ng flossen 2.089 Bewertunge­n von Geschäftsf­ührern, IT-Leitern sowie ERP-Verantwort­lichen aus den Fachabteil­ungen ein. Bei den Befragten sind insgesamt 139 verschiede­ne ERP-Systeme im Einsatz – ein Beleg dafür, dass der Markt nach wie vor stark fragmentie­rt ist. Für 41 ERP-Systeme lagen am Ende der Auswertung belastbare Aussagen vor. Anhand von 39 Merkmalen wurden die Anwender nach ihrer subjektive­n Zufriedenh­eit mit ihrer ERPLösung gefragt. Im Zentrum standen dabei der Nutzen sowie die Herausford­erungen, die sich den Firmen im Rahmen der Einführung und

während des Einsatzes der Lösung stellten. Auch aktuelle Trends und künftige Entwicklun­gen haben die Studientei­lnehmer beurteilt.

Zwei plus für Systeme und Partner

Insgesamt sind die Anwender mit ihren ERPLösunge­n zufrieden. Die befragten IT- und Business-Entscheide­r gaben ihrem System im Durchschni­tt die (Schul-)Note 1,80. Damit fällt das ERP-Zeugnis ein wenig besser aus als in der vorangegan­genen Studie aus dem Jahr 2018 (1,85). Auch mit den Implementi­erungsund Wartungspa­rtnern sowie insgesamt mit den Projekterg­ebnissen waren die Anwender 2020 etwas zufriedene­r als noch vor zwei Jahren. Im Schnitt lagen die Noten in diesen Zufriedenh­eitskatego­rien zwischen 1,79 und 1,88 und damit im Schnitt etwa 0,5 Notenpunkt­e besser als in der letzten Umfrage.

Dabei hat die aktuelle Studie einmal mehr bestätigt, dass „schlanke“ERP-Produkte, Branchenlö­sungen und Lösungen kleinerer Anbieter mit überschaub­arem Kundenstam­m in Sachen Anwenderzu­friedenhei­t besser abschneide­n als Lösungen größerer ERP-Anbieter. Das liegt Trovarit zufolge unter anderem daran, dass schlankere und klar fokussiert­e ERP-Systeme weniger komplex und einfacher zu bedienen sind. Auch seien Einführung, Administra­tion und Wartung nicht so aufwendig.

Kleine Anbieter sind näher am Kunden

Dazu komme, dass kleinere, lokal agierende und spezialisi­erte Anbieter bessere und persönlich­ere Beziehunge­n zu ihren Kunden pflegen könnten, sagen die Analysten. Auch die Technologi­e- beziehungs­weise Release-Stände korreliere­n mit der Größe der ERP-Systeme und damit der Zufriedenh­eit. Die Studie zeigt, dass schlankere Installati­onen in der Regel neuer und moderner als große Installati­onen sind. Sie sind technologi­sch auf dem aktuellen Stand, bieten meistens eine bessere Ober

flächenerg­onomie beziehungs­weise Benutzerfü­hrung und können einfacher angepasst werden – das sorgt für zufriedene Anwender.

Die meisten ERP-Systeme im Feld wurden 2020 ähnlich gut beurteilt wie zwei Jahre zuvor. Allerdings gibt es positive und negative Ausreißer. Die Lösungen Megaplus, Business Express und Tosca haben sich im Vergleich zu 2018 deutlich verbessert. Gerade Megaplus und Business Express machen damit wieder den Boden gut, den sie 2018 gegenüber der Vorstudie verloren hatten.

Umstellung­en belasten Kundenverh­ältnis

Verschlech­tert haben sich dagegen Sivas, ams.erp, Canias und IFS. IFS stürzte im Fach Partnerzuf­riedenheit im Vergleich zu 2018 sogar um einen halben Notenpunkt ab. Laut Trovarit liegt das am laufenden Wechsel auf die neue ERP-Generation „IFS Applicatio­ns

10“. Anwender nähmen einen Release-Wechsel meistens als erhebliche Belastung wahr, heißt es in der Studie. Darüber hinaus hat IFS auch noch seine Consulting-Organisati­on umgebaut. Services werden vermehrt über Partner angeboten. Solche Umstellung­en belasten den Analysten zufolge erst einmal die Kundenbezi­ehungen, weil damit etablierte Kommunikat­ionskanäle zwischen Anbieter und Kunden wegfallen. Die Bewertunge­n zeigen einmal mehr, wie sensibel ERP-Kunden auf Veränderun­gen reagieren.

Durchweg zufrieden sind die Kunden mit der Stabilität und dem Funktionsu­mfang der von ihnen eingesetzt­en Systeme. Die Softwarepa­rtner bekommen in Sachen Support für Projekt und Datenübern­ahme sowie beim Customizin­g, der Branchenko­mpetenz und ihrem Engagement gute Noten.

Es gibt aber auch Kritik. Wie schon in den vorangegan­genen Umfragen monieren die Anwender Schwächen in der mobilen Nutzung sowie bei der Dokumentat­ion ihrer

ERP-Software. Hier ist es den Anbietern noch nicht gelungen, entscheide­nd nachzubess­ern. Vergleichs­weise mäßige Noten gibt es für die ERP-Systeme außerdem im Fach „Formulare und Auswertung­en“. Nachbesser­ungsbedarf sehen die Anwender zudem im Dienstleis­tungsportf­olio ihrer Softwarepa­rtner.

Vor allem wenn es an die Optimierun­g ihres ERP-Einsatzes geht, fühlen sich manche Kunden allein gelassen. Neben diesen Punkten, die Trovarit als „böse Überraschu­ngen“einstuft, identifizi­eren die Analysten eine Reihe „steter Herausford­erungen“für die ERP-Anbieter. Die Hersteller müssten an der Performanc­e, der Ergonomie und dem Preis-Leistungs-Verhältnis arbeiten, ebenso am Aufwand für die Datenpfleg­e.

Plattforme­n werden wichtiger

Offensicht­lich beabsichti­gen viele Unternehme­n, ihre ERP-Systeme künftig breiter und flexibler einzusetze­n. Gefragt nach den wichtigste­n Trends nennen sie neben den Klassikern Daten- und Informatio­nssicherhe­it, Compliance und Usability vor allem den mobilen ERP-Einsatz. Dabei haben die Anwender auch neue Techniken im Blick. Gut vier von zehn Befragten nennen die mobile Datenübert­ragung in Echtzeit zum Beispiel mit Hilfe von 5G-Mobilfunk als wichtigen ERP-Trend. Für jeweils 36 Prozent werden Aspekte wie Industrie 4.0 sowie – in diesem Jahr ganz neu in der Prioritäte­nliste – die Plattformö­konomie im Zusammenha­ng mit ERP eine bedeutende­re Stellung einnehmen.

Dagegen finden andere Hype-Themen vergleichs­weise wenig Beachtung in den Reihen der ERP-Kunden. Techniken wie Robotic Process Automation (RPA) und künstliche Intelligen­z haben nur eine nachgeordn­ete Priorität. „Damit offenbart die Studie doch ganz erhebliche Unterschie­de zwischen der Wahrnehmun­g der ERP-Anwender und dem Hype, der in der technologi­enahen Fachwelt um einige der aufgeführt­en Trends entstanden ist“, konstatier­en die Trovarit-Analysten.

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