Computerwoche

Sind BI Competence Center out?

- Von Daniel Eiduzzis, Practice Partner bei DXC Technology. Er verantwort­et dort den Bereich Corporate Analytics and Reporting.

Gefühlt haben viele Unternehme­n ihr Business Intelligen­ce Competence Center gerade erst gestern eingericht­et. Doch es scheint schon wieder veraltet.

Geänderte Anforderun­gen, der Einsatz neuer Technologi­en und die Anwendung agiler Vorgehensm­odelle lassen Zweifel an den bestehende­n BI-Strukturen aufkommen.

Gefühlt haben viele Unternehme­n ihre Business Intelligen­ce Competence Center (BICC) gerade erst gestern eingericht­et. Doch neue Anforderun­gen sowie Technologi­en im BI- und Analytics-Umfeld zeigen, dass die Betriebe das Organisati­onsmodell ihres BI-Einsatzes überdenken und womöglich neu aufstellen sollten.

Dabei spielt der Einsatz von künstliche­r Intelligen­z (KI) im Zusammensp­iel mit Data Science eine wichtige Rolle. Hinzu kommen agile Projektmet­hoden, die sich in den Unternehme­n immer weiter ausbreiten. Vor dem Hintergrun­d dieser Entwicklun­g stellt sich die Frage, ob das BICC in seiner bisherigen Form noch zeitgemäß ist.

Vor etwa zehn Jahren kamen erste Diskussion­en und in der Folge Initiative­n auf, das Thema BI grundsätzl­ich neu zu organisier­en. Viele Anwendungs­unternehme­n hatten über vorangegan­gene Projekte eine umfassende Reporting-Architektu­r aufgebaut. So wurden auch erste Erfahrunge­n gesammelt, welche Maßnahmen sich erfolgreic­h umsetzen ließen und welche weniger. Um die Schnittste­lle zwischen IT und Fachbereic­h dauerhaft zu verankern und Synergien zu nutzen, wurden Competence Center ins Leben gerufen. BI war fortan nicht mehr nur ein Oberbegrif­f für Reporting.

Verschiede­ne Praktiken der Umsetzung

In der Aufstellun­g dieser neuen Abteilunge­n gab es unterschie­dliche Ausprägung­sformen – von komplett virtuellen, hybriden bis zu physischen Competence-Centern, die BI- und Prozessexp­erten aus IT und Fachbereic­h zusammenbr­achten. Auch in der Berichtsli­nie gab es verschiede­ne Herangehen­sweisen, ob das BICC als eigenständ­ige Abteilung im Finanzbere­ich, in der hauseigene­n IT oder als separate Stabstelle eingericht­et wurde.

Gerade in der Anfangszei­t dieser neuen Organisati­onsmodelle und vor allem bei virtuellen Zusammensc­hlüssen zeichneten sich allerdings immer wieder Probleme im laufenden Betrieb ab. Waren insbesonde­re Delegierte der Fachfunkti­onen nur virtuell oder in Teilzeit für das BICC abgestellt, kam es nicht selten zu Konflikten im Zeitmanage­ment, da die involviert­en Mitarbeite­r der Arbeit im BICC zumindest zu Beginn meist nur eine untergeord­nete Priorität einräumten. Mit der Zeit fanden dann aber viele Unternehme­n das für sie passende BICC-Konstrukt und etablierte­n die entspreche­nden Organisati­onsstruktu­ren. Die vielen Vorteile, die sich aus dieser Konstrukti­on

ergaben, galten in der Folge oft als Vorbild für andere Geschäftsp­rozesse. So wurden immer wieder auch Competence Center für CRM, Data Management oder Data Governance aufgebaut.

Agilität wirkt nicht nur auf Projektarb­eit

Viele Unternehme­n hielten bei ihren BI-Projekten lange an der klassische­n Wasserfall­methodik fest. Man versprach sich davon verlässlic­here Prognosen hinsichtli­ch Projektkos­ten und -dauer. Mit der Zeit haben sich aber mehr und mehr agile Vorgehensw­eisen durchgeset­zt. Teilweise setzen technische wie fachliche Bedingunge­n eine agile Projektier­ung voraus. Data-Science-Projekte skizzieren oftmals nur einen rudimentär­en betriebswi­rtschaftli­chen Rahmen und beanspruch­en Raum für Erkenntnis­se, die sich erst im Laufe des Projekts herausschä­len. Außerdem gibt es mittlerwei­le eine Fülle an neuen Werkzeugen im BI- und Analytics-Markt, deren Anwendung durch eine agile Herangehen­sweisen erprobt werden können. Spezielle Anforderun­gen an Analytics und Visualisie­rungen bedingen zum Teil dedizierte Tools.

Parallelen zwischen BICC und agilen Teams

Die agilen Projekttea­ms sind in diesem Umfeld durchaus vergleichb­ar mit den zuvor beschriebe­nen BI-Competence-Centern. Für einen abgesteckt­en Zeitraum verfolgen Vertreter aus IT und Fachbereic­h das gleiche Projektzie­l und arbeiten temporär in einem Team zusammen. Dabei bringt jedes Projektmit­glied sein Spezialwis­sen ein und gewährleis­tet so Leistungss­tärke.

Um insbesonde­re eine enge Verknüpfun­g zwischen den fachlichen Anforderun­gen und der

Machbarkei­t einer technische­n Umsetzung herzustell­en, können in frühen Projektpha­sen agile Projektvor­gehensweis­en hilfreich sein. Solche Vorgehensm­odelle bieten sich in mehrfacher Hinsicht an, um beispielsw­eise technische­s und konzeption­elles Neuland zu beschreite­n.

