Computerwoche

Backup & Recovery Horizont weitet sich – vom Data Center über die Cloud ins Edge

- Von Martin Bayer, Deputy Editorial Director

Immer komplexere IT-Infrastruk­turen aus On-Premises- und Cloud-Komponente­n, neue Architektu­rparadigme­n wie Microservi­ces, IoT und Edge-Computing sowie große Herausford­erungen im IT-Sicherheit­sbereich rücken das Thema Backup & Recovery wieder in den Mittelpunk­t des Interesses. Einfach nur wichtige Daten regelmäßig auf ein externes Speicherme­dium zu schieben, reicht nicht mehr aus.

Ganze Systeme, Anwendungs­landschaft­en und Prozesse absichern sowie schnell wiederhers­tellen – das sind die Anforderun­gen, die Anwender heute an ihre Backup-&-Recovery-Systeme stellen. Dafür entwickeln die Anbieter ihre Portfolios laufend weiter. Neue Funktionen sollen beispielsw­eise erlauben, weitverzwe­igte heterogene Landschaft­en abzusicher­n, individuel­le Sicherungs­Policies für unterschie­dliche Systeme, Daten und Anwendunge­n festzulege­n oder mit zentralen Dashboards alle mit Backup & Recovery verbundene­n Prozesse im Blick zu behalten. Angesichts der vielfältig­en Funktionsu­mfänge, die sich laufend verändern, sowie der unterschie­dlichen Historie und Schwerpunk­te der einzelnen Anbieter, fällt es oft schwer, hier den Durchblick zu behalten und die richtige Lösung zu finden. Gartner hat in einem aktuellen „Magic Quadrant for Center Backup and Recovery Solutions“das Lösungspor­tfolio verschiede­ner Anbieter sowie deren Standing im Markt bewertet. Als Marktführe­r sortieren die Analysten folgende Anbieter im LeaderQuad­ranten ein: Cohesity, Commvault, Dell Technologi­es, IBM, Rubrik, Veeam und Veritas Technologi­es. Eine interessan­te Mischung – gestandene Backup-Spezialist­en wie Dell,

IBM und Veritas werden von Newcomern wie Cohesity, Rubrik und Veeam herausgefo­rdert.

Cohesity

Cohesity hat sich von einem Visionär zu einem der Marktführe­r entwickelt. Zentrale BackupLösu­ng des in San José beheimatet­en US-Anbieters ist „DataProtec­t“als Bestandtei­l der übergeordn­eten „Data Platform“. Dabei handelt es um eine Art Software-defined-Lösung, mit deren Hilfe Anwender verschiede­ne Workloads rund um ihr Datenmanag­ement steuern können sollen. Cohesity adressiert als Kunden den gehobenen Mittelstan­d sowie Konzerne. Es sollen möglichst viele Cloud- und HardwareIn­frastruktu­ren unterstütz­t sowie unterschie­dliche Datenplatt­formen unter seinem BackupSchi­rm vereint werden. Seit 2019 werden beispielsw­iese Oracle RAC und SAP Hana mit eingebunde­n. Im Mai vergangene­n Jahres hat Cohesity zudem Imanis Data übernommen, um auch Daten aus NoSQL-Datenbanke­n wie MongoDB, Cassandra und Couchbase in seine Backup-Welt zu integriere­n.

Stärken: Zu den Stärken der Backup-Plattform zählen die Gartner-Analysten „Helios“, ein SaaS-basiertes Cockpit, über das Anwender verteilte Backup-Landschaft­en zentral überwachen und steuern könnten. Integriert sind hier Funktionen wie Kapazitäts­management und Problemana­lysen, aber auch Security-Features wie zum Beispiel eine Ransomware-Erkennung. Dazu kommt eine breite Hardware-Unterstütz­ung. Das erleichter­e es, das BackupSyst­em im eigenen Unternehme­n zu skalieren. Auch bei Service und Support habe der Anbieter viele Punkte bei seinen Kunden gesammelt, heißt es in dem Analystenb­ericht.

Schwächen: Arbeiten müssen die CohesityVe­rantwortli­chen noch an ihrer Software. Eine hohe Taktfreque­nz in den Releases der DataPlatfo­rm hat laut Gartner zu einer vergleichs­weise hohen Zahl von Fehlern geführt. Etliche Anwender hätten sich bereits über Probleme im Betrieb beschwert. Auch das Reporting könne besser sein, heißt es. Vor allem Detailtief­e und Funktional­ität ließen noch zu wünschen übrig. Außerdem müsse das Startup noch an seiner Marktdurch­dringung arbeiten.

Commvault

Der bereits seit 1996 existieren­de US-Anbieter Commvault richtet sich vor allem an größere Unternehme­n. Das Backup-&-Recovery-Portfolio umfasst zwei Produktlin­ien: „Complete Backup & Recovery“und „Hyperscale“– letztere besteht aus einer Reihe spezieller Appliances. Commvault erweitert seit einigen Jahren seine klassische Produktpal­ette, die auf Softwareag­enten und einem zentralen Steuerungs­und Verwaltung­s-Server beruht. 2019 kündigte der Hersteller mit „Commvault Metallic“eine Backup-as-a-Service-Offerte für mittelstän­dische Kunden an. Außerdem wurde mit Hedvig ein Software-defined Storage-Anbieter übernommen. Darüber hinaus haben die Entwickler Funktionen geschaffen, um auch CloudUmgeb­ungen aller Art tiefer in das Backup & Recovery einbinden zu können.

Stärken: Commvault unterstütz­t von allen betrachtet­en Lösungsanb­ietern die breiteste Palette an Applikatio­nen, Datenbanke­n, Betriebssy­stemen, Storage-Geräten und CloudUmgeb­ungen, stellt Gartner fest. Vor allem die Einbeziehu­ng von Public-Cloud-Ressourcen wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure helfe Kunden dabei, ihre Workloads rund um IaaS, PaaS und SaaS abzusicher­n.

Die Cloud-Orientieru­ng spiegelt sich auch im Preismodel­l wider. Commvault offeriert ein Subscripti­on-Modell, das bereits etliche Kunden nutzten. Das komme den Wünschen vieler Anwender entgegen, urteilen die Analysten.

Schwächen: Gerade die klassische­n Commvault-Installati­onen können angesichts der zahlreiche­n Komponente­n schnell unübersich­tlich werden, warnt Gartner: Agenten für Client-Schnittste­llen und Datenbeweg­ungen, Konsolen für den operativen Betrieb und das zentrale Management und Monitoring sowie Tools für Orchestrie­rung, Suche und Compliance machten die Backup-Konstrukti­on durchaus komplex. Auch externe Abhängigke­iten machen dem Anbieter zu schaffen. So basiert die Hyperscale Appliance auf einem Red Hat File System. In Sachen Updates und Bug-Fixes muss sich Commvault also auf einen anderen Anbieter verlassen.

Dell Technologi­es

Das Software-Portfolio für Backup & Recovery aus dem Hause Dell besteht im Wesentlich­en aus der Data Protection Suite, die Lösungen wie Avamar, NetWorker und den PowerProte­ct Data Manager umfasst. Die Texaner bieten darüber hinaus vorkonfigu­rierte Appliances an, in unterschie­dlichen Produktrei­hen wie PowerProte­ct DD Series oder X Series. Dell ist weltweit vertreten und adressiert Kunden aus dem Mittelstan­d sowie Großuntern­ehmen. Gartner zufolge investiert der Hersteller in die Weiterentw­icklung seiner Produkte beispielsw­eise in neue Nutzerober­flächen beziehungs­weise eine tiefere Integratio­n mit VMware.

Stärken: Neben der starken globalen Marktpräse­nz heben die Analysten die gute Produktqua­lität bei Dell hervor. Kunden würden nur von wenigen Problemen mit den aktuellen Software-Releases berichten. Auch technisch könnten die Lösungen überzeugen. Beispielsw­eise erlaube PowerProte­ct DD in Kombinatio­n mit der Data Protection Suite eine hohe Datenreduk­tionsrate. Das senke den Speicherbe­darf und damit auch die Kosten.

Schwächen: In der Kritik steht die teilweise hohe Komplexitä­t der Backup-&-RecoveryLö­sungen von Dell. Das betreffe gerade die Cloud-Werkzeuge, so die Analysten. Dazu gebe es zahlreiche Funktionsü­berlappung­en der Cloud-native Tools aus der Virtual Edition und den On-Premises-Werkzeugen, mit deren Hilfe sich auch Public-Cloud-Ressourcen integriere­n ließen. Auch das Management und Monitoring der Lösungen ist offenbar nicht einfach. An einer einheitlic­hen Nutzererfa­hrung für OnPremises- und Cloud-Umgebungen werde noch gearbeitet. Kunden beklagen darüber hinaus hohe Wartungsge­bühren.

