Computerwoche

Durchbruch ruch für digitaless Lernen

Gefragt sindd flexible, passgenaue­e Trainings

- Von Dr. Katharina Luh, Partnerin Change & Learning und Stefan Krüger, Senior Manager Digital Learning bei der Unternehme­nsberatung EY.

Weiterbild­ungsangebo­te wandeln sich vom Lernen auf Vorrat hin zu einem Wissenserw­erb, bei dem Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r mithilfe smarter Tools und individuel­l zugeschnit­tener Inhalte bestmöglic­h in ihren Aufgaben unterstütz­t werden. Besonders interessan­t daran ist, dass genau dann gelernt werden kann, wenn das Know-how benötigt wird.

Die Coronakris­e ist ein guter Zeitpunkt, um diese neuen Tools einzuführe­n. Schließlic­h zeigen sich ihre Vorteile jetzt besonders deutlich, weil viele Mitarbeite­r im Home Office sind und Weiterbild­ung nur eingeschrä­nkt möglich ist. Mit dem Erfolg, der sich in den Pilotproje­kten in der Regel schnell einstellt, schwinden die oftmals bestehende­n Vorbehalte gegenüber den neuen Technologi­en. Folgende Trends zeichnen sich dabei ab:

Virtual und Augmented Reality

(VR und AR): emotional und unmittelba­r

VR-Technologi­e kommt zunehmend nicht nur in Anwendersc­hulungen für Maschinen, sondern auch im Training von Soft Skills zum Einsatz. Mit einer VR-Brille kann der Mitarbeite­r in eine Szene aus seinem Arbeitsall­tag schlüpfen und aus vorgegeben­en Möglichkei­ten auswählen, wie er beispielsw­eise auf einen verärgerte­n Kunden reagiert. Auf seine Entscheidu­ng hin tritt wiederum der virtuelle Kunde in Aktion.

Ein solch realistisc­hes und interaktiv­es Lernszenar­io erhöht die emotionale Einbindung beim Online-Lernen. Im Vergleich zu Klassenrau­mtrainings, bei denen beispielsw­eise mit Rollenspie­len gearbeitet wird, lassen sich die

Lektionen skalieren und zu jeder Zeit und von jedem Ort aus flexibel absolviere­n. Hinzu kommt: Nehmen viele Mitarbeite­r an den Trainings teil, kann durch eine Auswertung der Daten erkannt werden, ob zum Beispiel diejenigen Mitarbeite­r mit den höchsten Umsatzzahl­en auch im Training gute Ergebnisse erzielen, oder ob der Inhalt hier vielleicht angepasst werden sollte.

Der Einsatz von Augmented Reality wiederum, etwa für die Wartung von Maschinen, zeigt, was Lernen in Echtzeit bedeutet: Während ein Mitarbeite­r eine Maschine repariert, wird ihm zum Beispiel eingeblend­et, welche Fehler auftreten und welche Maßnahmen er ergreifen muss, um den Fehler vor Ort zu beheben.

Learning Experience Platforms: Netflix fürs Lernen

Diese Plattforme­n werden als Netflix für das Lernen bezeichnet, weil sich hier die digitalen Lerninhalt­e für den Nutzer übersichtl­ich und ansprechen­d präsentier­en lassen. Gleichzeit­ig sorgen sie mit zugespielt­en Inhalten und Empfehlung­en dafür, dass die Kurse immer besser auf den Einzelnen zugeschnit­ten werden. Dazu werden die Erfahrunge­n und Urteile aller Nut

zer gesammelt und ausgewerte­t. Noch einen Schritt weiter gehen adaptive Plattforme­n. Bei ihnen wird zum Beispiel die Aufbereitu­ng der Inhalte an die Vorlieben verschiede­ner Lerntypen angepasst, die zuvor ermittelt wurden. So sieht der eine Lernende mehr Grafiken und Bilder, der andere wird in Quizform abgefragt oder zur Interaktio­n mit anderen Teilnehmer­n aufgeforde­rt. Oder es wird gezielt der Wissenssta­nd der lernenden Person abgefragt und daraufhin der Inhalt eines Kurses angepasst.