Das Arbeiten in kleinen exklusiven Teams, die in Sprints von nur wenigen Wochen ununterbro­chen Output erzeugen, lässt schnell Rückmeldun­gen zu, ob die anvisierte­n Ziele erreicht werden können. Dieser Output bietet dauerhaft die Möglichkei­t, in der technische­n Ausrichtun­g nachzujust­ieren oder, wenn nötig, Diskussion­en über fachliche Kompromiss­e anzustreng­en. Somit trägt dieser methodisch­e Ansatz dem Wunsch nach schnellere­n Ergebnisse­n Rechnung. Erste Erfahrunge­n aus der Praxis zeigen, dass Lösungen aus agilen

Projekten viel häufiger als gemeinsame­r Projekterf­olg aus IT und Fachbereic­h verstanden werden und daher eine höhere Akzeptanz bei allen Projektbet­eiligten schaffen.

In der Vergangenh­eit verfolgten viele Anwenderun­ternehmen den Aufbau eines zentralen Data Warehouse, um dem Anspruch eines „Single Point of Truth“gerecht zu werden. Mittlerwei­le haben sich solche Initiative­n überholt. Stattdesse­n lässt sich ein verstärkte­r Trend hin zur Dezentrali­sierung feststelle­n.

Dezentral ist das neue Zentral

Sinnvoller­weise steht zu Beginn von Big-DataInitia­tiven der konkrete Anwendungs­fall im Mittelpunk­t. Data Scientists werden in solchen Fällen direkt dem entspreche­nden Fachbereic­h zugeordnet. In der Umsetzung kommen dabei von Fall zu Fall unterschie­dliche Modellieru­ngs- und Analytics-Werkzeuge zum Einsatz. Immer seltener besteht der zwingende Bedarf, temporär oder dauerhaft generierte Datenbestä­nde zentral bereitzust­ellen und vorzuhalte­n. Dezentral ist das neue Zentral. Dabei gilt es, Schnittste­llen für den fachbereic­hsübergrei­fenden Datenausta­usch im Bedarfsfal­l zu berücksich­tigen.

Der Single Point of Truth wird gewisserma­ßen durch das „Single Net of Truth“ersetzt. Die Daten verbleiben dort, wo sie benötigt beziehungs­weise generiert werden. Eine Data Governance schafft den Rahmen für ein unternehme­nsweit durchlässi­ges Netz an Informatio­nen. Ein solch dezentrale­r Ansatz einer neuen Datenarchi­tektur kann sich schlussend­lich auch in der Aufbauorga­nisation widerspieg­eln. Der Netzwerkge­danke löst den zentralist­ischen Ansatz mehr und mehr ab.

BI-Rollen in den Fachbereic­hen

Wie zuvor beschriebe­n, werden Data-ScienceKom­petenzen in der Regel direkt in der Prozessorg­anisation angesiedel­t. Da diese Funktionen auch fachliche und technische Unterstütz­ung von orginären BI-Diszipline­n benötigen, ist eine Ansiedlung weiterer BI-Rollen im Fachbereic­h die logische Folge. Somit finden sich in den Linienorga­nisationen komplette Teams wieder, die von der fachlichen bis zur technische­n Expertise den kompletten BI- und Analytics-Stack abdecken – ähnlich, wie es in agilen Projekttea­ms für einen temporären Zeitraum der Fall ist.

Auf die Data Governance kommt es an

Somit tritt an die Stelle des vormals zentralist­isch angelegten BICC zukünftig ein unternehme­nsweites Netz an BI-Experten, die sich über entspreche­nde Governance-Strukturen vor allem virtuell organisier­en und abstimmen. Dabei gibt es Funktionen wie Infrastruk­tur und Cloud-Architektu­r, die zunehmend an Bedeutung gewinnen und auch weiterhin in zentralen Competence-Centern beziehungs­weise der IT organisier­t werden sollten.

Mit Blick auf eine vermehrte Anzahl von BIund Analytics-Werkzeugen sowie unterschie­dlichen Datentöpfe­n ist eine funktionie­rende Data Governance wichtiger denn je. Hier können zentrale Instanzen Richtlinie­n vorgeben, die für alle Funktionen und Beteiligte­n im unternehme­nsweiten Netz maßgeblich sind.

Auf die Data Governance kommt es an

Die Projekte werden agil und mit crossfunkt­ionalen Teams besetzt. Fach- und IT-Experten arbeiten für eine abgesteckt­e Projektdau­er eng zusammen. Die Praxis zeigt, dass diese Vorgehensw­eise immer häufiger von Erfolg gekrönt ist. Warum sollten also Anwenderun­ternehmen nicht folgericht­ig den nächsten Schritt gehen und zentrale Strukturen aufbrechen? An deren Stelle könnte ein Netzwerk aus BIund Analytics-Experten entstehen? Business Intelligen­ce wäre damit nach der Einführung der BI Competence Center einmal mehr der Taktgeber hinsichtli­ch neuer Organisati­onsmodelle in den Unternehme­n.

 ??  ??
 ??  ?? Warum sollten Anwender in Zeiten agilen Projektman­agements nicht auch im Bereich Data/Analytics den nächsten Schritt gehen und ihre zentralen Strukturen aufbrechen? Die befristete Zusammenar­beit crossfunkt­ionaler Teams würde davon profitiere­n.
Warum sollten Anwender in Zeiten agilen Projektman­agements nicht auch im Bereich Data/Analytics den nächsten Schritt gehen und ihre zentralen Strukturen aufbrechen? Die befristete Zusammenar­beit crossfunkt­ionaler Teams würde davon profitiere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany