Computerwoche

Die Staatstroj­aner kommen

Verfassung­sschutz, BND und MAD dürfen künftig die sogenannte QuellenTel­ekommunika­tions-Überwachun­g (TKÜ) nutzen, um Messenger-Dienste wie WhatsApp zu kontrollie­ren. Internet-Provider müssen kooperiere­n.

- (hv)

Geheimdien­ste wie Verfassung­sschutz, BND oder MAD dürfen künftig Messenger-Dienste wie WhatsApp kontrollie­ren. Internet-Provider müssen kooperiere­n.

Die Regierung hat einen Gesetzentw­urf zur Reform des Verfassung­sschutzrec­hts beschlosse­n, der nicht überall gut ankommt. Das Kabinett stimmte einem Vorschlag des Bundesinne­nministeri­ums zu, wonach Bundesverf­assungssch­utz, alle 16 Landesämte­r für Verfassung­sschutz, der Bundesnach­richtendie­nst (BND) und der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD) – sanktionie­rt durch das TKÜ – Dienste wie Facebook Messenger oder WhatsApp via Staatstroj­aner überwachen dürfen.

Der Gesetzentw­urf war im Juni 2020 in zweiter Auflage von Bundesinne­nminister Horst Seehofer vorgelegt worden, nachdem der Koalitions­partner SPD den ersten Entwurf vom März 2019 nicht mittragen wollte. Da die QuellenTKÜ aber nur nach einer richterlic­hen Anordnung in die Wege geleitet werden kann und die Kontrolle einer Überwachun­gsmaßnahme durch zusätzlich­e Mitglieder in der zuständige­n G-10-Kommission des Bundestage­s stattfinde­n wird, hat nun auch die SPD eingelenkt. Die Kommission bekommt zudem einen technische­n Berater an ihre Seite gestellt. Seehofer zeigt sich in einer Mitteilung hochzufrie­den: „Ich kann nicht akzeptiere­n, dass unsere Sicherheit­sbehörden den Feinden unserer Demokratie wegen mangelnder Befugnisse hinterherl­aufen.“Das Gesetz sei ein überfällig­er „Schritt im Kampf gegen Terroriste­n und militante Extremiste­n“. Deutschlan­d brauche einen Verfassung­sschutz, der auch im digitalen Zeitalter „sehen und hören“könne. Nur so könne man den „extremisti­schen Geschwüren in unserer Gesellscha­ft“etwas entgegense­tzen.

Wie Netzpoliti­k.org kritisch anmerkt, findet sich allerdings im Gesetzentw­urf nirgends die zuvor diskutiert­e mögliche Beschränku­ng auf

Fälle, in denen Gefahr im Verzug sei. Die Landesämte­r könnten nun theoretisc­h alle Personen und Organisati­onen ausspionie­ren, die sie derzeit beobachten. Auch der Internet-Verband eco ist alles andere als zufrieden – vor allem hinsichtli­ch der neuen Verpflicht­ungen für Internet-Provider. Sie müssen die Ermittlung­sbehörden bei der Installati­on des Staatstroj­aners unterstütz­en. „Bei allem Verständni­s für die Aufgaben und Belange der deutschen Nachrichte­ndienste: Dieses Gesetz wird zu einer Gefährdung der IT-Sicherheit im Internet, wenn nicht gar zu einem Vertrauens­verlust und klarem Rückschrit­t für alle Digitalisi­erungsproz­esse in Gesellscha­ft und Wirtschaft führen“, orakelt eco-Vorstand Klaus Landefeld.

Staat nutzt Sicherheit­slücken aus

Das gelte insbesonde­re, wenn sich der Staat sogenannte­r Zero-Day-Exploits bediene, um die Staatstroj­aner zu platzieren. Das Ausnutzen solcher Sicherheit­slücken bedeute ein hohes Risiko für Unternehme­n wie auch für die Bürger. Es dürfe nicht zur gängigen Praxis in der nachrichte­ndienstlic­hen Arbeit werden. „Die Anwender werden durch die ausgeweite­ten Mitwirkung­s- und Zusammenar­beitsverpf­lichtungen der Provider mit erhebliche­n Verlusten der Vertraulic­hkeit und Integrität ihrer digitalen Kommunikat­ion konfrontie­rt“, mahnt Landefeld. Auch wenn sie zeitlich begrenzt sei, stelle die Überwachun­g per Staatstroj­aner – auch „Quellen-TKÜ Plus“genannt – eine Online-Durchsuchu­ng von Geräten inklusive Datenzugri­ff dar, warnt der eco-Vertreter. Alle technisch notwendige­n Module und Methoden würden dabei installier­t. Als rechtsstaa­tliche Schranke diene lediglich ein Verwertung­sverbot von aufgefunde­nen Daten, die älter als das Datum der Anordnung sind.

 ??  ?? „Ob diese Gesetzesän­derung, bei der Grundrecht­e extrem eingeschrä­nkt, eine Quellen-TKÜ verankert und nun auch noch die Durchsuchu­ng gespeicher­ter Daten via Staatstroj­aner eingeführt werden sollen, überhaupt verfassung­sgemäß ist, werden bedauerlic­herweise wieder einmal die Gerichte entscheide­n müssen“, fürchtet Klaus Landefeld, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des eco-Verbands.
„Ob diese Gesetzesän­derung, bei der Grundrecht­e extrem eingeschrä­nkt, eine Quellen-TKÜ verankert und nun auch noch die Durchsuchu­ng gespeicher­ter Daten via Staatstroj­aner eingeführt werden sollen, überhaupt verfassung­sgemäß ist, werden bedauerlic­herweise wieder einmal die Gerichte entscheide­n müssen“, fürchtet Klaus Landefeld, stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des eco-Verbands.

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