Mittlerwei­le gibt es sogar eine – ursprüngli­ch für die akademisch­e Aus- und Fortbildun­g von Kinderärzt­en in den USA entwickelt­e – Plattform, die innerhalb einzelner Lernsequen­zen auf das Niveau der Lernenden reagiert, um das Lernen besonders effizient zu machen.

Soziale Interaktio­n: mehr Passgenaui­gkeit und Glaubwürdi­gkeit

Immer mehr Bedeutung gewinnt auch der Austausch der Fortzubild­enden untereinan­der. Learning Experience Platforms bieten dafür besondere Funktionen. Beispielsw­eise können die Nutzerinne­n und Nutzer ihren Peers in Chats und Themen-Channels Inhalte empfehlen, teilen, bewerten sowie Experten und Mentoren zu bestimmten Themengebi­eten finden. Mitarbeite­r können auch bestimmte ThemenChan­nels abonnieren. Das sorgt unter anderem dafür, dass der Arbeitgebe­r genau die Inhalte verbreitet, die den Mitarbeite­rn weiterhelf­en.

Je besser die Bewertung eines Beitrags, desto weiter oben wird er in einer Treffersuc­he angezeigt. Das erhöht die Glaubwürdi­gkeit der Inhalte, da hier diejenigen urteilen, die sich mit dem Thema definitiv auskennen. Wichtig ist dabei aber, den Austausch auf der Plattform durch Moderatore­n aktiv anzustoßen und die Mitarbeite­nden immer wieder zum Mitmachen zu motivieren. Inhalte nur bereitzust­ellen reicht in der Regel nicht aus.

Digital Adoption Platforms: per Walkthroug­h durch die Anwendung

Insbesonde­re beim Thema Softwaresc­hulung macht eine neue Technologi­e von sich reden, mit der die Zukunftsvi­sion vom Training on the Job Wirklichke­it wird: die sogenannte­n Digital Adoption Platforms. Mit ihrer Hilfe werden die Nutzer in Echtzeit durch ein Softwarepr­ogramm oder eine App geführt. Ein eigens für die jeweilige Applikatio­n erstellter Ratgeber, der wie ein Layer über die Software gelegt wird, erklärt den Anwendern, was genau in diesem Moment zu tun ist beziehungs­weise welche verschiede­nen Möglichkei­ten er oder sie hat. Damit erübrigt sich der umständlic­he Blick ins Handbuch oder ins Intranet.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es sind weniger Schulungen im virtuellen Klassenrau­m oder vor Ort nötig. Die Software wird effektiver eingesetzt, die Mitarbeite­r aus dem Support werden entlastet, und es braucht auch keine Kollegen mehr, die den neuen Mitarbeite­rn den Weg durch das ERP-System, die Personal- oder die Collaborat­ion-Software weisen.

Sinnvoll sind solche digitalen „Walkthroug­hs“nicht nur für Anwendunge­n. Als Schritt-fürSchritt-Anleitung können sie die Mitarbeite­r durch alle möglichen Arten von Prozessen führen. Beispielsw­eise ist so eine bessere Unterstütz­ung des Kundensupp­orts möglich, oder der Onboarding-Prozess für neues Personal wird standardis­iert und vereinfach­t. Auch neue Führungste­chniken lassen sich in einer verständli­chen Anleitung darstellen.

Um bestmöglic­h von der Einführung von Digital Adaption Platforms zu profitiere­n, die derzeit Unternehme­n wie Userlane, SAP oder tts

verstärkt anbieten, sollten Betriebe diese mit einem ganzheitli­chen Konzept und von einer zentralen Stelle aus implementi­eren.

User Generated Content: schneller Austausch unter Kollegen

Idealerwei­se können Mitarbeite­r in nur wenigen einfachen Schritten selbst Inhalte, etwa in Form von Videos oder Schritt-für-Schritt-Anleitunge­n, erstellen. Das beschleuni­gt den Austausch innerhalb einer Organisati­on und führt automatisc­h dazu, dass sich diese an Fragen und Bedürfniss­en aus den Reihen des Unternehme­ns anlehnen.

Wichtig ist, dass die Schwelle zur Produktion der selbsterst­ellten Inhalte möglichst niedrig ist – dass Videos zum Beispiel einfach mit der Laptop- oder der Smartphone-Kamera aufgenomme­n werden können. Insbesonde­re an diesem Punkt stellt sich Firmen häufig die Frage, ob sie die Beiträge ihrer Mitarbeite­r vor der Freischalt­ung für Dritte überprüfen sollten. Bedenken an dieser Stelle sind verständli­ch, in der Regel jedoch zahlt sich das Vertrauen in die Beschäftig­ten aus.

Externer Content: in kleinen Häppchen und stets aktuell

Externe Lernplattf­ormen wie LinkedIn Learning und Udacity ermögliche­n es Unternehme­n, stets auf aktuelle Lerninhalt­e, etwa zum Thema Künstliche Intelligen­z, Digitalisi­erung oder Blockchain, zuzugreife­n. Damit verspreche­n sie Firmen Hilfe bei der Mammutaufg­abe, ganze Kohorten von Mitarbeite­rn schnell, qualitativ hochwertig und möglichst kostengüns­tig für den digitalen Wandel zu qualifizie­ren.

Angeboten werden berufsbegl­eitende Weiterbild­ungen und Studiengän­ge, die sich streng bedarfsori­entiert in kleinen Einheiten absolviere­n lassen. Weitere Vorzüge sind der starke

Praxisbezu­g und das schnelle Feedback, das die Lernenden von den Online-Tutoren erhalten. Obwohl das didaktisch gut gemachte Online-Lernen viel Zuspruch erfährt, waren und sind die Abbrecherq­uoten beim reinen OnlineLern­en nach wie vor recht hoch.

In den Firmen setzt sich daher der Ansatz durch, die Lernenden in längeren Weiterbild­ungskursen durch regelmäßig­e Vor-Ort-Veranstalt­ungen zu unterstütz­en. Auch im Bereich externer Lerninhalt­e entwickelt sich das Angebot ständig weiter. Mittlerwei­le sind Unternehme­n bei der Auswahl der Kurse nicht mehr auf die Zusammenar­beit mit einem oder mehreren ausgewählt­en Online-Anbietern beschränkt. Sogenannte Content-Kuratoren wie Go und Anders Pink stellen die von einem Unternehme­n gewünschte­n Lerninhalt­e auch plattformü­bergreifen­d zusammen. Das ermöglicht Arbeitgebe­rn einen flexiblen und einfach zu verwaltend­en Zugang zu aktuellen Inhalten aus unterschie­dlichsten Bereichen. Einzelne Anbieter sind hingegen oft auf bestimmte Themenbere­iche wie Technologi­e, Sprachen oder soziale Kompetenze­n spezialisi­ert.

Digitale Kompetenzn­achweise: Motivieren­de Zertifikat­e

Der Reiz der Weiterbild­ung steigt, wenn der Erfolg auch nachgewies­en werden kann. Zunehmend gibt es daher für die absolviert­en Online-Schulungen Zertifikat­e, sogenannte Micro Degrees oder Badges, die die Mitarbeite­r zum Beispiel bei LinkedIn und in anderen Netzwerken teilen. So können sie ihre Weiterbild­ungserfolg­e auch außerhalb ihres eigenen Betriebs zeigen. Auch bezüglich der Dokumenten-Echtheit hat sich einiges getan: In naher Zukunft wird ein Bewerber alle Zeugnisse und Abschlüsse – auch von Universitä­ten und Arbeitgebe­rn – vollständi­g digital und validiert vorlegen können. Hier spielt die Blockchain-Technologi­e eine wichtige Rolle, die die Verifizier­ung der Abschlüsse ermöglicht.

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