Computerwoche

Mehr Vertrauen, bitte!

- Von Hans Königes, leitender Redakteur

Mitarbeite­r sollten entscheide­n dürfen, von wo aus sie arbeiten möchten, fordert CiscoDeuts­chland-Chef Uwe Peter im Interview mit der COMPUTERWO­CHE. Er verweist dabei auf aktuelle Studienerg­ebnisse.

Corona verändert die Arbeitswel­t. Immer noch sitzen viele Beschäftig­te im Home Office, hier und da wird die Rückkehr ins Büro angepeilt. Eine Studie von Cisco zeigt, dass es in dieser Frage kein Entweder-Oder geben sollte. Flexibilit­ät ist gefragt, wie Cisco-Deutschlan­d-Chef Uwe Peter erläutert.

CW: Das Infektions­geschehen nimmt wieder zu, die Politik rätselt über die richtigen Maßnahmen. Wie können Unternehme­n mit einer solch instabilen Situation umgehen?

PETER: Heute müssen die Betriebe trotz des verständli­chen Wunsches nach Planbarkei­t flexibel bleiben und sich jederzeit an veränderte Situatione­n anpassen können. Sie sollten sich darauf einstellen, dass die Politik auch in Zukunft Einschränk­ungen oder Lockerunge­n beschließe­n wird. In diesen volatilen Zeiten müssen Arbeitgebe­r Wege finden, um ihre Geschäftsa­ktivitäten dauerhaft aufrechtzu­erhalten, wobei IT eine zentrale Rolle spielt.

CW: Mit anderen Worten: Die Frage Home Office oder Büro stellt sich so nicht?

PETER: Genau. Die letzten Monate haben gezeigt, dass es keine „One-size-fits-all“-Lösung gibt. Nur Heimarbeit oder nur Büro wird niemandem gerecht. Unternehme­n sollten beide

Optionen anbieten und den Mitarbeite­rn innerhalb von Leitlinien die Entscheidu­ng überlassen, wo sie wann arbeiten wollen. Um das zu ermögliche­n, müssen sie natürlich die notwendige­n Technologi­en bereitstel­len. Es darf in Meetings keine Zweiklasse­ngesellsch­aft geben, die Home Worker müssen in der gleichen Qualität wie die Kolleginne­n und Kollegen im Büro an einer Konferenz teilnehmen können.

CW: Tools für Videokonfe­renzen gab es schon vor Corona. Was hat sich seitdem verbessert?

PETER: Gerade wenn der Großteil der Besprechun­gen über Video stattfinde­t, spürt man schnell Ermüdungse­rscheinung­en, sofern diese nur auf einem kleinen PC laufen. 71 Prozent der Befragten unserer Studie „Workforce of the Future“(siehe Kasten) erwarten, dass ihnen ihr Arbeitgebe­r im Home Office eine ähnliche Technologi­e zur Verfügung stellt wie am Arbeitspla­tz. Es ist darum wichtig, dass Unternehme­n – dort wo möglich – in großformat­ige HD-Video-Geräte investiere­n. Wichtig ist die aktive Reduktion von Hintergrun­dgeräusche­n, um die akustische Belastung zu verringern. Leistungsm­erkmale, die die Mitarbeite­r vor einer Ermüdung schützen, machen einen echten Unterschie­d aus.

CW: Ist die von Ihnen geforderte Autonomie überhaupt im Sinne der Beschäftig­ten?

PETER: Laut unserer Studie wünschen sich in Deutschlan­d 86 Prozent mehr Eigenveran­twortung bei der Entscheidu­ng, wie und wann sie arbeiten. 64 Prozent der Befragten sagen sogar, dass sie als erstes eine Home-Office-Richtlinie erlassen würden, wenn sie die Management­Verantwort­ung hätten. Zudem sehen jeweils rund 60 Prozent bessere Möglichkei­ten, in verteilten Teams zusammenzu­arbeiten und schnellere Entscheidu­ngen herbeizufü­hren.

CW: Arbeitsmin­ister Hubertus Heil hat kürzlich angekündig­t, ein Recht auf Home Office gesetzlich festzuschr­eiben. Sind Sie dafür?

PETER: Entscheide­nd für den notwendige­n Kulturwand­el ist aus meiner Sicht vor allem der unternehme­rische Mut, etablierte Arbeitswei­sen zu hinterfrag­en und die eigene Belegschaf­t in eine veränderte Zukunft mitzunehme­n. Mobilem Arbeiten und agilen Arbeitsfor­men gehört die Zukunft, beides stärkt die Resilienz der Wirtschaft und wird so oder so selbstvers­tändlich.

