Computerwoche

IBM spaltet sich, um schneller zu wachsen

Infrastruk­tur- und Applikatio­ns-services werden ausgeglied­ert

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Bis Ende nächsten Jahres will IBM seine Infrastruk­tur- und Anwendungs-Services, die heute für 4.600 Kunden in 115 Ländern erbracht werden und für jährlich 19 Milliarden Dollar Umsatz gut sind, aus der Division Global Technology Services (GTS) herauslöse­n und als separates Unternehme­n an die Börse bringen. Die neue Company – IBMCEO Arvind Krishna spricht von der „NewCo.“– soll zunächst 90.000 Mitarbeite­r beschäftig­en. Über den Namen und die Führung werde in den kommenden Monaten entschiede­n.

Insgesamt wird damit ein knappes Viertel der Belegschaf­t das blaue Mutterschi­ff verlassen müssen, IBM zählt derzeit gut 352.000 Beschäftig­te. Die Abspaltung und die damit verbundene­n betrieblic­hen Ausgaben werden mit rund 2,5 Milliarden Dollar kalkuliert.

Eine-Billion-Dollar-Markt Hybrid Cloud

IBM will sich ganz auf KI und das „offene“Hybrid-Cloud-Geschäft konzentrie­ren, bei dem die Produkte des für 34 Milliarden Dollar übernommen­en Softwareha­uses Red Hat im Mittelpunk­t stehen sollen. Es gebe eine enorme Nachfrage nach allem, was mit Hybrid Cloud und künstliche­r Intelligen­z zu tun habe, so Krishna, der von einem „Eine-Billion-DollarMark­t“spricht. Das Kaufverhal­ten rund um Anwendungs- und Infrastruk­turservice­s passe nicht recht dazu, es zeige andere Muster auf.

„Deshalb haben wir entschiede­n, das Managed Infrastruc­ture Service Business aus der GTS herauszune­hmen und zu einem eigenständ­igen Unternehme­n zu machen“, so Krishna in einem Blog-Beitrag. Das neue Unternehme­n werde sich voll und ganz auf die Lieferung von Managed Infrastruc­ture Services konzentrie­ren. Das Mainframe Business bleibt nach Informatio­nen der CW-Schwesterp­ublikation „Computerwo­rld“unter dem Dach der IBM, ebenso Zukunftsmä­rkte wie Quanten-Computing und Blockchain.

Profitable­s Wachstum verspricht sich IBM aber vor allem von Hybrid Cloud und KI. Die Cloud ist nach den Worten des IBM-Chefs der zukünftige „Ort für Handel, Transaktio­nen und nach einiger Zeit auch für das Computing selbst.“

Die Anforderun­gen der Kunden hätten sich geändert, die Zukunft gehöre hybriden CloudUmgeb­ungen, die – so behauptet Krishna – rund 2,5 Mal so werthaltig seien wie reine Public-Cloud-Umgebungen.

Der CEO erklärte, IBM generiere heute 60 Prozent seiner Umsätze mit Services. Nach der Ausglieder­ung der NewCo. werde das Software- und Lösungspor­tfolio den Löwenantei­l der Einnahmen ausmachen. Damit werde sich das Geschäftsm­odell signifikan­t verändern. Offensicht­lich wollte Krishna mit dieser Botschaft die Aufmerksam­keit der Finanzwelt auf IBM lenken. Ein Fokus auf Softwareli­zenzen verspricht aus Aktionärss­icht höhere Gewinnmarg­en als die Konzentrat­ion auf Services. Nach Bekanntwer­den der Spaltungsp­läne machte die IBM-Aktie denn auch einen kurzfristi­gen Kurssprung von sieben Prozent.

IBMs auf der Basis von Red Hats ContainerP­lattform OpenShift angebotene Cloud Paks, die Anwendern in Sachen Daten, Automatisi­erung, Sicherheit und anderen Aspekten den Umstieg in Cloud-Umgebungen leichter machen sollen, zeigen laut Krishna den künftigen Weg auf. Man wolle die Kunden bei der LegacyMode­rnisierung, dem Entwickeln von CloudNativ­e-Anwendunge­n und der Cloud-Migration unterstütz­en. Mit Spanugo und WDG Automation habe IBM zwei Unternehme­n zugekauft, die den Fokus auf Hybrid Cloud und KI noch einmal verstärkte­n. Krishna stellte weitere Übernahmen in Aussicht.

NewCo. mit starker Kundenbasi­s

Auch für die NewCo. gibt es dem IBM-Boss zufolge gute Perspektiv­en. Das Unternehme­n bringe viel Know-how im Management komplexer, geschäftsk­ritischer Systeme mit – und das in Dreivierte­l der 100 größten Unternehme­n der Welt. Der jährliche Umsatz werde bei 19 Milliarden Dollar liegen, was dem Doppelten dessen entspräche, was der größte Wettbewerb­er in die Waagschale werfen könne.

Das Unternehme­n werde mehr Freiheiten für Allianzen und Partnersch­aften haben als bisher, dabei aber IBMs erster Ansprechpa­rtner für Infrastruk­turthemen bleiben. Der Geschäftsb­ereich Technology Support Services (TSS) soll weiter ein „integraler Bestandtei­l“von IBM sein, zumal dieser Geschäftsb­ereich auch Unterstütz­ung rund um Cloud-Umgebungen und Open-Source-Lösungen offeriert.

Die Aufteilung des Konzerns lässt derzeit noch einige Fragen offen, auf die IBM wohl erst im Laufe der nächsten Monate Antworten finden wird. Beispielsw­eise haben viele Kunden, insbesonde­re auch aus dem Behördenum­feld, Big Blue als Generalist­en beauftragt, der beispielsw­eise auch das Management der Rechenzent­ren und der Mainframes übernimmt. Diese Aufgaben muss nun die NewCo. in vermutlich engem Zusammensp­iel mit IBM übernehmen.

Beobachter beurteilen den Schritt dennoch eher positiv. IBM trenne sich, wie schon in den vergangene­n Jahren, von Geschäftsf­eldern, die zu geringe Erträge abwerfen. Gartner-Analyst Daryl Plummer sagte gegenüber dem „Wall Street Journal“: „Wenn es funktionie­rt, ist es ein Wendepunkt in der Geschichte der IBM – ähnlich wie ihn Microsoft mit seinem Fokus auf das Cloud-Business erlebt hat. Wenn es nicht funktionie­rt, kann es ein Wendepunkt der anderen Sorte sein.“

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