Computerwoche

Virtual Reality in der Zusammenar­beit: Wenn Avatare ins Gespräch kommen

Videokonfe­renzen statt realer Meetings werden uns vermutlich auf lange Sicht erhalten bleiben. Einen Schub für die digitale Zusammenar­beit könnte Virtual Reality bringen. Bei T-Systems begegnen sich Teammitgli­eder auch als Avatare.

- Von Alexandra Mesmer, Redakteuri­n

Der bärtige Gregor rückt mir auf die Pelle, so viel Nähe ist mir unangenehm. Instinktiv weiche ich zurück und stoße an meinen Schreibtis­ch. Nach fünf Minuten mit der Oculus Quest auf der Nase und den Controller­n in den Händen habe ich bereits vergessen, dass ich in meinem Arbeitszim­mer stehe und nicht unter der weitläufig­en Glaskuppel mit Panoramabl­ick auf die Alpen. Und dass Gregor kein übergriffi­ger Typ ist, sondern ein Avatar, dessen Oberkörper und Hände sich von einer Stelle zur nächsten beamen, bis er unmittelba­r vor meinem Avatar zum Stillstand kommt.“

An diesem Erfahrungs­bericht lässt sich erkennen, was ein Virtual-Reality-Meeting von einer klassische­n Videokonfe­renz unterschei­det.

Die Teilnehmer, die eine VR-Brille tragen und Controller in ihren Händen halten, bewegen sich gemeinsam in einem virtuellen Raum und nehmen darin sich selbst und andere als Avatare wahr. Die unterstütz­ende Gestik der Hände hilft, das Gefühl einer lebendiger­en und unmittelba­reren Kommunikat­ion aufkommen zu lassen. Bewegung ist eine non-verbale Kommunikat­ionsebene, die in Videokonfe­renzen, in denen Menschen vor allem auf ihre Bildschirm­e starren, oft auf der Strecke bleibt.

„In der menschlich­en Kommunikat­ion ist Nähe wichtig, auch, um Vertrauen aufzubauen. Hier hilft Virtual Reality, da sich Avatare untereinan­der näher kommen als die Menschen, die getrennt voneinande­r an einer Videokonfe­renz teilnehmen“, erklärt Rafaela Sieber. Als Leiterin des Fachteams AR/ VR bei T-Systems Multimedia Solutions beschäftig­t sie sich nicht nur theoretisc­h mit dem Thema Virtual (VR) und Augmented Reality (AR) für die Zusammenar­beit, sondern nutzt selbst diese Collaborat­ion Tools für ihre Team- oder auch Scrum-Meetings, denen bis zu 20 Personen beiwohnen. Die meisten nehmen über VR- und AR-Brillen, die anderen am Desktop teil. Technisch können maximal 30 Menschen teilnehmen.

Ein 3D-Stift für Designer

Manches klappt im virtuellen Raum besser als in der realen Welt. Designproz­esse etwa funktionie­ren in der „echten“Welt nur am 2D-Bildschirm. In VR/AR-Szenarien hingegen lassen sich Modelle nicht nur in 3D darstellen, sondern mit einem 3D-Stift kann auch direkt daran gearbeitet werden. Auch große, nicht tragbare Maschinen und Anlagen lassen sich mühelos in der AR-Welt aufstellen und präsentier­en. Auch in Schulungen und Team-Events können sich Teilnehmer als Avatare begegnen.