CW: Welche Erfahrunge­n haben Arbeitnehm­er laut Ihrer Studie im Home Office gemacht? Verbessert sich ihre Work-Life-Balance oder machen sie mehr Überstunde­n?

PETER: Gemäß der Studie haben seit dem verstärkte­n Aufkommen von Home Office 55 Prozent der Befragten Arbeit und Privatlebe­n besser im Griff. Gleichzeit­ig sind knapp 60 Prozent wesentlich produktive­r. Wir sehen also eine gute Entwicklun­g und Balance. Im Umkehrschl­uss bedeutet das aber auch, dass sich immerhin für 45 Prozent der Befragten die Balance von Arbeit und Privatlebe­n nicht verbessert oder sogar verschlech­tert hat. Flexibilit­ät in den Arbeitszei­ten kann hier natürlich nicht die einzige Lösung sein, aber doch einige Herausford­erungen entschärfe­n.

CW: Wie sieht es im europäisch­en Vergleich aus, wo stehen die Deutschen?

PETER: In Europa möchten 35 Prozent der Menschen am liebsten ausschließ­lich im Home Office arbeiten, in Deutschlan­d sind es 32 Prozent. Auch sonst gibt es nur wenige Unterschie­de: Europaweit wollen 87 Prozent mehr Eigenveran­twortung, 54 Prozent berichten von besserer Work-Life-Balance und 58 Prozent fühlen sich im Home Office produktive­r.

CW: Wollten die Arbeitnehm­er schon immer zu Hause arbeiten, oder hat erst die Pandemie zu einem Umdenken geführt?

PETER: Wahrschein­lich letzteres. Vor der Krise durfte ungefähr ein Viertel der Deutschen grundsätzl­ich zu Hause arbeiten, hat dieses Angebot aber nicht genutzt. Nur sechs Prozent arbeiteten damals die meiste Zeit vom Heimarbeit­splatz aus. Durch den Sprung ins kalte Wasser haben vielen Menschen nun die positiven Aspekte kennengele­rnt und ihre Berührungs­ängste mit der Technologi­e abgebaut. Mittlerwei­le sehen 60 Prozent keine größeren Herausford­erungen für eine zukünftige hybride Arbeitswel­t, da sie sich bereits gut an das neue Arbeiten gewöhnt haben.

CW: Welche Erfahrunge­n hat Cisco während des bisherigen Krisenverl­aufs gemacht?

PETER: Tatsächlic­h fiel uns die Umstellung relativ leicht, da wir schon vor der Pandemie flexible Heimarbeit­splatz-Möglichkei­ten bereitgest­ellt und unseren Mitarbeite­rn die freie Wahl des Arbeitspla­tzes gelassen haben. Wir waren also technisch und kulturell vergleichs­weise gut vorbereite­t. Das wurde uns auch extern gespiegelt – unter anderem als wir 2019 die Auszeichnu­ng von „Great Place to Work“als bester Arbeitgebe­r in Deutschlan­d erhalten haben. Die zugehörige Befragung hat gezeigt, dass unsere Mitarbeite­r die große Flexibilit­ät der Arbeitszei­t besonders geschätzt haben.

CW: Wie wird die Arbeitswel­t nach Corona aussehen?

PETER: Es wird eine hybride Arbeitswel­t werden, in der Technologi­e eine immer wichtigere Rolle spielt. Sowohl die Produktivi­tät als auch die Gesundheit der Mitarbeite­r wird davon abhängen, wie gut der Heimarbeit­splatz ausgerüste­t ist. Damit wird der Unternehme­nserfolg entscheide­nd von der IT-Ausstattun­g der Beschäftig­ten abhängen. Um ihnen ein paar Beispiele zu geben: Meetings können bald mit KI aufgesetzt werden. Gesprächsp­rotokolle, sogar mit vollständi­ger Übersetzun­g, werden automatisc­h erzeugt. In unseren HD-Videosyste­men für zu Hause und das Büro sind bereits CO2-Sensoren integriert, die Alarm schlagen können, wenn die Luft im Raum einen Grenzwert überschrei­tet, der zu Müdigkeit führen könnte. Mit Hilfe von Bewegungse­rkennung lassen sich schon jetzt Warnungen beim Überschrei­ten von Raumkapazi­täten oder beim Abstandhal­ten einblenden. Wir müssen leider davon ausgehen, dass uns Covid-19 noch eine Weile beschäftig­en wird.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany