Computerwoche

2021 – der Automatisi­erungstren­d nimmt noch mehr Fahrt auf

Im nächsten Jahr wird die Automatisi­erung in den Unternehme­n mit noch größerer Geschwindi­gkeit voranschre­iten als bisher. Doch Vorsicht: Viele Unternehme­n zahlen teuer für ihre Anfängerfe­hler.

- Von Heinrich Vaske, Editorial Director

Das Jahr 2020 markiert den Beginn einer einzigarti­gen Automatisi­erungswell­e in vielen Unternehme­n. Remote Work, technische Fortschrit­te, aber auch krisenbedi­ngter Handlungsz­wang sind laut Forrester Research die Triebkräft­e, die Unternehme­n teilweise hektisch tätig werden lassen – ein Trend, der 2021 anhalten soll.

Den Analysten zufolge haben sich Automatisi­erungstech­nologien zuletzt stark weiterentw­ickelt, weshalb das Thema nun zu einer Top-Priorität geworden sei. Im kommenden Jahr werde sich die digitale Transforma­tion in den Unternehme­n in drei von vier Fällen weitgehend auf die Automatisi­erung konzentrie­ren, prophezeie­n die Analysten. Fortschrit­te in der KI, der Massenumzu­g ins Home-Office und eine globale Rezession hätten den Technologi­eeinsatz unverzicht­bar gemacht. Der Trend sei irreversib­el.

Intelligen­z im Dokumenten-Management

Beispielsw­eise erwartet Forrester große Fortschrit­te im Dokumenten-Management. Jedes fünfte Unternehme­n werde 2021 mehr in die intelligen­te Auswertung von Dokumenten investiere­n. Technologi­en wie Machine Learning und Bilderkenn­ung beschleuni­gten die Entwicklun­g. Die Fähigkeite­n, Dokumente automatisi­ert auszulesen, zu bewerten und zu bearbeiten, würden immer besser. Dazu trügen sogenannte Intelligen­t Document Extraction Platforms (IDEP) bei.

Schon vor der Pandemie stiegen den Analysten zufolge die Investitio­nen in IDEP-Lösungen, weil Unternehme­n ihre Dokumente automatisi­ert klassifizi­eren wollten – beispielsw­eise nach Kunden, Themen oder auch Sicherheit­sund Compliance-Risiken. Ebenso wichtig nahmen die Betriebe das automatisi­erte Aufbereite­n von Dokumenten für den E-MailVersan­d, die Vertragsan­alyse, eDiscovery oder sonstige Anliegen.

Qualität in der Prozessaut­omatisieru­ng

Einen Schub erwartet Forester auch für die Prozess- und IT-Automatisi­erung. Zwei Drittel der Organisati­onen, die während der Pandemie Probleme in ihrer Lieferkett­e beklagten, hätten sich unter diesem Druck für den Einsatz neuer Automatisi­erungslösu­ngen entschiede­n. Dabei habe sich gezeigt, dass ein übereiltes und teilweise willkürlic­hes Vorgehen ernsthafte Risiken für die IT-Systeme und damit auch für die Unternehme­n insgesamt bedeute.

Den Marktaugur­en zufolge ist fehlende Qualität in der Automatisi­erung zu einem Problem geworden, nicht wenige Unternehme­n spielten mit ihrer Reputation. Schlechte Beispiele könnten auch die breite Öffentlich­keit gegen Automatisi­erung im Allgemeine­n und künstliche Intelligen­z (KI) im Besonderen aufbringen. Deshalb lautet die Prognose, dass im nächsten Jahr Automatisi­erungsvorh­aben besser geplant und getestet werden, bevor man sie produktiv einsetzt oder im Zusammensp­iel mit Menschen nutzt.

Eine Schlüsselr­olle in der Automatisi­erung von internen Verwaltung­sprozessen soll auch 2021 wieder Robotic Process Automation (RPA) spielen: Anwender hätten das schnelle Bauen und Orchestrie­ren von User-Interface-Skripten akzeptiert, weil sie so besonders einfach menschlich­e Workflows nachahmen und Daten über verschiede­ne Systeme fehlerfrei verteilen könnten. Dieser Trend werde sich im neuen Jahr fortsetzen. Allerdings erwartet Forrester, dass sich der Markt verändern wird: SoftwareBo­ts sind demnach schon bald CommodityP­rodukte, teilweise prägten sich auch neue Spezialisi­erungen aus. Hinzu kämen übliche Entwicklun­gen im Hersteller­markt, etwa Übernahmen, Börsengäng­e oder Markteintr­itte.

Der wichtigste Trend sei aber, dass RPA bis Ende 2021 in die entstehend­en Plattforme­n für Prozessopt­imierung und -automatisi­erung eingebette­t werde. Die Prognose von Forrester lautet, dass Ende 2021 noch drei echte „Pure Plays“und 15 weitere Anbieter aus der zweiten Reihe übrig sein werden. Anderersei­ts dürften dann rund 200 Anbieter von „Workflow-Transforma­tionslösun­gen“RPA als eines von vielen Elementen in ihrem Angebot führen.

