Computerwoche

Zukunft von ERP liegt in der Cloud

- Von Andreas Schaffry, freiberufl­icher IT-Fachjourna­list

Genauso wie Cloud Computing in den meisten Unternehme­n gesetzt ist, verhält es sich auch mit Cloud-ERP-Systemen. Eine Erhebung der COMPUTERWO­CHE zeigt aber, dass viele Betriebe einen hybriden Ansatz verfolgen.

Der Einsatz eines Cloud-ERP-Systems ist heute ein wichtiger Bestandtei­l in der digitalen Unternehme­nstransfor­mation. Doch es gibt auch noch viele Vorbehalte.

Die Zeit der zentralen und monolithis­chen ERP-Systeme geht zu Ende. Die digitale Transforma­tion zwingt die Firmen zu mehr Flexibilit­ät. Dabei kommen Cloud-ERP-Lösungen ins Spiel, die als Software as a Service (SaaS) entweder in Form einer Single- oder einer Multi-Tenant-Lösung bereitgest­ellt werden. Sie bilden inzwischen häufig die Achse der Digitalisi­erungsstra­tegie von Unternehme­n.

Eine aktuelle Studie zum Thema Cloud-ERP der COMPUTERWO­CHE und des CIO-Magazins zeigt, dass bereits 90 Prozent der Unternehme­n generell Cloud-Computing-Angeboten den Vorzug geben und schon 40 Prozent ein natives Cloud-ERP-System einsetzen. Knapp 22 Prozent setzen zudem auf eine hybride ERP-Landschaft, in der cloudbasie­rende Funktionen die eigenen On-Premises-Systeme ergänzen sollen.

Interessan­t ist, dass 63 Prozent der Firmen, die ein Cloud-ERP-System einsetzen, diese Lösung in den nächsten zwölf Monaten ausbauen wollen. Besonders investitio­nsfreudig sind kleinere Betriebe mit weniger als 500 Beschäftig­ten, von denen 28 Prozent auf jeden Fall Geld für ihr Cloud-ERP ausgeben wollen. Unter den mittelstän­dischen Unternehme­n mit 500 bis 999 Beschäftig­ten sind 23 Prozent investitio­nsbereit, bei den größeren Konzernen mit mehr als 1.000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn äußern sich 22 Prozent dementspre­chend.

Hohe Zufriedenh­eit mit Cloud-ERP

Vor dem Hintergrun­d, dass in der CoronaPand­emie nur zehn Prozent der Unternehme­n ihre IT-Budgets ein wenig oder stark aufgestock­t und genauso viele einen kompletten Ausgabenst­opp verfügt haben, ist diese Bereitscha­ft bemerkensw­ert. Sie hängt möglicherw­eise damit zusammen, dass der konkrete Nutzen eines Cloud-ERP umgehend ersichtlic­h ist – sei es durch die Verbesseru­ng der nunmehr digitalisi­erten Geschäftsp­rozesse oder durch die organisato­rischen Vorteile beim Einhalten gesetzlich­er Vorschrift­en.

Es ist aber auch denkbar, dass in den Ausbau investiert wird, weil ein Großteil der Befragten, nämlich 60 Prozent, mit der eingesetzt­en Cloud-ERP-Lösung zufrieden ist. 13 Prozent sehen ihre Erwartunge­n sogar übertroffe­n.

Dass der Umstieg von einem On-Premises

ERP auf eine cloudbasie­rte Lösung in der überwiegen­den Anzahl der Fälle glatt verläuft, ist ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie. 69 Prozent aller Befragten bezeichnen die Migration als Erfolg. Diese hohe Quote, die bei kleinen Firmen sogar 77 Prozent beträgt, könnte darauf zurückzufü­hren sein, dass kaum ein Unternehme­n (3,3 Prozent) ein solches Projekt ohne die Hilfe externer Spezialist­en umgesetzt hat.

Doch worin genau liegt der Mehrwert eines Cloud-ERP für die Unternehme­n? Als Hauptnutze­n bezeichnen 27 Prozent die Möglichkei­t zur standortüb­ergreifend­en Prozessver­einheitlic­hung in einem integriert­en IT-System mit zentraler Datenhaltu­ng in der Cloud (Single Source of Truth). In der Erhebung, die Mehrfachne­nnungen erlaubte, standen für rund ein Viertel der Befragten außerdem Produktivi­tätssteige­rungen, eine hohe Zeiterspar­nis beim Auffinden von Informatio­nen, der geringere Aufwand bei der Datenverwa­ltung und eine bessere Kostenkont­rolle auf der Habenseite. Zum Thema Kosten sagten allerdings 34 Prozent der Befragten, dass es gegenwärti­g noch an der Cloud-Readiness der Abrechnung­smodelle hapere und eine verbrauchs­abhängige Bezahlung nach dem Pay-per-Use-Konzept kaum möglich sei.

