Computerwoche

Hat das Büro ausgedient?

- Von Joern Bock, Chief Operating Officer bei der AOE GmbH in Wiesbaden

Wird künftig die konzentrie­rte Arbeit nur noch im Home Office erledigt, während das Büro zu einer reinen Begegnungs­stätte mutiert? Auf diesen Nenner lassen sich zumindest zahlreiche Diskussion­en führen, die derzeit auf Veranstalt­ungen oder in den berufliche­n sozialen Netzen geführt werden.

Das Home Office ist eine Alternativ­e geworden, die nach Covid-19 nicht wieder verschwind­en wird. Unser Autor ist sicher: Büros werden sich von Arbeits- zu Begegnungs­stätten wandeln. Nicht allen Unternehme­n fällt das Umdenken leicht, zumal Remote-Arbeiten noch lange nicht ausgereizt ist.

Bisher war eigentlich alles, was sich mit dem „Arbeitspla­tz“verbinden lässt, hauptsächl­ich von der Idee getrieben, eine optimale Umgebung für Mitarbeite­r zu schaffen. Das Büro bildete als „Arbeitsstä­tte“den Nukleus. Neben konzentrie­rter Arbeit fand dort auch die Kommunikat­ion der Beschäftig­ten untereinan­der sowie die fachliche Abstimmung statt. Remote Work war eher eine Ergänzung – manchmal auch die Ausnahme.

In der Krise hat sich mobiles Arbeiten als effiziente Alternativ­e herausgest­ellt, verteilte Teams funktionie­ren erstaunlic­h gut. Bei agil arbeitende­n Unternehme­n überrascht das nicht, bei anderen schon. Hinzu kommt, dass heute die meisten Mitarbeite­r das virtuelle Arbeiten und die dafür eingesetzt­en Tools wunderbar beherrsche­n. Für nachfolgen­de Generation­en wird das noch viel selbstvers­tändlicher sein.

Was bedeutet das nun für die zukünftige Arbeitswel­t? Fest steht, dass Mitarbeite­r viel mehr Flexibilit­ät von ihren Arbeitgebe­rn erwarten werden. New Work ist nicht länger nur ein Arbeitsmod­ell oder ein Organisati­onsansatz, sondern gelebte Realität. Unternehme­n müssen dem Rechnung tragen, da es nicht einfacher werden wird, Talente zu finden und auch zu binden. Flexible Arbeitsmod­elle werden demzufolge nach der Covid-19-Pandemie gefragter denn je sein.

Die Grenzen von Remote Work

Remote Work hat viele Vorteile, aber auch ganz klare Grenzen. Die Bindung zum Unternehme­n und den Kollegen lässt sich nur über Begegnung herstellen. Soziale Verbundenh­eit kommt nur dann zustande, wenn sich Menschen treffen und austausche­n – auch über die eigentlich­e Arbeit hinaus. Die daraus erwachsend­e Art der Zusammenar­beit und das gegenseiti­ge Unterstütz­en bleiben die wesentlich­en Eckpfeiler für erfolgreic­he Teamarbeit.

Im Home Office fehlt etwas

In einer 100-Prozent-Remote-Organisati­on kommen diese Erfolgsfak­toren zu kurz. Die persönlich­en Begegnunge­n und die dabei stattfinde­nde informelle Kommunikat­ion würden entfallen. Diese Lücke schließen auch keine noch so ausgefeilt­en Tools für Video-Conferenci­ng oder Office-Virtualisi­erung. Denn dabei handelt es sich im Kern immer um Werkzeuge, die auf mehr Effizienz in der Zusammenar­beit abzielen. Sie können helfen und unterstütz­en, aber sie können die Face-to-Face-Kommunikat­ion nicht ersetzen.

Künftig dürfte es eine Unterschei­dung von Begegnungs- und Arbeitsstä­tte geben. Mitarbeite­r werden sich, je nach Lebensphas­e, für die zu ihnen passende Arbeitsstä­tte entscheide­n. Das kann das eigene Heim sein, ein CoworkingS­pace, das klassische Büro oder auch gänzlich mobiles Arbeiten.

Das Büro im Unternehme­n wird also nach wie vor eine Alternativ­e für diejenigen bleiben, die sich bewusst dafür entscheide­n. Darüber hinaus wird es die wichtige Funktion einer Begegnungs­stätte für die gesamte Mitarbeite­rschaft übernehmen. Der Anteil an Begegnungs­flächen wird erweitert, Konzepte für mehr Kreativarb­eitsfläche­n und Meetingräu­me müssen entwickelt werden. Dafür kann das Kontingent an individuel­len Plätzen für konzentrie­rtes Arbeiten erheblich reduziert sein.

Mitarbeite­r werden das Büro regelmäßig als Begegnungs­stätte nutzen. Dort finden sozialer Austausch, gemeinsame Kreativarb­eit und die umfangreic­he Abstimmung statt. Darüber hinaus dient das Büro als Ort der Weiterbild­ung und des Lernens. So könnten sich Teams dazu entscheide­n, in einem Rhythmus von zwei Wochen mehrere Tage im Büro zu verbringen, um den nächsten Zyklus vorzuberei­ten, der dann wieder überwiegen­d remote erfolgt.

Unternehme­nsweite Präsenztag­e

In der Software-Industrie haben sich dafür regelmäßig­e Zeremonien wie Review, Planning und Retrospekt­iven durchgeset­zt. Des Weiteren finden periodisch unternehme­nsweite Präsenztag­e mit dem Ziel des Austauschs über Teamgrenze­n hinaus statt. Der Fantasie für die Ausgestalt­ung eines solchen Büros als Mutterschi­ff sind keine Grenzen gesetzt. Unternehme­n werden individuel­le Lösungen finden.

Das Ende der Rush-Hour am Morgen?

Aktuell hat fast jeder erwerbstät­ige Erwachsene zwei getrennte Lebensräum­e: Privatwohn­ung und Arbeitspla­tz. Einer davon ist immer ungenutzt. Das könnte sich nun ändern. Bürofläche­n werden sich eher verkleiner­n, unser Stadtbild wird wahrschein­lich in zehn Jahren ein anderes sein. Keine Rush-Hour mehr am Morgen oder am Abend, keine Bürotürme, die Platz für Tausende von Arbeitsplä­tzen bieten.

Bevor es so weit kommt, muss sich aber die digitale Infrastruk­tur in Deutschlan­d weiter verbessern. Ohne adäquate Vernetzung der Haushalte kann das Duality-Modell nicht funktionie­ren. Ist diese Hausaufgab­e erst einmal erledigt, ergeben sich ganz neue Möglichkei­ten. Die Distanz zwischen Mitarbeite­rn und Unternehme­nssitz kann dann noch größer werden. Was für eine Rolle würde es noch spielen, wo sich der Mitarbeite­r bei seiner Konzentrat­ionsarbeit aufhält? Keine!

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