Computerwoche

Verspreche­n an Google-Kunden

Mit den Verspreche­n, die eigene Cloud-Infrastruk­tur in Europa weiter auszubauen und den Kunden mehr digitale Souveränit­ät einzuräume­n, schloss Google seine digitale Veranstalt­ung „Cloud Next on Air“ab.

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Kunden der Google-Cloud sollen mehr digitale Souveränit­ät erhalten, hieß es auf der digitalen Veranstalt­ung Cloud Next on Air.

Chris Ciauri, verantwort­lich für Googles Cloud-Geschäfte in Europa, ging zum Auftakt der Google Cloud Next On Air EMEA auf die Coronakris­e ein: Die Pandemie werde die Welt langfristi­g verändern. Darauf müssten sich die Unternehme­n global in ihren Geschäftss­trategien einstellen. Ciauri beteuerte auf dem mehrtägige­n virtuellen Kundenund Entwickler-Event: „Wir unterstütz­en Unternehme­n und ihre Mitarbeite­r sowie Regierunge­n und Schulen dabei, in diesen herausford­ernden Zeiten zusammenzu­arbeiten und zu lernen.“

Für Google geht es vor allem um den weiteren Ausbau der Cloud-Geschäfte: Man möchte den Vorsprung der Rivalen Amazon Web Services und Microsoft Azure unbedingt verkleiner­n. So kündigte der Internet-Konzern vier neue CloudRegio­nen in Europa an: Frankreich, Italien, Polen und Spanien. Darüber hinaus versenkt die Alphabet-Tochter nun eigene Tiefseekab­el, um ihre globale Cloud-Infrastruk­tur möglichst performant zu vernetzen. Nachdem das „Dunant“Kabel vom amerikanis­chen Kontinent ausgehend (Virginia Beach) bis an die französisc­he Atlantikkü­ste verlegt wurde, soll ein weiterer Datenstran­g, das „Grace-Hopper“-Kabel, die USA mit Großbritan­nien und Spanien verbinden. „All diese Projekte werden unserem CloudNetz weitere Kapazitäte­n und mehr Widerstand­sfähigkeit verleihen“, frohlockte Ciauri.

Die „grünste Cloud der Welt“

Der Manager betonte darüber hinaus die ambitionie­rten Nachhaltig­keitsziele von Google. Ab 2030 soll der gesamte Betrieb dekarbonis­iert sein, die verwendete Energie dann keine Kohlendiox­id-Emissionen mehr freisetzen. „Wir sind der erste Cloud-Provider, der sich dazu verpflicht­et“, konstatier­te Ciauri und bezeichnet­e die eigene Cloud als die „grünste“der Welt. Schon heute nutzt der Konzern eigenen Angaben zufolge ausschließ­lich Energie aus erneuerbar­en Quellen und bezeichnet sich als weltweit größten Käufer ökologisch korrekt erzeugter Energie. In der laufenden Dekade werde Google eng mit Behörden und Stromverso­rgern rund um den Globus zusammenar­beiten, um zu demonstrie­ren, dass eine vollständi­g dekarbonis­ierte Zukunft ein realistisc­hes Ziel sei – und zwar für alle Menschen.

Neues Management für Europa

In der Cloud-Strategie von Google spielt der europäisch­e Markt eine wichtige Rolle. Das spiegelt sich unter anderem in einer neuen Organisati­onsstruktu­r wider. In den zurücklieg­enden Monaten hat Google seine Geschäfte diesseits des Atlantiks neu geordnet und eine Reihe von erfahrenen und gut vernetzten Managern angeheuert. Die ehemalige französisc­he Microsoft-Managerin Laurence Lafont soll sich um Industriek­unden in Europa kümmern, Ex-SAP-Deutschlan­d-Chef Daniel Holz hat Nordeuropa und die DACH-Region im Vi

sier. Für den südeuropäi­schen Raum zeichnet Samuel Bonamigo verantwort­lich, er hatte schon Management-Positionen bei Oracle und Salesforce inne. Auch Pip White kommt von Salesforce, sie ist nun Googles Managing Director für Großbritan­nien und Irland.

Neben dem Ausbau der Infrastruk­tur und dem runderneue­rten Management nannte Googles globaler Cloud-Chef Thomas Kurian einen neuen Go-to-Market-Ansatz sowie einen erweiterte­n Enterprise-Support als zusätzlich­e Hebel, um das Cloud-Geschäft voranzutre­iben. Namhafte Kunden wie der französisc­he Handelsrie­se Carrefour, die Deutsche Bank, Lloyds Banking Group, Lufthansa, Renault sowie die Telco-Riesen Orange, Teleco m Italia und Telefónica seien ein Beleg dafür, dass die Strategie aufgehe. Kurian zeigte sich zuversicht­lich, dass diese Liste bald länger werde.

Sicherheit als Schlüssel

Als Schlüssel für erfolgreic­he Geschäfte mit Unternehme­nskunden haben die Verantwort­lichen ein offenes Ökosystem sowie den Faktor Sicherheit ausgemacht. Kurian räumte ein, dass es gerade in Europa etliche Bedenken hinsichtli­ch des Zugriffs von Regierunge­n und Geheimdien­sten auf sensible Daten von Behörden und Unternehme­n gebe. Auch seien viele europäisch­e Firmen skeptisch, weil sie eine Abhängigke­it von global agierenden Cloud-Hyperscale­rn scheuten. „Wir nehmen diese Themen, die oft unter dem Oberbegrif­f der digitalen Souveränit­ät diskutiert werden, sehr ernst“, beteuerte Kurian. Aus vielen Gesprächen wisse er, dass europäisch­e Kunden und politische Entscheidu­ngsträger mehr Sicherheit und mehr Autonomie forderten.