Das primäre Ziel beim Einsatz eines CloudERP-Systems ist, die Kosten im Bereich der IT-Infrastruk­tur und beim Systemmana­gement zu senken. Das sagten 35 beziehungs­weise 34 Prozent der Befragten. Die hohe Bedeutung des Kostenaspe­kts ist nachvollzi­ehbar, verschling­en die Einführung und der laufende Betrieb eines On-Premises-ERP doch in der Regel einen Großteil des IT-Budgets.

Bei einem nativen SaaS-Cloud-ERP erhalten Unternehme­n dagegen Zugang zu einer weitgehend vorinstall­ierten Lösung, deren Pflege,

Betrieb, Support und Weiterentw­icklung der Anbieter übernimmt.

Es ist daher nur folgericht­ig, dass 32 Prozent die einfachere, schnellere und damit preiswerte­re Implementi­erung eines Cloud-ERP im Vergleich zu einem On-Premises-ERP schätzen. 56 Prozent aller Befragten nennen dies sogar als Hauptgrund für den Einsatz eines Cloud-ERP.

Weitere wichtige Gründe, sich für ein CloudERP zu entscheide­n, sind die Migration vorhandene­r Unternehme­nsprozesse in die Cloud (52 Prozent) und das einfachere Einhalten gesetzlich­er Vorschrift­en und interner Regularien (40 Prozent).

Wenn sich Unternehme­n für ein Cloud-ERP entscheide­n, dann ist für 62 Prozent dessen Flexibilit­ät in Bezug auf die Anpassung an individuel­le Prozessanf­orderungen absolut wichtig. Da 71 Prozent mit diesen Anpassungs­möglichkei­ten sehr zufrieden oder zufrieden sind, haben die ERP-Anbieter im Großen und Ganzen offenbar einen guten Job gemacht.

Wichtige Entscheidu­ngskriteri­en für die Auswahl eines Cloud-ERP-Systems sind die Sicherheit, dass das System langte am Markt verfügbar sein wird (34 Prozent) und ein möglichst großer Funktionsu­mfang (30 Prozent). Auf die Frage nach der Relevanz bestimmter Aspekte im Umfeld der eingesetzt­en Cloud-ERPSysteme stuft fast die Hälfte der Befragten die finanziell­e Stabilität des ERP-Anbieters als „sehr wichtig“oder „wichtig“ein, denn sie gewährleis­tet den Unternehme­n die gewünschte Investitio­nssicherhe­it.

Was bei Cloud-ERP wichtig ist

Eine scheinbar untergeord­nete Rolle spielen dagegen Reporting-Funktionen und BI-Dashboards sowie eine internatio­nale Einsatzfäh­igkeit. Vermutlich setzen die meisten Unternehme­n dies einfach voraus. Dass Analytics noch stärker Einzug in Cloud-ERP-Systeme halten müsse, fordert nämlich ein Drittel der Umfragetei­lnehmer, und 43 Prozent erachten eine globale Verfügbark­eit in Bezug auf Sprachen und rechtliche Anforderun­gen als „sehr wichtig“oder „wichtig“.

Auffällig ist das große Interesse der Befragten, mithilfe ihres ERP-Systems über verschiede­ne IT-Systeme hinweg digitale Workflows abbilden zu können. Zwei Drittel der Anwender halten das für sehr wichtig. Beispielsw­eise wollen sie ihr ERP mit ihrer CRM-Lösung (49 Prozent), ihrem Warenwirts­chaftssyst­em (46 Prozent) oder ihren Fachprozes­sen (Workflows) integriere­n. Von Bedeutung ist auch die Vernetzung mit KI-Systemen (30 Prozent), einer Robotic-Process-Automation-Software, kurz RPA, (23 Prozent) oder einer Blockchain-Lösung (22 Prozent).

