IBM spaltet sich, um schneller zu wachsen
Infrastruktur- und Applikations-services werden ausgegliedert
Bis Ende nächsten Jahres will IBM seine Infrastruktur- und Anwendungs-Services, die heute für 4.600 Kunden in 115 Ländern erbracht werden und für jährlich 19 Milliarden Dollar Umsatz gut sind, aus der Division Global Technology Services (GTS) herauslösen und als separates Unternehmen an die Börse bringen. Die neue Company – IBMCEO Arvind Krishna spricht von der „NewCo.“– soll zunächst 90.000 Mitarbeiter beschäftigen. Über den Namen und die Führung werde in den kommenden Monaten entschieden.
Insgesamt wird damit ein knappes Viertel der Belegschaft das blaue Mutterschiff verlassen müssen, IBM zählt derzeit gut 352.000 Beschäftigte. Die Abspaltung und die damit verbundenen betrieblichen Ausgaben werden mit rund 2,5 Milliarden Dollar kalkuliert.
Eine-Billion-Dollar-Markt Hybrid Cloud
IBM will sich ganz auf KI und das „offene“Hybrid-Cloud-Geschäft konzentrieren, bei dem die Produkte des für 34 Milliarden Dollar übernommenen Softwarehauses Red Hat im Mittelpunkt stehen sollen. Es gebe eine enorme Nachfrage nach allem, was mit Hybrid Cloud und künstlicher Intelligenz zu tun habe, so Krishna, der von einem „Eine-Billion-DollarMarkt“spricht. Das Kaufverhalten rund um Anwendungs- und Infrastrukturservices passe nicht recht dazu, es zeige andere Muster auf.
„Deshalb haben wir entschieden, das Managed Infrastructure Service Business aus der GTS herauszunehmen und zu einem eigenständigen Unternehmen zu machen“, so Krishna in einem Blog-Beitrag. Das neue Unternehmen werde sich voll und ganz auf die Lieferung von Managed Infrastructure Services konzentrieren. Das Mainframe Business bleibt nach Informationen der CW-Schwesterpublikation „Computerworld“unter dem Dach der IBM, ebenso Zukunftsmärkte wie Quanten-Computing und Blockchain.
Profitables Wachstum verspricht sich IBM aber vor allem von Hybrid Cloud und KI. Die Cloud ist nach den Worten des IBM-Chefs der zukünftige „Ort für Handel, Transaktionen und nach einiger Zeit auch für das Computing selbst.“
Die Anforderungen der Kunden hätten sich geändert, die Zukunft gehöre hybriden CloudUmgebungen, die – so behauptet Krishna – rund 2,5 Mal so werthaltig seien wie reine Public-Cloud-Umgebungen.
Der CEO erklärte, IBM generiere heute 60 Prozent seiner Umsätze mit Services. Nach der Ausgliederung der NewCo. werde das Software- und Lösungsportfolio den Löwenanteil der Einnahmen ausmachen. Damit werde sich das Geschäftsmodell signifikant verändern. Offensichtlich wollte Krishna mit dieser Botschaft die Aufmerksamkeit der Finanzwelt auf IBM lenken. Ein Fokus auf Softwarelizenzen verspricht aus Aktionärssicht höhere Gewinnmargen als die Konzentration auf Services. Nach Bekanntwerden der Spaltungspläne machte die IBM-Aktie denn auch einen kurzfristigen Kurssprung von sieben Prozent.
IBMs auf der Basis von Red Hats ContainerPlattform OpenShift angebotene Cloud Paks, die Anwendern in Sachen Daten, Automatisierung, Sicherheit und anderen Aspekten den Umstieg in Cloud-Umgebungen leichter machen sollen, zeigen laut Krishna den künftigen Weg auf. Man wolle die Kunden bei der LegacyModernisierung, dem Entwickeln von CloudNative-Anwendungen und der Cloud-Migration unterstützen. Mit Spanugo und WDG Automation habe IBM zwei Unternehmen zugekauft, die den Fokus auf Hybrid Cloud und KI noch einmal verstärkten. Krishna stellte weitere Übernahmen in Aussicht.
NewCo. mit starker Kundenbasis
Auch für die NewCo. gibt es dem IBM-Boss zufolge gute Perspektiven. Das Unternehmen bringe viel Know-how im Management komplexer, geschäftskritischer Systeme mit – und das in Dreiviertel der 100 größten Unternehmen der Welt. Der jährliche Umsatz werde bei 19 Milliarden Dollar liegen, was dem Doppelten dessen entspräche, was der größte Wettbewerber in die Waagschale werfen könne.
Das Unternehmen werde mehr Freiheiten für Allianzen und Partnerschaften haben als bisher, dabei aber IBMs erster Ansprechpartner für Infrastrukturthemen bleiben. Der Geschäftsbereich Technology Support Services (TSS) soll weiter ein „integraler Bestandteil“von IBM sein, zumal dieser Geschäftsbereich auch Unterstützung rund um Cloud-Umgebungen und Open-Source-Lösungen offeriert.
Die Aufteilung des Konzerns lässt derzeit noch einige Fragen offen, auf die IBM wohl erst im Laufe der nächsten Monate Antworten finden wird. Beispielsweise haben viele Kunden, insbesondere auch aus dem Behördenumfeld, Big Blue als Generalisten beauftragt, der beispielsweise auch das Management der Rechenzentren und der Mainframes übernimmt. Diese Aufgaben muss nun die NewCo. in vermutlich engem Zusammenspiel mit IBM übernehmen.
Beobachter beurteilen den Schritt dennoch eher positiv. IBM trenne sich, wie schon in den vergangenen Jahren, von Geschäftsfeldern, die zu geringe Erträge abwerfen. Gartner-Analyst Daryl Plummer sagte gegenüber dem „Wall Street Journal“: „Wenn es funktioniert, ist es ein Wendepunkt in der Geschichte der IBM – ähnlich wie ihn Microsoft mit seinem Fokus auf das Cloud-Business erlebt hat. Wenn es nicht funktioniert, kann es ein Wendepunkt der anderen Sorte sein.“