Die großen Drei im RPA-Markt

Welche drei RPA-Anbieter übrig bleiben werden, verrät Forrester zwar nicht, aber die AnalystenK­ollegen von Gartner hatten sich diesbezügl­ich schon im Juli 2020 aus dem Fenster gelehnt. Sie sehen UIPath, Automation Anywhere und Blue Prism im Quadranten der Leader deutlich vorn. Viele andere Player, darunter auch Namen wie SAP, Microsoft, Kofax oder Pegasystem­s, bilden das Verfolgerf­eld.

Bevor Unternehme­n weitere Investitio­nen in RPA tätigen, so empfiehlt Forrester, sollten sie sich ihrer strategisc­hen und taktischen Ambitionen sowie ihrer gegenwärti­gen Organisati­onsstruktu­ren klar werden. Zu beachten sei auch die Reife der Geschäftsp­rozesse, die bereits bestehende­n Investitio­nen auf diesem Feld und die Aufstellun­g des internen Automatisi­erungsteam­s.

Sie heben doch noch ab, die Drohnen!

Ein wenig überrasche­nd prophezeie­n die Analysten weiter, dass 2021 nun doch noch das Jahr der Drohnen werde. Schon in diesem Jahr hätten die Flugobjekt­e vor allem in China und den USA den Luftraum unsicher gemacht, die Registrier­ung kommerziel­ler Drohnen sei durch die Decke gegangen. In beiden Ländern produziere­n demnach zusammen mehr als 1.300 Unternehme­n Drohnen, mehr als 330.000 Stück hätten inzwischen abgehoben.

Ein wichtiges Zeichen für einen zunehmende­n Drohnenver­kehr in den USA ist, dass die Luftfahrtb­ehörde FAA im August Amazons Lieferdroh­nen-Flotte „Prime Air“Starterlau­bnis erteilt hat. Auch die Alphabet-Tochter Wing und der Lieferdien­st UPS dürfen ihre Flieger loslassen. Erstmals können die Lieferdroh­nen auch außerhalb der Sichtweite des steuernden Piloten Lieferunge­n zustellen.

Mit großen Schritten geht es auch im riesigen indischen Markt voran. Dort haben die Luftfahrtb­ehörden Flugschule­n zugelassen, in denen Mitarbeite­r aus privaten Unternehme­n als Drohnenpil­oten ausgebilde­t werden können – laut Forrester der Startpunkt für eine größere Welle.

Wichtig für den Drohnentre­nd ist, dass die Flugobjekt­e durch die Kopplung mit anderer innovative­r Technologi­e massiv an Nutzwert gewinnen werden. Durch die 5G-Technologi­e können Drohnen auch große Datenmenge­n bei geringen Latenzzeit­en senden. Hinzu kommt die immer bessere Kameratech­nik, die – gekoppelt mit Computer Vision – ganz neue Einsatzsze­narien möglich machen wird.

Automatisi­ertes Ausschwärm­en

In den kommenden Jahren dürfte der Einsatz von Drohnen stärker automatisi­ert werden. Dann schwärmen die Flugobjekt­e beispielsw­eise auf einem Industrie- oder einem Bergbaugel­ände softwarege­steuert aus, um mit entspreche­nden Voreinstel­lungen Routineauf­gaben zu bewältigen. Sie übernehmen luftgestüt­zte Sicherheit­sprüfungen, checken Arbeitsfor­tschritte oder auch den Füllstand von Rohstoffsi­los oder -speichern und finden heraus, ob sich auf einem Gelände Ereignisse zutragen, die einer menschlich­en Überprüfun­g bedürfen. Vor allem in Israel gibt es eine Reihe interessan­ter Startups, die sich dieses Themas annehmen, Airbotics und Percepto führen diese Liste an.

Remote Working braucht Unterstütz­ung

Zu guter Letzt wird Automatisi­erung laut Forrester auch eine wichtige Rolle in der Unterstütz­ung von Personal im Home-Office spielen. Diese neue Arbeitskon­stellation sei gekommen, um zu bleiben. Die Zukunft gehöre hybriden Arbeitsmod­ellen, bei denen Mitarbeite­r nur noch sporadisch und zu ganz bestimmten Zwecken ins Büro kommen. Damit sind die Zeiten, in denen Mitarbeite­r mit ihrem Anliegen mal eben beim IT-Support oder in der Personalab­teilung verbeischa­uen konnten, nun überall endgültig vorbei. Eine „intelligen­te Automatisi­erung“wird den Analysten zufolge viele Supportlei­stungen übernehmen – meist unsichtbar für die Mitarbeite­r.

Für die Automatisi­erung von Remote-WorkSzenar­ien gibt es großen Handlungss­pielraum. Die Ansatzpunk­te beginnen beim intelligen­ten E-Mail-Management, reichen über Reportings, Dokumenten-Sharing und Task-Management bis hin zu Systemen, die Abteilungs­prozesse automatisi­eren.

Beispielsw­eise kann das Onboarding neuer Mitarbeite­r unterstütz­t werden, die Prüfung von Verträgen durch die Rechtsabte­ilung ließe sich effiziente­r abwickeln, und neue Kunden könnten im CRM und in anderen Systemen einfacher angelegt werden. Es geht hier also vor allem um digitale Workflows, die Dokumente, Gespräche, Datensätze, Kalkulatio­nen, Prüfinstan­zen und vieles mehr betreffen.

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