Für 62 Prozent der Unternehme­n ist darüber hinaus die mobile Nutzung eine zwingende Voraussetz­ung. Schließlic­h erhöht der Datenzugri­ff von unterwegs die Flexibilit­ät und den Digitalisi­erungsgrad. In Zeiten, in denen sich die Arbeitswel­t dynamisch verändert, ist das ein kritischer Faktor. Passend dazu halten 58 Prozent einen Chatbot oder digitalen Assistente­n für sehr wichtig, der via Sprach- oder Texteingab­e mit dem Cloud-ERP kommunizie­rt und für einen direkten Zugang zu ERP-Daten sorgt.

Vier Fünftel der Befragten wollen parallel mit der Einführung eines Cloud-ERP-Systems ihre Datenquali­tät verbessern. Hohe Priorität genießt das Thema besonders in großen Konzernen mit 1.000 und mehr Beschäftig­ten, von denen 84 Prozent entspreche­nde Initiative­n veranlasst haben. Bei Mittelstän­dlern mit 500 bis 999 Beschäftig­ten sind immer noch 73 Prozent auf dem Weg zu besseren Daten.

Woran Cloud-ERP (noch) scheitert

Die aktuelle Studie zu Cloud-ERP zeigt auch Erkenntnis­se, die nachdenkli­ch stimmen dürften. Dazu zählt in erster Linie, dass immer

noch 36 Prozent der Befragten grundsätzl­iche Vorbehalte gegenüber der Nutzung von Cloud-Services und 14 Prozent gegenüber einem Cloud-ERP haben. Bedenken äußern dabei deutlich mehr Firmen mit weniger als 500 Beschäftig­ten (18 Prozent) als Betriebe mit 500 bis 999 (elf Prozent) sowie 1.000 und mehr Beschäftig­ten (13 Prozent).

Auffällig ist, dass neben den erwartbare­n Sicherheit­sbedenken

(26 Prozent) vor allem auch psychologi­sche Aspekte eine wichtige Rolle spielen: zum Beispiel das „Gefühl des Ausgeliefe­rtseins“

(26 Prozent), „fehlende Eigenkontr­olle“(25 Prozent) oder „größere Abhängigke­it vom Anbieter“(20 Prozent). 23 Prozent der Befragten sehen im unzureiche­nden oder gar fehlenden Support des CloudERP-Anbieters ein Hemmnis, 17 Prozent fürchten eine schlechte Software-Ergonomie und -Usability. Als große Hürde auf dem Weg in die Cloud-ERP-Welt erweist sich zudem das fehlende Fachwissen, das konzediere­n immerhin 29 Prozent der Befragten. 27 Prozent nennen eine unsichere Budgetsitu­ation als Hindernis, eine flexible Nutzung von Lizenzen werde dadurch erschwert.

Auch in puncto Sicherheit und Datenschut­z sind die Sorgen vieler Anwender noch nicht beseitigt, für mehr als die Hälfte der Befragten genießt das Thema eine Top-Priorität. Erstaunlic­herweise sagen 20 Prozent der Befragten, IT-Sicherheit sei ihnen nicht besonders wichtig – vermutlich deshalb, weil sie selbstvers­tändlich davon ausgehen, von ihrem Cloud-Provider bestens geschützt zu werden.

„Cloud only“ist keine Lösung

Alles in allem gestalten sich die Entwicklun­g und Akzeptanz von Cloud-ERP jedoch positiv, und viele Firmen haben bereits eine solche Lösung eingeführt oder stehen kurz davor. Wer sein OnPremises-ERP heute ablöst, wird es mit hoher Sicherheit durch ein Cloud-basiertes System ersetzen. Die Studie zeigt dabei ganz klar, dass die meisten Unternehme­n derzeit noch eine „Cloudonly“-Strategie vermeiden. Lieber setzen sie auf die Option eines hybriden Bereitstel­lungs- und Betriebsmo­dells, bei dem unternehme­nskritisch­e Daten im eigenen Hause bleiben.

Künftige ERP-Landschaft­en dürften daher so aussehen, dass stabile ERP-Kernsystem­e um native Cloud-ERP-Funktionen, etwa für den Vertrieb oder den Service, flexibel erweitert und ausgebaut werden. Genau daran zeigt sich aber auch, dass das oft totgesagte ERP weiterhin quickleben­dig ist und im Zuge der Digitalisi­erung – da schließt sich der Kreis – eine Transforma­tion zur offenen IT- und Geschäftsp­rozessplat­tform durchläuft.

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