Google unternehme alles, um dieses Feedback bestmöglic­h in seiner Cloud-Strategie zu berücksich­tigen. Dem Google-Cloud-Chef zufolge arbeitet das Unternehme­n an den drei Bereichen Datensouve­ränität, operative Souveränit­ät und Softwareso­uveränität, um eine übergreife­nde digitale Souveränit­ät im Zusammenha­ng mit Cloud Computing zu fördern.

Im Rahmen der Datenhohei­t sollen Anwender den Zugriff auf die eigenen Daten in der Cloud komplett kontrollie­ren können. Auch der Provider soll nur in bestimmten, von

den Kunden genehmigte­n Szenarien auf die Daten zugreifen können. Ermöglicht werde dies beispielsw­eise mit Hilfe von Verschlüss­elungsmeth­oden, in deren Rahmen die Schlüssel außerhalb der Cloud aufbewahrt werden.

Operative Souveränit­ät bedeutet, dass Google-Mitarbeite­r keine Möglichkei­t haben sollen, Einfluss auf die Workloads der Kunden und deren Verteilung in der Cloud zu nehmen. Damit hätten Anwender die gleichen Kontrollmö­glichkeite­n wie in ihren On-Premises-Rechenzent­ren, verspricht der Anbieter. Das bedeute beispielsw­eise, dass Cloud-Ressourcen in bestimmten Regionen gebucht werden könnten und sich die Zugriffsmö­glichkeite­n des Support-Personals je nach Kundenwuns­ch zuschneide­n ließen.

Softwareso­uveränität schließlic­h soll den Kunden die Sicherheit bieten, ihre Workloads so kontrollie­ren und ausführen zu können, dass sie diese nicht an einen einzelnen Cloud-Anbieter binden müssen. Dazu müssen Anwender Google zufolge Zugang zu Plattforme­n haben, die offene APIs und Dienste umfassen, sowie über Technologi­en verfügen, die es ihnen erlauben, Applikatio­nen über verschiede­ne Plattforme­n zu betreiben – sei es on Premises oder in der Cloud.

Rezepte gegen Abhängigke­it

„Bestimmte Kunden und politische Entscheidu­ngsträger wollen beim Schutz sensibler Informatio­nen und der Bereitstel­lung kritischer Dienste nicht von einem einzigen Cloud-Provider abhängig sein“, stellte Googles Cloud-Chef Kurian fest. Dies sei eine wichtige Anforderun­g hinsichtli­ch ihrer eigenen Überlebens­fähigkeit – für den Fall, dass ein Provider Cloud-Dienste beendet oder Software-Lizenzen abkündigt.

Aus Sicht des Managers lassen sich die Anforderun­gen nicht mit proprietär­en Lösungen erfüllen. Vielmehr brauche es dafür Open

Source-Tools sowie offene Standards und Schnittste­llen. Nur so erhielten Kunden die Flexibilit­ät, kritische Workloads über verschiede­ne Public Clouds hinweg einzusetze­n und, falls erforderli­ch, aus der Cloud heraus zu migrieren.

Open Source für mehr Interopera­bilität

Ein solcher Open-Source-Ansatz unterschei­de sich von Lösungen, mit denen die Kunden an den proprietär­en Technologi­e-Stack eines Cloud-Dienstanbi­eters gebunden seien, ließ Kurian verlauten, ohne konkrete Namen zu nennen. „Bei Google Cloud arbeiten wir mit der Open-Source-Community zusammen, um viele unserer Dienste auf entspreche­nden Technologi­en zu entwickeln und Lösungen voranzubri­ngen, die die Interopera­bilität fördern“, konstatier­te der Google-Manager.

Als Beispiel für die eigene Open-Source-Orientieru­ng führte Kurian „Anthos“an, eine Orchestrie­rungs-Plattform, mit deren Hilfe Anwender Programme und Workloads über unterschie­dliche Plattforme­n hinweg entwickeln und steuern könnten. Kunden erhielten damit die Sicherheit, ihre Anwendunge­n zurück in lokale Umgebungen zu migrieren und dort ohne Unterstütz­ung des Providers weiterzuma­chen.

Cloud-Ausfall überschatt­et Event

Auf den Ankündigun­gen von Google lag allerdings ein Schatten. Eine Woche vor der Veranstalt­ung kam es weltweit zu Ausfällen der Cloud-Services, die verschiede­ne Dienste betrafen. Das Unternehme­n nannte eine Störung in der Google Cloud Shell als Ursache, sie habe zu einem 23-minütigen Totalausfa­ll geführt. Zunächst hieß es, dass die Google Cloud Platform (GCP) nicht betroffen gewesen sei, später korrigiert­en Google-Manager dann diese Aussage. Allerdings habe sich der Umfang stark in Grenzen gehalten, für Kunden habe es keine Auswirkung­en gegeben.

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Chris Ciauri verantwort­et die GoogleClou­d-Geschäfte in Europa. Auf der Google Next kündigte er unter anderem neue Cloud-Regionen an.
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