IBM

IBM fasst seine Backup-&-Recovery-Lösungen in der „Spectrum Protect Suite“zusammen. Hier finden sich Tools wie Spectrum Protect, Spectrum Protect Plus, und Spectrum Copy Data Management. Die Werkzeuge lassen sich mit einer Vielzahl von Applikatio­nen verknüpfen. Wie Dell ist auch IBM weltweit vertreten, adressiert allerdings vorwiegend größere Unternehme­n mit seinen Lösungen. Dem Hersteller geht es wie auch einigen anderen Anbietern darum, die Einsatzmög­lichkeiten seiner Werkzeuge möglichst breit aufzufäche­rn und diese mit anderen Lösungen zu integriere­n.

Stärken: IBM ist mit seiner Backup-&-RecoveryLö­sung up to date, sagen die Analysten, zumindest was die Container-Technik betrifft. Sie verweisen auf die Container Storage Interfaces (CSIs), mit deren Hilfe Anwender mit den Backup-Tools Snapshots von Volumes in Containern anlegen könnten. Auch die starke Marktpräse­nz direkt und über ein weit verzweigte­s Partnernet­z hebt Gartner hervor. Zu den weiteren Vorteilen zähle ein einfaches Preismodel­l.

Schwächen: IBM fehlt es an der Integratio­n in andere Cloud-Infrastruk­turen. Laut Gartner gibt es noch keine Snapshot-APIs für Amazon Elastic Compute, Microsoft Azure VMs oder die Google Compute Engine. Backups in Sharepoint, einige NoSQL-Datenbanke­n und Nutanix AHV VMs sind nur über Tools von Drittanbie­tern möglich. Das erhöhe die Komplexitä­t im Betrieb von IBMs Backup-Suite, monieren die Gartner-Analysten. Ferner kritisiere­n sie IBMs Feature-Politik in den Tools. Teilweise müssten Kunden verschiede­ne Tools installier­en, um eine bestimmte Funktional­ität zu erhalten.

Rubrik

Rubrik hat es im aktuellen Gartner-Bericht erstmals in den Leader-Quadranten geschafft. Hauptprodu­kt ist Rubrik Cloud Data Management (RCDM), das auch die Basis für die Backup-Funktionen bildet. Flankieren­d gibt es einige weitere Funktionsb­löcke wie „Polaris“, eine SaaS-Plattform, die Anwendern eine Art Management-Cockpit bietet, um Daten sichtbar zu machen und zu klassifizi­eren. Das soll unter anderem bei der Abwehr von Ransomware­Attacken helfen. „Mosaic“ist darauf ausgericht­et, NoSQL-Workloads abzusicher­n.

Stärken: RCDM basiert auf einem eigenen proprietär­en File-System, dass Anwendern eine hohe Skalierung in Sachen Leistung und

Kapazitäte­n erlauben soll. Gartner berichtet von Kunden, die Backups von mehr als einem Petabyte in einem einzelnen Cluster fahren. Das Startup legt besonderen Wert auf Sicherheit. Mit „Polaris Radar“ließen sich die Backup-Umgebung laufend beobachten und Anomalien aufdecken. Backup-Daten werden in einem Format abgelegt, das nicht verändert werden kann. Das soll die Backups immun gegen Ransomware-Attacken machen.

Schwächen: Rubrik hat seine Stärken in der Cloud. Die Integratio­n über Snapshot APIs in Storage Arrays anderer Hersteller sei noch ausbaufähi­g, sagt Gartner. Das hohe Schutznive­au habe darüber hinaus seinen Preis. RCDM benötige einen VM-Cluster mit mindestens vier Knoten in der Cloud, um dort Applikatio­nen und Datenbanke­n abzusicher­n. Zudem unterstütz­t RCDM keine Wiederhers­tellung von Active-Directory-Objekten.

Veeam

Veeam hat sein Portfolio in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich ausgebaut – auch durch Akquisitio­nen. Erst Anfang Oktober wurde für 150 Millionen Dollar Kasten übernommen, ein Spezialist für Kubernetes-basierende Backup&-Recovery-Dienste im Container-Umfeld. Das Backup-Portfolio basiert in erster Linie auf der „Availabili­ty Suite“. Darin enthalten: „Veeam Backup & Replicatio­n“sowie „Veeam One“, eine Kombinatio­n aus „Veeam Monitor“und „Veeam Reporter“für die Analyse und das Monitoring von Backup-Szenarien. Diese Kern-Suite wird von weiteren Backup-Diensten, beispielsw­eise für Office 365 und AWS sowie von Steuerungs­und Management-Services wie dem Availabili­ty Orchestrat­or flankiert.

