Zukunft von ERP liegt in der Cloud
Genauso wie Cloud Computing in den meisten Unternehmen gesetzt ist, verhält es sich auch mit Cloud-ERP-Systemen. Eine Erhebung der COMPUTERWOCHE zeigt aber, dass viele Betriebe einen hybriden Ansatz verfolgen.
Der Einsatz eines Cloud-ERP-Systems ist heute ein wichtiger Bestandteil in der digitalen Unternehmenstransformation. Doch es gibt auch noch viele Vorbehalte.
Die Zeit der zentralen und monolithischen ERP-Systeme geht zu Ende. Die digitale Transformation zwingt die Firmen zu mehr Flexibilität. Dabei kommen Cloud-ERP-Lösungen ins Spiel, die als Software as a Service (SaaS) entweder in Form einer Single- oder einer Multi-Tenant-Lösung bereitgestellt werden. Sie bilden inzwischen häufig die Achse der Digitalisierungsstrategie von Unternehmen.
Eine aktuelle Studie zum Thema Cloud-ERP der COMPUTERWOCHE und des CIO-Magazins zeigt, dass bereits 90 Prozent der Unternehmen generell Cloud-Computing-Angeboten den Vorzug geben und schon 40 Prozent ein natives Cloud-ERP-System einsetzen. Knapp 22 Prozent setzen zudem auf eine hybride ERP-Landschaft, in der cloudbasierende Funktionen die eigenen On-Premises-Systeme ergänzen sollen.
Interessant ist, dass 63 Prozent der Firmen, die ein Cloud-ERP-System einsetzen, diese Lösung in den nächsten zwölf Monaten ausbauen wollen. Besonders investitionsfreudig sind kleinere Betriebe mit weniger als 500 Beschäftigten, von denen 28 Prozent auf jeden Fall Geld für ihr Cloud-ERP ausgeben wollen. Unter den mittelständischen Unternehmen mit 500 bis 999 Beschäftigten sind 23 Prozent investitionsbereit, bei den größeren Konzernen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern äußern sich 22 Prozent dementsprechend.
Hohe Zufriedenheit mit Cloud-ERP
Vor dem Hintergrund, dass in der CoronaPandemie nur zehn Prozent der Unternehmen ihre IT-Budgets ein wenig oder stark aufgestockt und genauso viele einen kompletten Ausgabenstopp verfügt haben, ist diese Bereitschaft bemerkenswert. Sie hängt möglicherweise damit zusammen, dass der konkrete Nutzen eines Cloud-ERP umgehend ersichtlich ist – sei es durch die Verbesserung der nunmehr digitalisierten Geschäftsprozesse oder durch die organisatorischen Vorteile beim Einhalten gesetzlicher Vorschriften.
Es ist aber auch denkbar, dass in den Ausbau investiert wird, weil ein Großteil der Befragten, nämlich 60 Prozent, mit der eingesetzten Cloud-ERP-Lösung zufrieden ist. 13 Prozent sehen ihre Erwartungen sogar übertroffen.
Dass der Umstieg von einem On-Premises
ERP auf eine cloudbasierte Lösung in der überwiegenden Anzahl der Fälle glatt verläuft, ist ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie. 69 Prozent aller Befragten bezeichnen die Migration als Erfolg. Diese hohe Quote, die bei kleinen Firmen sogar 77 Prozent beträgt, könnte darauf zurückzuführen sein, dass kaum ein Unternehmen (3,3 Prozent) ein solches Projekt ohne die Hilfe externer Spezialisten umgesetzt hat.
Doch worin genau liegt der Mehrwert eines Cloud-ERP für die Unternehmen? Als Hauptnutzen bezeichnen 27 Prozent die Möglichkeit zur standortübergreifenden Prozessvereinheitlichung in einem integrierten IT-System mit zentraler Datenhaltung in der Cloud (Single Source of Truth). In der Erhebung, die Mehrfachnennungen erlaubte, standen für rund ein Viertel der Befragten außerdem Produktivitätssteigerungen, eine hohe Zeitersparnis beim Auffinden von Informationen, der geringere Aufwand bei der Datenverwaltung und eine bessere Kostenkontrolle auf der Habenseite. Zum Thema Kosten sagten allerdings 34 Prozent der Befragten, dass es gegenwärtig noch an der Cloud-Readiness der Abrechnungsmodelle hapere und eine verbrauchsabhängige Bezahlung nach dem Pay-per-Use-Konzept kaum möglich sei.
