Hyperscaler noch nicht am Ziel
Cloud-Provider stehenen vor rosigen Zeiten
Immer im Herbst, wenn die Blätter fallen, bringen die Analysten der großen Marktforschungsunternehmen ihre Prognosen für das neue Jahr heraus. Forrester Research beschäftigt sich in seinen „Predictions 2021“unter anderem mit Cloud Computing und kommt – wohl wenig überraschend – zu dem Schluss, dass die derzeitige Pandemie den Cloud-Trend beschleunigt habe. „Ohne CloudAnwendungen, -Tools und -Services hätten wir nicht Millionen von Mitarbeitern ins Home-Office schicken, globale Lieferketten unter Kontrolle behalten und die Geschäftsmodelle ganzer Industrien binnen Wochen verschieben können.“
In den letzten Monaten hat sich laut Forrester eine Kluft gebildet zwischen Betrieben, die sich ganz auf die Cloud einließen, und jenen, die hier nur vorsichtig investiert haben. Der Zug in Richtung Datenwolke habe schon vor der Pandemie Fahrt aufgenommen und werde sich 2021 mit hoher Beschleunigung weiterbewegen. Der Umsatz mit Public-Cloud-Angeboten wird demnach deutlich steigen, hier sei die Rückkehr zu „Hyper-Wachstum“zu erwarten, wenn sich die Covid-19-Krise hoffentlich ihrem Ende zuneige.
Cloud-Provider hatten Antworten in der Krise
Seit März 2020 sei es den Public-Cloud-Anbietern immer wieder gelungen, den in Mitleidenschaft gezogenen Unternehmen Antworten auf ihre Probleme zu geben. So konnten Millionen von Beschäftigten in den Home-Offices versorgt werden, die Anwendungsentwicklung und -bereitstellung nahm deutlich an Fahrt auf, und neue Geschäftsmodelle ließen sich in zuvor nicht bekannter Geschwindigkeit umsetzen. Das Virus habe den Betrieben abverlangt, Geschwindigkeit und Customer Experience in den Vordergrund zu stellen, beobachten die Forrester-Spezialisten. Diese Themen seien noch wichtiger gewesen als Kostensenkungs- und Effizienzprogramme.
Ein von Forrester genanntes Beispiel ist Etsy, ein großer US-Marktplatz für den Handel mit handgemachten Produkten und Künstlerbedarf. Etsy sei während der Krise in die Google Cloud gewechselt, um Lastspitzen im E-Commerce besser abfangen zu können.
Auf Amazon Web Services (AWS) verlasse sich inzwischen der Pharmakonzern Moderna, ein heißer Kandidat für den zeitnahen
Launch eines Corona-Impfstoffs. Auch die US-Handelsketten Lowe‘s und Best Buy
werden als Beispiele für Public-Cloud-Migrationen angeführt.
Für 2021 erwartet Forrester, dass der globale Public-Cloud-Infrastrukturmarkt um 35 Prozent auf ein Volumen von 120 Milliarden Dollar anwachsen wird. AWS bleibe an der Spitze, Microsoft Azure die Nummer zwei. Auf den Plätzen drei und vier wird ein Wechsel prognostiziert: Laut Forrester dürfte Alibaba an Google Cloud vorbeiziehen.
Auftrieb für Desaster Recovery in der Cloud
Auch der Desaster-Recovery-Betrieb wird laut Prognosen immer öfter ein Fall für die Public Cloud: Vor dem Jahr 2020 hätten es nur wenige Unternehmen gewagt, diese Aufgabe einem
Cloud-Provider zu übertragen. Zu groß seien die Vorbehalte wegen technischer Unterschiede bezüglich des eigenen Rechenzentrums und der Cloud-Technologien gewesen. Auch hätten Sicherheitssorgen, ungelöste Probleme rund um Networking-Themen und Anwendungsportierung sowie die unterschiedlichen Lizenzpraktiken Anwender zögern lassen. Doch inzwischen gebe es spezialisierte IT-Dienstleister, die hier gezielt helfen könnten. Außerdem habe die Pandemie den Druck erhöht, etwas zu unternehmen, um auch in Krisensituationen handlungsfähig zu bleiben.
Forrester schätzt, dass 2021 ein zirka 20-prozentiger Anstieg von Public-Cloud-Migrationen zu erwarten ist, die durch Desaster-RecoveryVorhaben motiviert sind. Hier seien aber nur bestimmte Business-Apps betroffen. Proprietäre Anwendungen und Infrastrukturen würden weiter im eigenen Rechenzentrum oder bei Managed-Service-Providern untergebracht.
Cloud-Native wird zum Standard
Die Inanspruchnahme von Cloud-Native-Technologien soll den Prognosen zufolge sprunghaft zunehmen, wobei der Anteil des Serverless Computing auf 25 Prozent steigen soll. Unternehmen könnten damit Anwendungen am Kunden-Frontend einfacher und schneller entwickeln, migrieren und modernisieren – und das im großen Maßstab vom Rechenzentrum über die Cloud bis zum Edge. Vor der Covid-19-Krise habe der Anteil der Entwickler, die Serverless-Funktionen in der Public Cloud nutzten, bei 19 Prozent gelegen. 22 Prozent hätten regelmäßig Container-Technologien genutzt, um Anwendungssoftware in der Public Cloud zu entwickeln und zu betreiben.
Nach der Krise werde sich die Nutzung von Technologien wie Kubernetes und Docker massiv beschleunigen. Um neue Anwendungen zu entwickeln, würden immer mehr Unternehmen eine „Public-Cloud-native-First“-Strategie wählen. Ende 2021 werden laut Forrester 25 Prozent der Entwickler regelmäßig ServerlessFunktionen nutzen, 28 Prozent werden mit Container-Technologien arbeiten. In der Cloud werde das Wachstum viel schneller vonstattengehen als bei On-Premises-Serverless- und -Container-Pattformen. AWS verfüge mit der LambdaTechnologie über einen besonders hohen Anteil im Serverless-Markt, doch auch Microsoft, Alibaba und Google könnten von der steigenden Nachfrage nach FaaS (Function as a Service) und CaaS (Container as a Service) profitieren.
Forrester sieht aber auch Hindernisse für die Public Cloud im nächsten Jahr, und diese haben vor allem mit dem Thema Datenschutz zu tun. Heute haben die erfolgreichsten multinationalen Cloud-Anbieter ihren Hauptsitz in den USA oder China. Sobald sie Kunden jenseits ihrer Landesgrenzen ansprechen wollen, gibt es regulatorische Hindernisse. Wollen die Cloud-Provider den chinesischen Markt bedienen, geht das beispielsweise nur, wenn sie mit lokalen Anbietern vor Ort zusammenarbeiten. Die US-Regierung hat ihrerseits Einschränkungen für Alibaba, Huawei, Tencent und Baidu auf dem US-Markt durchgesetzt.
GAIA-X existiert nur auf dem Papier
In Europa gewinnt die Idee einer souveränen Cloud – Gaia-X – an Fahrt, allerdings bislang nur auf dem Papier. Umfassende Dienstleistungen sind derzeit noch in weiter Ferne. Forrester glaubt, dass der Streit um die Aussetzung des Privacy-Shield-Abkommens noch lange dauern wird, eine übergreifende Datennutzung über beide Seiten des Atlantiks hinweg bleibe schwierig.
Multinationale und auch regionale Unternehmen werden von den großen Cloud-Anbietern aufgrund ihrer globalen Reichweite, ihres Innovationstempos und ihrer Entwicklerdienste angezogen – für lokale Anbieter wird es schwer, hier mitzuhalten. Chancen gibt es aber auch für sie, schon aufgrund der vielen lokalen Regularien, die auch 2021 Bestand haben werden. Cloud-Nutzer werden dann in Einzelfällen entscheiden müssen, ob sie mit ihrem strategischen Cloud-Partner zusammenarbeiten können oder auf einen Anbieter in der Region ausweichen müssen.
Vielfalt der Marktplätze irritiert Anwender
Technologie-Marktplätze werden den Auguren zufolge allmählich akzeptiert, doch die Vielfalt führe zu Irritationen, die Frequentierung werde daher überschaubar bleiben – egal, ob es sich um einen SaaS-Marktplatz, eine branchenspezifische Ansammlung von Technologien oder einen Cloud-Anbieter beziehungsweise Entwicklermarktplatz handelt. Auf SaaS-Marktplätzen komme es vor allem zu kleinvolumigen Deals im Umfang von zehn bis 300 Dollar Geschäftsumfang. Wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel.
Unter den Marktplätzen für Entwickler hat nur Docker Hub eine signifikante Zahl an aktiven Nutzern. Tausende von Container-Images führen hier zu einer lebhaften Teilnahme, allerdings ist das ein kostenloser Dienst. Vor der globalen Pandemie nutzte laut Forrester nur ein Prozent der Einkäufer weltweite Marktplätze als Shopping-Kanäle. Seitdem sei zumindest das Interesse deutlich nach oben gegangen: Mehr als ein Viertel der weltweiten Einkäufer wollen auf diesem Wege einen Teil ihres Bedarfs decken.
Einfachere Multivendor-Verwaltung
Im Jahr 2021 wird sich laut Forrester das Einkaufsvolumen auf Technologiemarktplätzen verdreifachen – dann aber immer noch nur etwa drei Prozent der Gesamtausgaben für Technologie ausmachen. Erfolgreiche Player in diesem Geschäft werden den Analysten zufolge ihre Angebote vergrößern, bessere Überprüfungsmöglichkeiten anbieten und mithilfe standardisierter Verträge und Abrechnungsmöglichkeiten die Multivendor-Verwaltung vereinfachen.