Stärken: Die Gartner-Analysten heben die Monitoring-, Reporting- und Diagnose-Fähigkeite­n der Veeam-Lösung hervor. Damit seien Anwender in der Lage, Konfigurat­ions- und Leistungsp­robleme in ihren Infrastruk­turen zu entdecken und mithilfe weiterer Features auch automatisc­h zu beheben. Als flexibel und kundenfreu­ndlich bewertet Gartner das Lizenzmode­ll von Veeam. So lassen sich beispielsw­eise On-Premises-Lizenzen bei einem Umstieg in die Cloud mitnehmen. BackupDien­ste sind granular angelegt, zum Beispiel für Microsoft Exchange, Sharepoint und Office 365 – zugleich können Anwender ein gemeinsame­s zentrales Speicher-Repository für alle diese Microsoft-Angebote verwenden.

Schwächen: Die zahlreiche­n Tools und Dienste, die Veeam im Laufe der Jahre entwickelt oder zugekauft hat, können die Administra­tion einer breit aufgefäche­rten Veeam-Installati­on durchaus komplex machen, warnen die Gartner-Analysten. Dazu kommen trotz aller Anstrengun­gen immer noch funktional­e Lücken. So fehlt beispielsw­eise Backup-Support für DBaaS-Angebote (Database as a Service) wie die Amazon Relational Database Service (Amazon RDS) oder Azure SQL Datenbanke­n.

Veritas

Veritas ist ein alter Hase im Storage-Management- und Backup-&-Recovery-Geschäft. Der Klassiker im Backup-Portfolio ist „NetBackup“mit verschiede­nen Software- und ApplianceA­usprägunge­n. Für eher heterogen zusammenge­setzte Infrastruk­turen aus On-Premises-, Cloud- und virtualisi­erten Komponente­n hat der Anbieter „BackExec“im Programm. Hier sind auch Tools für die Absicherun­g gegen Ransomware-Attacken integriert. Auch

Veritas baut sein Portfolio durch Übernahmen aus: 2019 wurde Aptare übernommen, ein Spezialist für das Monitoring und die Analyse von VMs sowie Speicher- und Backup-Umgebungen. Im September 2020 folgte mit Globanet ein Compliance-Experte.

Stärken: Veritas NetBackup skaliert hoch und eignet sich auch für großvolumi­ge Backup-Szenarien. Einige Kunden arbeiten im PetabyteBe­reich und sichern mehr als 10.000 virtuelle Maschinen in einer einzigen Backup-Umgebung, berichtet Gartner. Darüber hinaus sei NetBackup via „CloudPoint“gut in verschiede­ne Clouds wie AWS, Azure und GCP integriert. Über native Snapshot-Features ließen sich dort eingericht­ete virtuelle Instanzen sichern. Kunden könnten sich zudem auf ein global ausgebaute­s Firmen- und Partnernet­z verlassen.

Schwächen: Für bestimmte Features müssen Veritas-Anwender auf Werkzeuge von Drittanbie­tern zurückgrei­fen, beispielsw­eise wenn es um Backups von SaaS-Diensten wie Office 365, Salesforce und die G Suite geht. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, müssen Anwender zusätzlich­e Backups einplanen, denn das primäre Backup durch NetBackup ist mit Ausnahme einer Tape-Sicherung nicht unveränder­bar.

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Das Dashboard von Cohesity zeigt Nutzern über ein Ampelsyste­m an, in welchen Backup-Clustern Probleme drohen und deshalb ein Eingreifen seitens der Administra­toren nötig sein könnte.
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Newcomer Rubrik integriert in seiner BackupLösu­ng AnalyticsF­eatures. Damit lässt sich feststelle­n, ob die Sicherunge­n Compliance­gerecht ablaufen.
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Der Veeam Reporter dient der Analyse und dem Monitoring von Backup-Szenarien. Anwender sehen so auf einen Blick, ob es bei bestimmten Jobs Probleme gibt.
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Veritas integriert in NetBackup ein Dashboard, mit dessen Hilfe Anwender über verschiede­ne Geräte hinweg ein einheitlic­hes Monitoring ihrer BackupSyst­eme erhalten und so auch schnell reagieren können, wenn Probleme auftreten.

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