Das primäre Ziel beim Einsatz eines CloudERP-Systems ist, die Kosten im Bereich der IT-Infrastruktur und beim Systemmanagement zu senken. Das sagten 35 beziehungsweise 34 Prozent der Befragten. Die hohe Bedeutung des Kostenaspekts ist nachvollziehbar, verschlingen die Einführung und der laufende Betrieb eines On-Premises-ERP doch in der Regel einen Großteil des IT-Budgets.
Bei einem nativen SaaS-Cloud-ERP erhalten Unternehmen dagegen Zugang zu einer weitgehend vorinstallierten Lösung, deren Pflege,
Betrieb, Support und Weiterentwicklung der Anbieter übernimmt.
Es ist daher nur folgerichtig, dass 32 Prozent die einfachere, schnellere und damit preiswertere Implementierung eines Cloud-ERP im Vergleich zu einem On-Premises-ERP schätzen. 56 Prozent aller Befragten nennen dies sogar als Hauptgrund für den Einsatz eines Cloud-ERP.
Weitere wichtige Gründe, sich für ein CloudERP zu entscheiden, sind die Migration vorhandener Unternehmensprozesse in die Cloud (52 Prozent) und das einfachere Einhalten gesetzlicher Vorschriften und interner Regularien (40 Prozent).
Wenn sich Unternehmen für ein Cloud-ERP entscheiden, dann ist für 62 Prozent dessen Flexibilität in Bezug auf die Anpassung an individuelle Prozessanforderungen absolut wichtig. Da 71 Prozent mit diesen Anpassungsmöglichkeiten sehr zufrieden oder zufrieden sind, haben die ERP-Anbieter im Großen und Ganzen offenbar einen guten Job gemacht.
Wichtige Entscheidungskriterien für die Auswahl eines Cloud-ERP-Systems sind die Sicherheit, dass das System langte am Markt verfügbar sein wird (34 Prozent) und ein möglichst großer Funktionsumfang (30 Prozent). Auf die Frage nach der Relevanz bestimmter Aspekte im Umfeld der eingesetzten Cloud-ERPSysteme stuft fast die Hälfte der Befragten die finanzielle Stabilität des ERP-Anbieters als „sehr wichtig“oder „wichtig“ein, denn sie gewährleistet den Unternehmen die gewünschte Investitionssicherheit.
Was bei Cloud-ERP wichtig ist
Eine scheinbar untergeordnete Rolle spielen dagegen Reporting-Funktionen und BI-Dashboards sowie eine internationale Einsatzfähigkeit. Vermutlich setzen die meisten Unternehmen dies einfach voraus. Dass Analytics noch stärker Einzug in Cloud-ERP-Systeme halten müsse, fordert nämlich ein Drittel der Umfrageteilnehmer, und 43 Prozent erachten eine globale Verfügbarkeit in Bezug auf Sprachen und rechtliche Anforderungen als „sehr wichtig“oder „wichtig“.
Auffällig ist das große Interesse der Befragten, mithilfe ihres ERP-Systems über verschiedene IT-Systeme hinweg digitale Workflows abbilden zu können. Zwei Drittel der Anwender halten das für sehr wichtig. Beispielsweise wollen sie ihr ERP mit ihrer CRM-Lösung (49 Prozent), ihrem Warenwirtschaftssystem (46 Prozent) oder ihren Fachprozessen (Workflows) integrieren. Von Bedeutung ist auch die Vernetzung mit KI-Systemen (30 Prozent), einer Robotic-Process-Automation-Software, kurz RPA, (23 Prozent) oder einer Blockchain-Lösung (22 Prozent).
Für 62 Prozent der Unternehmen ist darüber hinaus die mobile Nutzung eine zwingende Voraussetzung. Schließlich erhöht der Datenzugriff von unterwegs die Flexibilität und den Digitalisierungsgrad. In Zeiten, in denen sich die Arbeitswelt dynamisch verändert, ist das ein kritischer Faktor. Passend dazu halten 58 Prozent einen Chatbot oder digitalen Assistenten für sehr wichtig, der via Sprach- oder Texteingabe mit dem Cloud-ERP kommuniziert und für einen direkten Zugang zu ERP-Daten sorgt.
Vier Fünftel der Befragten wollen parallel mit der Einführung eines Cloud-ERP-Systems ihre Datenqualität verbessern. Hohe Priorität genießt das Thema besonders in großen Konzernen mit 1.000 und mehr Beschäftigten, von denen 84 Prozent entsprechende Initiativen veranlasst haben. Bei Mittelständlern mit 500 bis 999 Beschäftigten sind immer noch 73 Prozent auf dem Weg zu besseren Daten.
Woran Cloud-ERP (noch) scheitert
Die aktuelle Studie zu Cloud-ERP zeigt auch Erkenntnisse, die nachdenklich stimmen dürften. Dazu zählt in erster Linie, dass immer
noch 36 Prozent der Befragten grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der Nutzung von Cloud-Services und 14 Prozent gegenüber einem Cloud-ERP haben. Bedenken äußern dabei deutlich mehr Firmen mit weniger als 500 Beschäftigten (18 Prozent) als Betriebe mit 500 bis 999 (elf Prozent) sowie 1.000 und mehr Beschäftigten (13 Prozent).
Auffällig ist, dass neben den erwartbaren Sicherheitsbedenken
(26 Prozent) vor allem auch psychologische Aspekte eine wichtige Rolle spielen: zum Beispiel das „Gefühl des Ausgeliefertseins“
(26 Prozent), „fehlende Eigenkontrolle“(25 Prozent) oder „größere Abhängigkeit vom Anbieter“(20 Prozent). 23 Prozent der Befragten sehen im unzureichenden oder gar fehlenden Support des CloudERP-Anbieters ein Hemmnis, 17 Prozent fürchten eine schlechte Software-Ergonomie und -Usability. Als große Hürde auf dem Weg in die Cloud-ERP-Welt erweist sich zudem das fehlende Fachwissen, das konzedieren immerhin 29 Prozent der Befragten. 27 Prozent nennen eine unsichere Budgetsituation als Hindernis, eine flexible Nutzung von Lizenzen werde dadurch erschwert.
Auch in puncto Sicherheit und Datenschutz sind die Sorgen vieler Anwender noch nicht beseitigt, für mehr als die Hälfte der Befragten genießt das Thema eine Top-Priorität. Erstaunlicherweise sagen 20 Prozent der Befragten, IT-Sicherheit sei ihnen nicht besonders wichtig – vermutlich deshalb, weil sie selbstverständlich davon ausgehen, von ihrem Cloud-Provider bestens geschützt zu werden.
„Cloud only“ist keine Lösung
Alles in allem gestalten sich die Entwicklung und Akzeptanz von Cloud-ERP jedoch positiv, und viele Firmen haben bereits eine solche Lösung eingeführt oder stehen kurz davor. Wer sein OnPremises-ERP heute ablöst, wird es mit hoher Sicherheit durch ein Cloud-basiertes System ersetzen. Die Studie zeigt dabei ganz klar, dass die meisten Unternehmen derzeit noch eine „Cloudonly“-Strategie vermeiden. Lieber setzen sie auf die Option eines hybriden Bereitstellungs- und Betriebsmodells, bei dem unternehmenskritische Daten im eigenen Hause bleiben.
Künftige ERP-Landschaften dürften daher so aussehen, dass stabile ERP-Kernsysteme um native Cloud-ERP-Funktionen, etwa für den Vertrieb oder den Service, flexibel erweitert und ausgebaut werden. Genau daran zeigt sich aber auch, dass das oft totgesagte ERP weiterhin quicklebendig ist und im Zuge der Digitalisierung – da schließt sich der Kreis – eine Transformation zur offenen IT- und Geschäftsprozessplattform durchläuft.