Die virtuelle Arbeitswelt ist noch ziemlich fragil
Die Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken bedeutete für viele Führungskräfte einen Sprung ins kalte Wasser. Warum? Die Unternehmenskulturen waren oft noch nicht reif dafür.
Haben Sie schon mal vom „Krawatteneffekt“gehört? Der Schlips, einst ein unverzichtbarer Teil der männlichen Büro-Uniform, ist aus dem Geschäftsleben nahezu verschwunden. Quasi über Nacht hat sich hier ein unvorhersehbarer Wandel vollzogen, und genauso wird es mit der Büroarbeit gehen. Das zumindest prognostiziert Stephan Fingerling, CIO der MAN Truck & Bus SE, im neuen „CIO Jahrbuch 2021“. 2026 sei die Präsenzkultur am Ende, Arbeitsverhältnisse würden unabhängig von Büros und Nine-to-Five-Denken gestaltet. Auch die Kunden erwarteten dann nicht mehr, dass der externe Berater vor Ort antrete. Sie wollten hochwertige Leistungen beziehen – wo diese erbracht würden, spiele keine Rolle mehr.
Wir schreiben erst das Jahr 2020 – ob Fingerlings Vision Realität wird, steht in den Sternen. Immerhin hat sich in der Pandemie schon mal bestätigt, dass verteiltes Arbeiten technisch kein Hexenwerk ist. Aber hier geht es um mehr: Soll Remote Working auf Dauer funktionieren, braucht es vor allem kulturelle Veränderungen. Produktivität in Teams ist auf regelmäßigen Austausch und Zugewandtheit angewiesen. Dafür haben sich im Laufe der Jahrtausende persönliche Begegnungen bewährt.
Nach den ersten Home-Office-Monaten wird vielen Geschäftsführern bewusst, dass sie ihren Mitarbeitern auf Dauer ausbalancierte Möglichkeiten zwischen konzentriertem Arbeiten im heimischen Büro und persönlichen Begegnungen im Unternehmen ermöglichen müssen. Führungskräfte sind dabei gefordert: Nivea-Hersteller Beiersdorf bittet seine Manager deshalb um eine „Care“-Mentalität (siehe Seite 36). Der DAX-Konzern hat offenbar erkannt, wie fragil die durch Corona erzwungene virtuelle Arbeitswelt noch ist.
Herzlich, Ihre