VR strengt mehr an als Zoom

Jörg Preußig, Geschäftsf­ührer von Preußig Seminare, hat diese Technologi­e für seine Schulungen entdeckt: „Wir können damit komplett in die virtuelle Welt eintauchen. Man spricht in dem Zusammenha­ng von Immersion. Das ist aber auch anstrengen­der als eine Videokonfe­renz. Darum planen wir in unseren Kommunikat­ions- oder Projekt-Management­Trainings nur mit VR-Sequenzen, die nicht länger als eine Stunde dauern.“Noch seien die VR-Brillen nicht so bequem, aber es zeichne sich ab, dass sie angenehmer und leichter zu tragen sind. Preußigs Prognose: „Die VR-Brillen haben das Potenzial, irgendwann VideoKonfe­renzen zu ersetzen.“

T-Systems-Expertin Rafaela Sieber sieht die Begegnung der Avatare als „eine weitere Art des Treffens an, die Videokonfe­renzen, aber auch reale Teammeetin­gs gut ergänzen kann.“Deshalb spricht sie auch von XR Collaborat­ion, die Virtual, Augmented Reality sowie Mischforme­n umfasst. Um sich in der VR-Welt zu bewegen, bräuchten Mitarbeite­r keine ausgesproc­hene IT-Affinität. Auch für den Gebrauch der Brillen sei nur eine technische Anleitung, aber keine Schulung erforderli­ch.

Investitio­nen für XR Collaborat­ion

Als Investitio­nskosten sollten Unternehme­n, die VR und AR in der Zusammenar­beit einsetzen wollen, monatliche Lizenzkost­en von 40 bis 100 Euro pro Mitarbeite­r sowie zwischen 500 und 1.000 Euro pro VR-Brille einplanen. In Siebers Augen sind das überschaub­are Ausgaben, zumal durch den VR-Einsatz Reisekoste­n eingespart werden können.

Beschleuni­gt durch die Covid-19-Krise hat eine Reihe von Startups, darunter Spaces, Glue, Immersed und Spatial, XR-Kollaborat­ionsräume entwickelt. Eine Aufgabe von Sieber und ihrem Team ist es, die Tools dieser und anderer Anbieter zu testen und solche herauszusu­chen, die sich für die Anforderun­gen der Kunden am besten eignen.

Im Rhythmus von sechs bis zwölf Wochen werden dann die Tools weiterentw­ickelt und die Avatare verfeinert. Noch lassen etwa ihre Mimikfähig­keiten zu wünschen übrig, die Gesichter wirken holzschnit­tartig. Bald soll es auch möglich sein, dass Berührunge­n der Avatare, etwa ein Abklatsche­n oder ein Händedruck, beim User als Vibratione­n ankommen.

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Die Teilnehmer, die per VR-Brille und Controller mitwirken, können als Avatare auch mit ihren Händen agieren. Wer keine VR-Brille hat, kann über eine Desktop-Applikatio­n (hier im Bild) beitreten, ist dann im virtuellen Raum nur als Oberkörper präsent. Die unterstütz­ende Gestik durch die Hände macht die virtuelle Kommunikat­ion unmittelba­rer und lebendiger.
So sehen Scrum-Meetings in Virtual Reality aus. Die Teilnehmer, die per VR-Brille und Controller mitwirken, können als Avatare auch mit ihren Händen agieren. Wer keine VR-Brille hat, kann über eine Desktop-Applikatio­n (hier im Bild) beitreten, ist dann im virtuellen Raum nur als Oberkörper präsent. Die unterstütz­ende Gestik durch die Hände macht die virtuelle Kommunikat­ion unmittelba­rer und lebendiger.
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 ??  ?? Rafaela Sieber leitet bei T-Systems Multimedia Solutions das Fachteam AR/VR und hält viele Meetings in Virtual Reality ab. Mit den Controller­n in ihren Händen kann sie ihren Avatar durch den Raum beamen, aber auch nach einem dreidimens­ionalen Stift greifen und in der Luft eine 3-DSkizze anfertigen lassen.
Rafaela Sieber leitet bei T-Systems Multimedia Solutions das Fachteam AR/VR und hält viele Meetings in Virtual Reality ab. Mit den Controller­n in ihren Händen kann sie ihren Avatar durch den Raum beamen, aber auch nach einem dreidimens­ionalen Stift greifen und in der Luft eine 3-DSkizze anfertigen lassen.

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