Ratgeber Recht
Leser fragen, Experten antworten Die Corona-Pandemie hält an, mit ihr stellen sich viele neue rechtliche Fragen, etwa zu den Jahreszielen, der Genehmigung für virtuelle Veranstaltungen oder zum Dienstwagen. Arbeitsrechtlerin Claudia Knuth klärt auf.
Was, wenn ich die Jahresziele nicht erreiche?
Die Jahresgespräche rücken näher. Etliche Ziele konnten aufgrund der Corona-Pandemie nicht erreicht werden. Sind die Boni gefährdet oder gilt Corona als Entschuldigung?
Claudia Knuth: „Grundsätzlich muss zwischen personen- und unternehmensbezogenen Zielen unterschieden werden. Ein persönliches Ziel kann etwa sein, drei Weiterbildungen im Laufe des Jahres zu besuchen. Wenn diese aufgrund der Kontaktbeschränkungen nicht stattfinden konnten, lässt sich sicher im Nachhinein über eine Anpassung reden. Anders sieht es mit den Unternehmenszielen aus, die nicht erreicht wurden. Wenn der Bonus von dem Umsatz abhängt und dieser signifikant eingebrochen ist, sind die Ziele nur noch schwer bis gar nicht mehr zu erreichen. Eine nachträgliche Anpassung der Zielvorgaben kann dann grundsätzlich nur erfolgen, wenn sich Arbeitgeber und Beschäftigte darin einig sind. Eine Ausnahme regelt die Störung der Geschäftsgrundlage, hinsichtlich derer anzunehmen ist, dass Arbeitgeber und -nehmer, hätten sie die Pandemie vorhergesehen, die Zielvereinbarung nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt getroffen hätten. Entscheidend ist dabei immer, wer die Risikoverteilung trägt. Will der Arbeitgeber den Mitarbeiter unter bestimmten Voraussetzungen am Umsatz des Unternehmens beteiligen, trägt der Arbeitnehmer auch das Risiko, wenn die Jahresziele verfehlt werden. Dies wäre auch nicht anders zu beurteilen, wenn das Geschäftsjahr unvorhergesehenerweise überproportional gut ausgefallen wäre. Ich rate daher, miteinander zu sprechen. Auch viele Führungskräfte haben freiwillig auf Boni oder Teile des Gehalts verzichtet, wenn ihr Unternehmen stark von der Krise betroffen war.“
Brauche ich eine Genehmigung, um an einer virtuellen Fortbildung teilzunehmen?
Bisher musste man sich die Teilnahme an einer Konferenz oder Weiterbildung genehmigen lassen. Gilt das auch für kostenlose virtuelle Veranstaltungen, etwa Webinare?
Claudia Knuth: „Virtuelle Konferenzen oder Webinare erfordern keinen Reiseantrag und sind in der Regel deutlich kürzer als Präsenzveranstaltungen. Dennoch rate ich zum klassischen Vorgehen: Also erst mit dem Vorgesetzten absprechen, ob man teilnehmen darf und für diese Zeit von der Arbeit freigestellt wird. Wie die Arbeitszeit ausgefüllt wird, bleibt auch in Zeiten von Home-Office und Online-Seminaren dem Weisungsrecht des Arbeitgebers vorbehalten. Auch gelten Freistellungen nur für die aktiven Zeiten des Webinars oder der virtuellen Konferenz. Die Pausen zählen grundsätzlich nicht dazu. Wird etwa bei einem Online-Seminar eine Mittagspause eingeläutet, kann der Arbeitgeber verlangen, dass der Mitarbeiter zwischendurch seine E-Mails liest oder einen Kunden anruft. Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes müssen weiter eingehalten werden. Sollten Präsenztermine stattfinden, und der Arbeitgeber hält eine Teilnahme des Arbeitnehmers für sinnvoll, ist dem auch Folge zu leisten. Solange seine Sicherheit gewährleistet ist, kann der Mitarbeiter nicht ohne weiteres ablehnen. Existiert eine virtuelle Alternative zur Veranstaltung, kann man verhandeln.“
Dienstwagen zurückgeben wegen Corona?
Viele Führungskräfte fragen sich, ob sie ihren Firmenwagen angesichts ausfallender Geschäftsreisen zurückgeben und stattdessen die volle Vergütung verlangen können.
Claudia Knuth: „Sind Arbeitgeber und -nehmer damit einverstanden, lässt sich eine Dienstwagenregelung auch zurücknehmen. Einseitig ist sie aber grundsätzlich nicht zu kündigen. Die Argumentation, ich will den Dienstwagen zurückgeben, weil ich nirgendwo mit ihm hinfahren kann, greift nicht. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer sind einen Vertrag zur Überlassung des Dienstwagens eingegangen. Daher sind grundsätzlich auch beide Parteien daran gebunden. Auch der Arbeitgeber kann beispielsweise dem Vertriebsmitarbeiter nicht einfach den Dienstwagen inklusive seinem Recht zur Privatnutzung entziehen, weil es weniger dienstliche Kundenbesuche gibt. Wer über einen Dienstwagen verfügt und ihn wegen seiner Home-Office-Tätigkeit weniger nutzen kann, könnte sich überlegen, ein Fahrtenbuch zu führen, statt den Wagen pauschal über die Ein-Prozent-Regel zu versteuern. Ein solcher Wechsel kann aber regelmäßig nur zu Jahresanfang stattfinden. Zudem darf das Fahrtenbuch keine Lücken aufweisen. Das Finanzamt kontrolliert genau.“